Ein
Winter mit oder ohne Gas?
TBILGAZ-Joint
Venture mit ITERA vorerst geplatzt
Jetzt sitzt die georgische Regierung zwischen allen Gashähnen
und es kann ihr passieren, dass in diesem Winter keiner mehr funktioniert.
Die Verhandlungen zwischen dem Energieminister und ITERA, dem russischen
Gasgiganten, über eine gemeinsame Gesellschaft zur Übernahme
von TBILGAZ, dem Gasversorger der Hauptstadt, sind zunächst
einmal gescheitert. Energieminister Davit Pirtschulawa erklärte
nach seiner Rückkehr von Verhandlungen aus Moskau am Sonntag,
ITERA habe einerseits keine ausreichenden Investitionszusagen zur
Sanierung des maroden Gasleitungsnetzes machen wollen, andererseits
aber Steuervergünstigungen verlangt, die Georgien nie hätte
einräumen können. ITERA warf der georgischen Seite vor,
das Geschäft aus politischen Motivationen zum Scheitern gebracht
zu haben.
Der Entschluss der georgischen Regierung, 51 % der Aktien des
finanziell angeschlagenen und technisch maroden Tbilisser Gasverteilers
TBILGAZ an die russische Firma ITERA zu verkaufen, war in der
georigschen Politik heftig umstritten. Vor allem vor dem Hintergrund
der Spannungen im georgisch-russischen Verhältnis befürchteten
viele eine totale Abhängigkeit in der Energieversorgung von
Russland. ITERA besitzt nicht nur einen Grossteil der lokalen
Gasnetze Georgiens. ITERA, eine Tochter von Gazprom, ist auch
Inhaber des Überland-Gasnetzes SAKGAZ in Georgien und somit
der einzige Gaslieferant im Lande.
Deshalb konnte Michael Saakaschwili, Chef der "Nationalen
Bewegung" am Montag auch frohlocken, als er das Scheitern
der Verhandlungen der heftigen Opposition seiner Partei an die
Fahnen heftete. Die Regierung habe sich zu sehr auf ITERA verlassen
und keine Vorsorge für die Gasversorgung in diesem Winter
getroffen. Die Kritiker des geplanten Deals führen vor allem
politische Gründe ins Feld. "Georgien kann von Moskau
nicht leichter erpresst werden als mit diesem Gemeinschaftsunternehmen",
erklärt der Oppositionsabgeordnete Giorgi Baramidze. Schewardnadse
wolle seine angeschlagene innenpolitische Popularität durch
eine permanente Gasversorgung während des Winters aufbessern,
auch wenn Georgien dafür mit der Aufgabe seiner Souveränität
bezahlen müsse. Andere werfen ihm und seiner Familie vor,
direkte finanzielle Interessen in diesem Geschäft mit ITERA
zu haben, ohne jedoch konkrete Beweise für diesen Vorwurf
zu liefern.
Der in Bedrängnis geratene Energieminister David Mirtschulawa
verteidigte die Regierungspolitik mit der katastrophalen Lage
von TBILGAZ. Auf der einen Seite drücken mehr als 20 Millionen
$ Schulden gegenüber SAKGAZ und damit ITERA, auf der anderen
Seite ist das Verteilernetz in einem maroden Zustand. Leckagen
sind an der Tagesordnung und der Transportverlust ist weit über
dem Durchschnitt aller georgischen Netze. Der Zustand wird von
Tag zu Tag schlimmer, es kann jederzeit zu einer Riesenkatastrophe
kommen und damit zu einer Totalabschaltung der Gasversorgung über
Monate, wenn nicht schleunigst Abhilfe geschaffen wird.
Die Rehabilitation des Gasnetzes der georgischen Hauptstadt erfordert
ein Investment von rund 100 Millionen $, dazu werden kurzfristig
noch einmal 7 Millionen $ gebraucht, um es winterfest zu machen.
"Das Geld haben wir einfach nicht", sagt der Minister
und versicherte bis zum vergangenen Wochenende, dass ITERA die
notwendigen Finanzen bereitstellen werde, wenn die gemeinsame
Firma gegründet sei. Diese Zusage gilt seit Sonntag nicht
mehr, wobei keiner weiss, ob es nicht doch an der georgischen
Seite gelegen hat, dass sie den Deal platzen liess. Die Opposition
hatte nämlich angekündigt, im Zweifel die Strasse zu
mobilisieren, wenn sich die Regierung an ITERA verkaufe.
Der Energieminister machte zwar keinen verzweifelten Eindruck,
als er mit leeren Händen aus Moskau zurückgekommen war.
Andererseits hat er jetzt nicht mehr viel Zeit, der Bevölkerung
zu erklären, wie die Gasversorgung im Winter aussehen soll.
Iranisches Gas ist viel zu teuer und Turkmenistan besteht vor
einer Neuaufnahme der Gaslieferungen erst einmal auf der Bezahlung
der Millionenschulden, die Georgien durch unbezahlte Gaslieferungen
in den 90-er Jahren aufgehäuft hat.
ITERA war zudem einziger Interessent für eine Privatsierung
des Tbilisser Gasnetzes übriggeblieben, nachdem Verhandlungen
mit anderen potentiellen Investoren aus dem Westen gescheitert
waren. Kritiker des geplanten ITERA-Deals vergessen es dem russischen
Gasgiganten nicht, wie er ausgerechnet zu dem Zeitpunkt den Druck
auf TBILZGAZ erhöhte, seine Schulden zu begleichen, als Georgien
mit einem anderen Bieter verhandelte. Seit dieser Zeit verlangt
ITERA auch eine Vorauszahlung seiner Gaslieferungen an TBILGAZ.
Neben der immensen Investition in die Rehabilitierung des Gasnetzes
wartet auf den neuen Besitzer auch ein anderes Problem: 50 - 60
% der rund 160.000 Gasverbraucher zahlen ihre Rechnungen unregelmässig
oder überhaupt nicht, wobei man jede Menge an Kreativität
aufbringt, die Gasmeter ausser Kraft zu setzen. Und wenn dies
nicht klappt, dann soll der eine oder andere Gasableser von TBILGAZ
allzugerne bereit sein, den zahlungsunwilligen Kunden für
ein kleines Zubrot beim Ablesen der Zählerstände entgegenzukommen.
Die parlamentarische Opposition indes freut sich zunächst
einmal ihres Erfolges und verlangt von der Regierung ein sofortiges
Konzept zur Gasversorgung im kommenden Winter. Amerikanische Freunde
hätten beim Platzen des ITERA-Deals geholfen, erklärte
Michael Saakaschwili etwas kryptisch. Ob diese jetzt Georgien
aus der Patsche helfen, ist ungewiss. Gewiss ist, der nächste
Winter kommt bestimmt und ITERA hat in diesem Spiel vielleicht
noch nicht alle Trümpfe aus der Hand gegeben. Die georgische
Regierung hat die Gespräche noch nicht als gescheitert erklärt,
eine Entscheidung über die Bildung einer gemeinsamen Firma
sei nur verschoben worden. Eine normale Verhandlugssituation nannte
dies der Energieminister. Doch was ist schon normal an der Energiepolitik
Georgiens?
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