Ausgabe 15/02, 9. Okt. Archiv
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Gerangel um Stromzahlungen
Wird der Verbraucher mit Stromabschaltungen bestraft?

Durch das Gerangel zwischen dem Tbilisser Stromverteiler AES-Telasi und dem Georgian Wholesale Eletricity Market (GWEM) um die Bezahlung gegenseitiger Millionenschulden droht den Verbrauchern der georgischen Hauptstadt weiteres Ungemach. GWEM verlangt von AES die Zahlung von 70 Millionen GEL für bezogenen Strom, während AES für das Kraftwerk AES-Mtkwari rund 46 Millionen GEL von GWEM verlangt. Beide Seiten wollen, dass die jeweils andere zuerst zahlt. GWEM hat deshalb bereits für den 3. Oktober die Abschaltung der georgischen Hauptstadt von Stromlieferungen angekündigt, der Termin wurde jedoch auf den 9. Oktober verschoben. Der Nervenkrieg geht anscheinend weiter.

Um das alles zu verstehen, muss man zunächst einmal den Aufbau der georgischen Stromversorgung begreifen. Das Energiesystem ist in drei Ebenen aufgeteilt, die Produktionsebene, das Überlandnetz und die städtischen Verteiler. Das Überlandnetz ist in Händen des GWEM, an den alle Stromproduzenten ihren Strom abzuliefern haben. GWEM teilt diesen dann den lokalen Stromverteilern oder industriellen Grosskunden direkt zu.

Besonders pikant an dieser Konstruktion ist, das der amerikanische Investor AES, der die Mehrheit des Tbilisser Stromverteilers AES-Telasi, besitzt, auch Mehrheitsaktionär des grössten georgischen Thermo-Kraftwerkes in Gardabani ist, AES-Mtkwari genannt. So muss also AES den Strom, den es in Gardabani selbt produziert, zunächst an das Überlandnetz und damit an GWEM verkaufen, um es in Tbilissi wieder zu einem höheren Preis versteht sich, zurückzukaufen. Da AES-Mtkwari seine Gaslieferungen bei ITERA regelmässig im Voraus zu bezahlen hat, kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Misshelligkeiten mit GWEM. AES-Telasi ist vertraglich verpflichtet, soviel Strom einzukaufen, dass es die Stadt Tbilissi rund um die Uhr mit Strom versorgen kann. Im staatlichen GWEM ist in den letzten Jahren aber immer wieder Strom an industrielle Grossverbraucher abgezweigt worden, die diesen nie bezahlen mussten.

Die AES-Manager befürchten nun, dass von den 70 Millionen, die an GWEM geschuldet werden, nicht allzuviel bei AES-Mtkwari ankommen wird, wo man das Geld dringend für den nötigen Gaseinkauf für den Winter benötigt. Erst müsse GWEM seine Schulden an AES-Mtkwari bezahlen, bevor AES-Telasi Geld an GWEM transferiert. Auf der anderen Seite fragen die Manager von GWEM, mit welchem Geld sie denn AES-Mtkwari bezahlen sollten, wenn AES-Telasi sich weigere, seine Schulden zu begleichen.

Für die Bevölkerung von Tbilissi ist dieser Streit um Millionen von Lari, die sie längst bezahlt haben, nicht mehr sonderlich lustig. Auf rund 80 % Inkasso schätzt GWEM mittlerweile die Zahlungsmoral der Hauptstädter und stellt den Tbilissern damit ein äusserst gutes Zeugnis aus. Vor wenigen Jahren wurde nicht einmal 30 %, des Stromverbrauchs auch ehrlich bezahlt. Damit haben die Hauptstädter ihren Anteil zur Absicherung der Stromversorgung beigetragen und können nicht einsehen, warum sie mit eventuellen Stromabschaltungen für etwas bestraft werden sollen, für das sie kaum Verantwortung tragen.

Beim Nervenkrieg hinter den Kulissen der Stromwirtschaft geht es vermutlich nicht alleine um die Aufrechnung gegenseitiger Schulden. Die Aufsplittung des Energieverteilungssystems in drei Ebenen, wovon eine, nämlich die zwischen Produzenten und städtischem Verteiler liegende staatlich betrieben wird, und den beiden anderen Ebenen, die der Staat Privatinvestoren überlassen hat, hat sich bis heute nicht als besonders effizient erwiesen. Der Streit zwischen staatlichen Managern, die sich gerne im Stile alter Apparatschicks präsentieren, und der Privatwirtschaft, die von dem staatliche Zwischenglied abhängig sind, ist systemimmanent und natürlich wird in diese Konstruktion immer wieder von persönlichen bereicherungen und Korruption gesprochen. So steht zu vermuten, dass es beim Streit hinter den Kulissen der Stromwirtschaft vielleicht auch um die Machtfrage geht, um die Frage, ob es angesichts der real existierenden Zustände in Georgien nicht besser wäre, der Privatwirtschaft bei strenger Kontrolle der Preisgestaltung den gesamten Strommarkt zu überlassen. Kritiker des heutigen Dreistufensystems verweisen darauf, dass man besser vor Jahren schon das gesamte Energiesystem über die Weltbank an private Investoren per Ausschreibungen hätte abgeben sollen. Aber - wie bei der Gasversorgung, wo es vor dem kommenden Winter ebenfalls zu grösseren Schwierigkeiten gekommen ist, - steht ein Teil der Politiker auf dem Standpunkt, dass sich der Staat nicht alle strategisch wichtigen Bereiche der Wirtschaft aus der Hand nehmen lassen könne, zumal dann, wenn sich finanzkräftige Investoren fast nur im Ausland finden lassen. An den Verbraucher wird in diesem Spiel zuletzt gedacht.

 
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