Gerangel
um Stromzahlungen
Wird
der Verbraucher mit Stromabschaltungen bestraft?
Durch das Gerangel zwischen dem Tbilisser Stromverteiler AES-Telasi
und dem Georgian Wholesale Eletricity Market (GWEM) um die Bezahlung
gegenseitiger Millionenschulden droht den Verbrauchern der georgischen
Hauptstadt weiteres Ungemach. GWEM verlangt von AES die Zahlung
von 70 Millionen GEL für bezogenen Strom, während AES
für das Kraftwerk AES-Mtkwari rund 46 Millionen GEL von GWEM
verlangt. Beide Seiten wollen, dass die jeweils andere zuerst zahlt.
GWEM hat deshalb bereits für den 3. Oktober die Abschaltung
der georgischen Hauptstadt von Stromlieferungen angekündigt,
der Termin wurde jedoch auf den 9. Oktober verschoben. Der Nervenkrieg
geht anscheinend weiter.
Um das alles zu verstehen, muss man zunächst einmal den
Aufbau der georgischen Stromversorgung begreifen. Das Energiesystem
ist in drei Ebenen aufgeteilt, die Produktionsebene, das Überlandnetz
und die städtischen Verteiler. Das Überlandnetz ist
in Händen des GWEM, an den alle Stromproduzenten ihren Strom
abzuliefern haben. GWEM teilt diesen dann den lokalen Stromverteilern
oder industriellen Grosskunden direkt zu.
Besonders pikant an dieser Konstruktion ist, das der amerikanische
Investor AES, der die Mehrheit des Tbilisser Stromverteilers AES-Telasi,
besitzt, auch Mehrheitsaktionär des grössten georgischen
Thermo-Kraftwerkes in Gardabani ist, AES-Mtkwari genannt. So muss
also AES den Strom, den es in Gardabani selbt produziert, zunächst
an das Überlandnetz und damit an GWEM verkaufen, um es in
Tbilissi wieder zu einem höheren Preis versteht sich, zurückzukaufen.
Da AES-Mtkwari seine Gaslieferungen bei ITERA regelmässig
im Voraus zu bezahlen hat, kam es in der Vergangenheit immer wieder
zu Misshelligkeiten mit GWEM. AES-Telasi ist vertraglich verpflichtet,
soviel Strom einzukaufen, dass es die Stadt Tbilissi rund um die
Uhr mit Strom versorgen kann. Im staatlichen GWEM ist in den letzten
Jahren aber immer wieder Strom an industrielle Grossverbraucher
abgezweigt worden, die diesen nie bezahlen mussten.
Die AES-Manager befürchten nun, dass von den 70 Millionen,
die an GWEM geschuldet werden, nicht allzuviel bei AES-Mtkwari
ankommen wird, wo man das Geld dringend für den nötigen
Gaseinkauf für den Winter benötigt. Erst müsse
GWEM seine Schulden an AES-Mtkwari bezahlen, bevor AES-Telasi
Geld an GWEM transferiert. Auf der anderen Seite fragen die Manager
von GWEM, mit welchem Geld sie denn AES-Mtkwari bezahlen sollten,
wenn AES-Telasi sich weigere, seine Schulden zu begleichen.
Für die Bevölkerung von Tbilissi ist dieser Streit
um Millionen von Lari, die sie längst bezahlt haben, nicht
mehr sonderlich lustig. Auf rund 80 % Inkasso schätzt GWEM
mittlerweile die Zahlungsmoral der Hauptstädter und stellt
den Tbilissern damit ein äusserst gutes Zeugnis aus. Vor
wenigen Jahren wurde nicht einmal 30 %, des Stromverbrauchs auch
ehrlich bezahlt. Damit haben die Hauptstädter ihren Anteil
zur Absicherung der Stromversorgung beigetragen und können
nicht einsehen, warum sie mit eventuellen Stromabschaltungen für
etwas bestraft werden sollen, für das sie kaum Verantwortung
tragen.
Beim Nervenkrieg hinter den Kulissen der Stromwirtschaft geht
es vermutlich nicht alleine um die Aufrechnung gegenseitiger Schulden.
Die Aufsplittung des Energieverteilungssystems in drei Ebenen,
wovon eine, nämlich die zwischen Produzenten und städtischem
Verteiler liegende staatlich betrieben wird, und den beiden anderen
Ebenen, die der Staat Privatinvestoren überlassen hat, hat
sich bis heute nicht als besonders effizient erwiesen. Der Streit
zwischen staatlichen Managern, die sich gerne im Stile alter Apparatschicks
präsentieren, und der Privatwirtschaft, die von dem staatliche
Zwischenglied abhängig sind, ist systemimmanent und natürlich
wird in diese Konstruktion immer wieder von persönlichen
bereicherungen und Korruption gesprochen. So steht zu vermuten,
dass es beim Streit hinter den Kulissen der Stromwirtschaft vielleicht
auch um die Machtfrage geht, um die Frage, ob es angesichts der
real existierenden Zustände in Georgien nicht besser wäre,
der Privatwirtschaft bei strenger Kontrolle der Preisgestaltung
den gesamten Strommarkt zu überlassen. Kritiker des heutigen
Dreistufensystems verweisen darauf, dass man besser vor Jahren
schon das gesamte Energiesystem über die Weltbank an private
Investoren per Ausschreibungen hätte abgeben sollen. Aber
- wie bei der Gasversorgung, wo es vor dem kommenden Winter ebenfalls
zu grösseren Schwierigkeiten gekommen ist, - steht ein Teil
der Politiker auf dem Standpunkt, dass sich der Staat nicht alle
strategisch wichtigen Bereiche der Wirtschaft aus der Hand nehmen
lassen könne, zumal dann, wenn sich finanzkräftige Investoren
fast nur im Ausland finden lassen. An den Verbraucher wird in
diesem Spiel zuletzt gedacht.
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