Ausgabe 15/02, 9. Okt. Archiv
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Ein Winter mit oder ohne Gas?
TBILGAZ-Joint Venture mit ITERA vorerst geplatzt

Jetzt sitzt die georgische Regierung zwischen allen Gashähnen und es kann ihr passieren, dass in diesem Winter keiner mehr funktioniert. Die Verhandlungen zwischen dem Energieminister und ITERA, dem russischen Gasgiganten, über eine gemeinsame Gesellschaft zur Übernahme von TBILGAZ, dem Gasversorger der Hauptstadt, sind zunächst einmal gescheitert. Energieminister Davit Pirtschulawa erklärte nach seiner Rückkehr von Verhandlungen aus Moskau am Sonntag, ITERA habe einerseits keine ausreichenden Investitionszusagen zur Sanierung des maroden Gasleitungsnetzes machen wollen, andererseits aber Steuervergünstigungen verlangt, die Georgien nie hätte einräumen können. ITERA warf der georgischen Seite vor, das Geschäft aus politischen Motivationen zum Scheitern gebracht zu haben.

Der Entschluss der georgischen Regierung, 51 % der Aktien des finanziell angeschlagenen und technisch maroden Tbilisser Gasverteilers TBILGAZ an die russische Firma ITERA zu verkaufen, war in der georigschen Politik heftig umstritten. Vor allem vor dem Hintergrund der Spannungen im georgisch-russischen Verhältnis befürchteten viele eine totale Abhängigkeit in der Energieversorgung von Russland. ITERA besitzt nicht nur einen Grossteil der lokalen Gasnetze Georgiens. ITERA, eine Tochter von Gazprom, ist auch Inhaber des Überland-Gasnetzes SAKGAZ in Georgien und somit der einzige Gaslieferant im Lande.

Deshalb konnte Michael Saakaschwili, Chef der "Nationalen Bewegung" am Montag auch frohlocken, als er das Scheitern der Verhandlungen der heftigen Opposition seiner Partei an die Fahnen heftete. Die Regierung habe sich zu sehr auf ITERA verlassen und keine Vorsorge für die Gasversorgung in diesem Winter getroffen. Die Kritiker des geplanten Deals führen vor allem politische Gründe ins Feld. "Georgien kann von Moskau nicht leichter erpresst werden als mit diesem Gemeinschaftsunternehmen", erklärt der Oppositionsabgeordnete Giorgi Baramidze. Schewardnadse wolle seine angeschlagene innenpolitische Popularität durch eine permanente Gasversorgung während des Winters aufbessern, auch wenn Georgien dafür mit der Aufgabe seiner Souveränität bezahlen müsse. Andere werfen ihm und seiner Familie vor, direkte finanzielle Interessen in diesem Geschäft mit ITERA zu haben, ohne jedoch konkrete Beweise für diesen Vorwurf zu liefern.

Der in Bedrängnis geratene Energieminister David Mirtschulawa verteidigte die Regierungspolitik mit der katastrophalen Lage von TBILGAZ. Auf der einen Seite drücken mehr als 20 Millionen $ Schulden gegenüber SAKGAZ und damit ITERA, auf der anderen Seite ist das Verteilernetz in einem maroden Zustand. Leckagen sind an der Tagesordnung und der Transportverlust ist weit über dem Durchschnitt aller georgischen Netze. Der Zustand wird von Tag zu Tag schlimmer, es kann jederzeit zu einer Riesenkatastrophe kommen und damit zu einer Totalabschaltung der Gasversorgung über Monate, wenn nicht schleunigst Abhilfe geschaffen wird.

Die Rehabilitation des Gasnetzes der georgischen Hauptstadt erfordert ein Investment von rund 100 Millionen $, dazu werden kurzfristig noch einmal 7 Millionen $ gebraucht, um es winterfest zu machen. "Das Geld haben wir einfach nicht", sagt der Minister und versicherte bis zum vergangenen Wochenende, dass ITERA die notwendigen Finanzen bereitstellen werde, wenn die gemeinsame Firma gegründet sei. Diese Zusage gilt seit Sonntag nicht mehr, wobei keiner weiss, ob es nicht doch an der georgischen Seite gelegen hat, dass sie den Deal platzen liess. Die Opposition hatte nämlich angekündigt, im Zweifel die Strasse zu mobilisieren, wenn sich die Regierung an ITERA verkaufe.

Der Energieminister machte zwar keinen verzweifelten Eindruck, als er mit leeren Händen aus Moskau zurückgekommen war. Andererseits hat er jetzt nicht mehr viel Zeit, der Bevölkerung zu erklären, wie die Gasversorgung im Winter aussehen soll. Iranisches Gas ist viel zu teuer und Turkmenistan besteht vor einer Neuaufnahme der Gaslieferungen erst einmal auf der Bezahlung der Millionenschulden, die Georgien durch unbezahlte Gaslieferungen in den 90-er Jahren aufgehäuft hat.

ITERA war zudem einziger Interessent für eine Privatsierung des Tbilisser Gasnetzes übriggeblieben, nachdem Verhandlungen mit anderen potentiellen Investoren aus dem Westen gescheitert waren. Kritiker des geplanten ITERA-Deals vergessen es dem russischen Gasgiganten nicht, wie er ausgerechnet zu dem Zeitpunkt den Druck auf TBILZGAZ erhöhte, seine Schulden zu begleichen, als Georgien mit einem anderen Bieter verhandelte. Seit dieser Zeit verlangt ITERA auch eine Vorauszahlung seiner Gaslieferungen an TBILGAZ.

Neben der immensen Investition in die Rehabilitierung des Gasnetzes wartet auf den neuen Besitzer auch ein anderes Problem: 50 - 60 % der rund 160.000 Gasverbraucher zahlen ihre Rechnungen unregelmässig oder überhaupt nicht, wobei man jede Menge an Kreativität aufbringt, die Gasmeter ausser Kraft zu setzen. Und wenn dies nicht klappt, dann soll der eine oder andere Gasableser von TBILGAZ allzugerne bereit sein, den zahlungsunwilligen Kunden für ein kleines Zubrot beim Ablesen der Zählerstände entgegenzukommen.

Die parlamentarische Opposition indes freut sich zunächst einmal ihres Erfolges und verlangt von der Regierung ein sofortiges Konzept zur Gasversorgung im kommenden Winter. Amerikanische Freunde hätten beim Platzen des ITERA-Deals geholfen, erklärte Michael Saakaschwili etwas kryptisch. Ob diese jetzt Georgien aus der Patsche helfen, ist ungewiss. Gewiss ist, der nächste Winter kommt bestimmt und ITERA hat in diesem Spiel vielleicht noch nicht alle Trümpfe aus der Hand gegeben. Die georgische Regierung hat die Gespräche noch nicht als gescheitert erklärt, eine Entscheidung über die Bildung einer gemeinsamen Firma sei nur verschoben worden. Eine normale Verhandlugssituation nannte dies der Energieminister. Doch was ist schon normal an der Energiepolitik Georgiens?

 
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