Ausgabe 15/02, 9. Okt. Archiv
 Home
  :: Impressum
Tbilisi Tourist Center
ERKA-REISEN
Last Minute Hotels
Low Budget Trips & Tipps

Zugegeben, ich hatte schon ein etwas mulmiges Gefühl, als ich an einem Samstag vormittag im September in Azkuri den schwarzen Gaul bestieg, den mir die Nationalparkverwaltung für eine Zweitagestour im Dorf besorgt hatte. Er gehörte einem der Ranger von Azkuri, ein anderer, Sura, führte unsere kleine Expedition. Ich war in meinem Leben nur dreimal auf dem Rücken eines Pferdes gesessen, einmal als Kind auf einem Jahrmarktspony, dann vor zehn Jahren in Tuschetien und in diesem Frühsommer bei einer Reitstunde im Hippodrom von Tbilissi. Aber es ging darum, das Angebot des Nationalparks zu testen, und wer eignete sich da besser als Testperson als einer, der recht unbedarft, ohne entsprechende Kondition und Erfahrung an die Sache herangeht. Wenn ich das schaffe, dann sollten sich auch andere an dieses Abenteuer wagen können. Wenn mich das Pferd auf die knapp unter 2.000 m Höhe gelegene Amarati-Hütte bringt, ohne sich und mir dabei alle Knochen zu brechen, dann dürfte das Angebot Pferdetouren im Nationalpark wirklich funktionieren. Um es vorweg zu nehmen: Pferd und Reiter haben den Härtetest mit mehr - damit ist das Pferd gemeint - oder weniger - dies betrifft den Reiter - Bravour bestanden.



Das Pferd erschien anfangs reichlich faul, eher unwillig, den unbekannten 90-kg-Mann mit seinem schweren Rucksack als Zusatzlast zu tragen. Aber mit etwas Hilfe des Rangers, gutem Zureden und gelegentlichem wirklich freundlichem Streicheln der Hinterläufe mit einem Zweig, den mir Sura von einem Baum abgerissen hatte, hat es dann doch recht gut geklappt. Jedenfalls war die Verständigung zwischen Ross und Reiter einigermassen hergestellt, als wir den Eingang zum Nationalpark nach einer halben Stunde gemütlichen Dahintrottens erreicht hatten. Und nach zwei Tagen ging der Gaul dann auch tatsächlich immer dahin, wo ich ihn haben wollte. Am ersten Tag musste ich mich voll und ganz auf den Orientierungssinn und die Trittsicherheit des Tieres verlasen, das anstandslos den beiden anderen Pferden folgte, die mit uns unterwegs waren, dem des Rangers und dem von Tamuna, meiner Reiseleiterin. Als es am Sonntag abend wieder nach Azkuri zurückging, gelang es mir sogar, den Gaul in einen leichten Trab zu versetzen und den beiden anderen davonzureiten. Aber vielleicht war dies nur dem Stalldrang des Pferdes zu verdanken und weniger meinen in zwei Tagen erworbenen reiterlichen Kenntnissen.


Mehr Probleme hatte ich mit dem Sattel, einem recht derb zusammengeschweissten Eisengestell, das mit ein paar Holzlatten und einem einfachen Kissen, bestehend aus einem mit irgendetwas gefüllten Mehlsack, mehr oder weniger sitzgerecht ausgestattet war. Die Steigbügel waren von unterschiedlicher Länge, zu kurz allemal, und konnten nicht verstellt werden, weshalb ich für Passanten einen eher komischen Eindruck hinterlassen haben musste, wenn sie mich auf dem Sattel hängend sahen. Normaluri araperi - erklärte Sura sofort, mit einem bedauernden Lächeln aber auch andeutend, dass er daran nichts ändern könne. Immerhin machte er einen Knoten in den Riemen des längeren linken Steigbügels, sodass die unterschiedliche Länge wenigstens ausgeglichen wurde. Trotzdem, das Sattelzeug war für den Anfänger ein erhebliches Handicap.


Macht aber nicht viel, im nächsten Jahr sollen mit zinsbegünstigen Krediten aus Deutschland vier professionelle Pferdevermietungsstationen aufgebaut werden, auf denen dann Touristen-geeignete Pferde mit einem normalen Sattelzeug und den entsprechend gut ausgebildeten Pferdewärtern einen normalen Service versprechen. Das ist gut so und notwendig, denn der Zustand der Rangerpferde wird manch einen europäischen Pferdefreund, der in dieser dramatisch schönen Landschaft reiten möchte, eher erschrecken. Rosinante lässt da gelegentlich grüssen, aber, wie gesagt, im nächsten Jahr soll das Angebot professionalisiert werden. Damit tröstete ich mich während der zweitägigen Tour auf dem Pferdesattel, made in Georgia. Über mein Pferd will ich nichts kommen lassen, am Ende hatte ich mich mit dem gutmütigen Alten irgendwie angefreundet.


Jeweils vier bis fünf Stunden am Tag sassen wir auf den Pferden, dazu ein paar Passagen, bei denen wir absteigen mussten. Zusammen mit einigen notwendigen Pausen - die Landschaft zwang immer wieder zum Verweilen und die Pferde wollten es sich nicht nehmen lassen, auf den fetten Bergweiden zu grasen, die sie unten in Azkuri wohl kaum vorgesetzt bekommen - waren das alles in allem zwei stramme und auch anstrengende Acht-Stunden-Unternehmungen, die zu bewältigen waren. Belohnt wurden die Anstrengungen aber durch Landschafts-Erlebnisse, die einfach überwältigend schön sind.


Führte der erste Tag meist bergan durch Wälder und über bewaldete Bergsättel, dann verschlägt es einem am zweiten Tag, als es zunächst einmal ein paar Stunden über einen sattelartigen Ausläufer des 2.354 m hohen Amarati ging, immer wieder die Sprache ob der Fülle fast atemberaubender landschaftlicher Ausblicke. Und wenn man jedes Mal glaubte, es gäbe da überhaupt keine Steigerung mehr, musste man sich ein paar Minuten später eines besseren belehren lassen. Der Pfad, so will es scheinen, ist dramaturgisch äusserst geschickt aufgebaut. Er führt durch Kiefernwälder mit herrlichen Lichtungen, durch Birken-Krüppelwald und Eichen-Nadel-Mischwälder, alle naturbelassen und seit Jahrzehnten fast ohne jeden menschlichen Eingriff. Man reitet über alpine Wiesen und Matten, die im Frühjahr ein wahres Meer an Blumen beherbergen müssen, man reitet an Felsbändern entlang und passiert - vor allem im Frühsommer zur Schneeschmelze, jetzt im Herbst weniger - herrliche Wasserfälle und im tiefer gelegenen Bereich schöne Bachläufe.


Auf der einen Seite sahen wir fast den gesamten kleinen Kaukasus, die Berge rund um Bakuriani ebenso wie Durchblicke aufs Kuratal mit Achalziche in der Ferne, auf der anderen Seite die höchsten Erhebungen des Nationalparks, den Lomisi (2.187 m) und den Sametskchwario (2.642 m). Leider hatten wir nicht die optimale Fernsicht, die uns Sura an einigen Stellen andeutete, um die Hauptkette des Grossen Kaukasus mit seinen Gletscher- und Schneebergen zu sehen. An schönen Tagen soll sogar der Kazbek den Reitersmann grüssen. Aber auch ohne Grossen Kaukasus bietet diese Tour eine Fülle fast sensationeller Landschaftsperspektiven, die auch einen, der seit nahezu 13 Jahren dieses Land intensiv bereist, immer wieder begeisterten. Und während das treue Pferd sich um die Unebenheiten des Weges kümmert, kann man stundenlang seinen Blick streifen lassen .....


Sura, der Ranger aus Azkuri, führte uns unaufdringlich und umsichtig zugleich. Er erklärte uns die Gegend, die Gipfel, die wir sahen, machte uns auf das Brunftgebrüll der Hirsche, das teif unten aus dem Tal heraufschallte, aufmerksam, kümmerte sich um die drei Pferde und hütete das Lagerfeuer, das er abends vor der Hütte angefacht hatte. Keine Minute, in der wir uns nicht bestens betreut und sicher gefühlt hätten. Sura ist seit 30 Jahren im Naturschutz tätig, er war schon Naturhüter während der Sowjetzeit, in der das Naturschutz-Reservat Bordschomi entstanden war. Sura war erst am Abend zuvor von der Amaratihütte heruntergekommen, die kleine Wasserstelle vor der Hütte und die einfachen Holzbänke hatte er vor zwei Tage erst angelegt. Weitere Holzbänke an schönen Rastplätzen will er bis zum Frühjahr mit seinen Rangerkollegen noch anlegen.


Am Hang gegenüber der Amarati-Hütte befindet sich eine kleine Alm, auf der drei Familien aus Azkuri eine Sommerweidewirtschaft betreiben. Deshalb konnten wir mit dem Proviant, den wir mitführten, etwas sorgloser umgehen. Man hatte uns im Voraus gesagt, dass man sich dort verpflegen könne. Für alle anderen Hütten des Nationalparks muss man jedoch allen Proviant mitbringen. Natürlich wurden wir von den Leuten eingeladen, einer ehemaligen Grundschullehrerin, einem Landwirt und einem früheren Filmvorführer aus Suchumi, der nach dem Abchasienkrieg in seiner früheren Heimat Azkuri untergekommen war und jetzt den Sommer auf dem Amarati verbringt. Der einfache Holztisch unter einem schattenspendenden Baum wurde gedeckt mit allem, was diese Alm an Köstlichkeiten bietet: Käse natürlich, Sahne, Joghurt, etwas Grünzeug, eine Tkremali-ähnliche Sauce aus traumhaft süss-sauren Waldbeeren, selbstgebackenes Brot und - wie könnte es anders sein - Chatschapuri. Zusammen mit Rauchwürstchen und Wodka, die wir beisteuerten, ein herrliches Abendessen mit einem traumhaft schönen Ausblick und der Chance für die Almbauern, ein paar Lari dazu zu verdienen. Und dafür gab es dann von Klaudia, der Almchefin, noch gratis eine Lebensberatung. Klaudia ist als Kaffeesatzleserin bekannt.


Ein paar kritische Bemerkungen kann die Testcrew allerdings nicht unterdrücken. Während die Wegführung beim Aufstieg und vor allem auf der Höhe des Amarati-Ausläufers abwechslungsreich und auch für einen Anfänger auf dem Pferde leicht zu bewältigen ist, gibt es beim Abstieg nach Azkuri am zweiten Tag ein paar Passagen, die kaum zu verantworten sind. Von Wegebau, wie mit dem Geldgeber KfW abgesprochen, ist da nicht viel zu spüren. Man hat einfach die alten steilen Pfade, auf denen die Almbauern die Tiere hochtreiben und zu Pferd wöchentlich ihren Käse zum Markte bringen, von hinderndem Astwerk freigeschnitten. Für einen verantwortbaren Besucherbetrieb müssen zwei oder drei Steilabstiege unbedingt durch abgesicherte Serpentinen entschärft werden. Auch zu Fuss mit dem Pferd an der langen Leine - oder für Wanderer - sind diese Abstiege nur schwer zuzumuten, es sei denn, man will über diese Passagen die Zielgruppe der Besucher auf erfahrene Alpinisten oder Profi-Geländereiter einschränken. Das kann aber kaum im Interesse des Nationalparks und seiner Geldgeber liegen. Der deutsche Sponsor wird gut daran tun, Nachbesserungen zu verlangen, soll das Image des Nationalparks nicht von vorneherein schweren Schaden erleiden. Es wäre einfach nicht mehr zu korrigieren, wenn sich bei den ersten steuerzahlenden Reisenden aus Deutschland der Eindruck festsetzte, man habe an der falschen Stelle gespart und das Geld an anderen Plätzen als im Nationalpark selbst ausgegeben.

Leicht hätte man die Kosten für die überdimensionierten und in einem Naturschutzgebiet reichlich deplazierten Wegemarkierungen aus farbigem Plastik-Material (!!!!) einsparen und damit die eine oder andere Serpentine mit einer einfachen Holzabstützung finanzieren können. Holz ist zur Genüge vorhanden, an Arbeitskräften dürfte auch kein Mangel bestehen. Ein auffälliger Teil dieser scheusslichen Wegemarkierungen ist jetzt schon durch Wild oder Menschen derart zerstört worden, dass schon nächsten Frühjahr eine Nachbesserung unausweichlich sein wird. Der Winter wird da sein übriges beisteuern. Die Bitte der Tester: Mit einfachen Holztafeln und etwas Farbe lässt sich das alles preiswerter, schöner und vor allem dauerhafter gestalten.

Ähnliche Einschränkungen müssen wir bei der Ausstattung der Touristenhütten machen. Vor allem der Sanitärbereich lässt zu wünschen übrig. An Touristen und Besucher aus Europa hat man da kaum gedacht. Bei einer Investition in Millionenhöhe sollten die höchstens Tausend Euro pro Unterkunft doch übrig sein, die man gebraucht hätte, um mindestens eine abschliessbare Dusch- oder Waschkabine einzubauen. Auf der Amaratihütte ist noch nicht einmal ein Plumpsklo vorhanden. Das muss alles nicht luxuriös sein, das reicht in einer einfachen und soliden Holzbauweise. Aber wenn man Besucher einige Tage auf Pferden durch diesen Park führen möchte, sollte man ihnen abends nach einem ebenso schweisstreibenden wie schönen Tag die Chance geben, sich etwas frisch machen zu können, ohne neugierigen Zuschauern ausgesetzt zu sein.

Trotz dieser Einschränkungen ist das Gesamturteil des Testritts überaus positiv: Eine atembraubend schöne Landschaft, ein überzeugendes, dramaturgisch fast perfekt aufgebautes Zweitages-Programm, ein umsichtiger Führer, allerdings ein paar Schwächen in der Infrastruktur. Aber beides, Wegebau und Sanitäranlagen, sind Nachbesserungen, die bei gutem Willen bis zum Start der nächstjährigen Saison noch leicht abzuleisten sind und die den mehr als positiven Gesamteindruck dieses Testritts keinesfalls trüben können. Und das mit den Pferden und Sätteln wird ja auch noch gelöst.

Rainer Kaufmann





































Copyright © 2002 ERKA-Verlag Kontakte :: e-mail :: webmaster