Ausgabe 14/02, 25. Sept. Archiv
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Das Blättchen
Neue Herren im Kaukasus

von Dietmar Schumann (Tbilissi)

Wer die Kapelle bezahlt, der bestimmt auch, welche Musik gespielt wird. Das georgische Militärorchester intoniert Glenn Miller. Swinging Music aus den USA schallt über die Felder von Krtsanisi. Zwanzig Autominuten weg von Tbilissi wird das erste US-Militärcamp im Kaukasus eröffnet. 65 Millionen Dollar lässt sich das Pentagon das kosten, in den nächsten beiden Jahren. Hundert Offiziere und Sergeanten sind angetreten. Ranger und Green Barrets. 150 weitere Männer von den US Special Forces werden erwartet.


Sie sollen die georgische Armee trainieren im Kampf gegen Terroristen und zum Schutz der Grenzen der Kaukasusrepublik. Heißt es offiziell.
Präsident Eduard Schewardnadse, der "alte Fuchs", wie sie ihn im eigenen Land wie im benachbarten Russland respektvoll nennen, tritt ans Mikrofon: "Ich danke unseren Freunden aus den USA, dass sie zu uns gekommen sind. Nach dem 11.September 2001 stehen wir gemeinsam mit ihnen, liebe Freunde, im Kampf gegen den Terrorismus."

Acht Tausend Mann haben die Georgier derzeit unter Waffen. In vier Jahren sollen sie auf NATO-Standard gedrillt sein. Enttäuscht von den Russen, die in der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien Separatistenbewegungen unterstützen (in Abchasien, Adscharien und Süd-Ossetien), hat die Führung in Tbilissi den Bündnispartner gewechselt. Unter den abtrünnigen Abchasiern, die mit aktiver Unterstützung der russischen Armee einen Zwergstaat am Schwarzen Meer mit der Hauptstadt Suchumi gegründet haben, hat Moskau inzwischen 150 Tausend russische Pässe austeilen lassen. Eine Verletzung des Völkerrechtes, die ihresgleichen in der Welt sucht. Über die russischen Fernsehsender, die in Georgien empfangen werden und über die russischen Zeitungen, die man in Tbilissi an jeder Straßenecke verkauft, wird Präsident Schwardnadse seit Wochen mit Beschimpfungen und Verleumdungen überschüttet, wie wir sie bisher nur aus der Zeit des Kalten Krieges kannten. Als ranghöchster Kläffer wurde Verteidigungsminister Sergej Iwanow von Kremlchef Putin von der Leine gelassen. Schewardnadse unterstütze im Pankisi-Tal tschetschenische Terroristen, so der Vorwurf, den Iwanow nicht müde wird, Tag für Tag zu wiederholen. Sogar mit dem Einmarsch der russischen Armee nach Georgien wurde gedroht.

Über soviel politische und diplomatische Unvernunft der Kremlstrategen lächeln die Georgier. Die Amerikaner aber frohlocken. Denn Moskau treibt ihnen die Führung und das Volk der Georgier förmlich in die Arme. Sie sehnen sich nach Schutz vor den ebenso tölpelhaften wie schwer bewaffneten Nachbarn aus dem Norden. Das US-Militär bietet ihnen diesen Schutz. Captain Sean Williams erklärt mir in Krtsanisi: "Wir sind hier, um die georgische Armee in die Lage zu versetzen, das eigene Volk zu schützen." Vor wem wohl?

Noch deutlicher wird Major David Grosso, der Chef des US-Camps: "Wir bringen Sicherheit und Stabilität in ein sehr wichtiges Land und damit in diese Region." Gemeint sind das Kaspische Meer und der Kaukasus. Für Washington ein Gebiet von strategischem Interesse. Denn rund um und unter dem Kaspisee lagern die zweitgrößten Vorräte an Erdöl in der Welt. Durch Georgien werden die Pipelines laufen, die den Westen mit Kaspiöl versorgen. Wo das Öl aber sprudelt und wo es durch Rohre läuft, die mit amerikanischem Geld bezahlt werden, ist die US-Army nicht weit. Diese altbekannte Tatsache, sollte man glauben, ist auch dem russischen Präsidenten Putin und seine Ratgebern bekannt. Doch weit gefehlt. Nachdem die Russen die Präsenz der Amerikaner nicht mehr verhindern konnten, boten sie ihnen auch noch einen günstigen Anlaß, die Anwesenheit ihrer Militärs im Kaukasus zu begründen. Unter dem Schlagwort "Kampf dem Terrorismus!" inszenierte Moskau eine Show im Pankisi-Tal. Ganz nach dem Geschmack Washingtons. Nach ihrer Niederlage in Afghanistan hätten sich al-Kaida-Kämpfer in den Wäldern des Hochgebirgstales versteckt. Vielleicht sogar Osama bin Laden. Dieser Zwecklüge, gestreut im Frühjahr von amerikanischen Politikern, ging Moskau auf den Leim. Jawohl: Al-Kaida-Kämpfer, geflohen aus Afghanistan, und tschetschenische Terroristen säßen Hand in Hand im Pankisi-Tal, ließ der Kreml verlauten, ohne konkrete Beweise zu präsentieren. Moskau bot Hilfe zur Vernichtung der Terroristen an. Ebenso die Amerikaner. Für wessen Hilfe sich Eduard Schewardnadse entschieden hat, erleben wir im US-Camp in Krtsanisi, über dem die Stars-and-Stripes-Flagge weht und in dem georgische Soldaten jeden Morgen stramm stehen, wenn die Hymne der Vereinigten Staaten ertönt. Auf dem Flughafen von Tbilissi werden uns die neuen Hubschrauber der georgischen Armee vorgeführt. Bell-Helikopter, Geschenke aus den USA. Unterleutnant Simon Tsiklauri ist gerade von der Ausbildung aus Texas zurück: " Ich habe ein Jahr und zwei Monate in den USA trainiert. Erst habe ich die englische Sprache gelernt und dann die sichere Bedienung des Hubschraubers." Im US-Warehouse nebenan werden die georgischen Soldaten neu eingekleidet. Ami-Helme, Ami-Stiefel, Ami-Uniformen. Kostenpunkt pro Mann: 2 Tausend Dollar.

Am nächsten Tag fahren wir ins Pankisi-Tal. Ab Achmeta, der Kreisstadt, begleitet uns eine Einheit der georgischen Sonderpolizei, ausgerüstet mit Dodge-Jeeps und amerikanischen Maschinenpistolen. Wir durchfahren die Dörfer Matani und Duisi. 3.500 Kisten wohnen hier. Angehörige eines tschetschenischen Stammes, die sich vor zwei Jahrhunderten angesiedelt hatten. Zu Zeiten, als die Armeen der russischen Zaren die muslimischen Völker des Nordkaukasus unterwarfen. Diese Kisten haben Flüchtlinge bei sich aufgenommen. Man schätzt ihre Anzahl ebenfalls auf 3.500. Sie sind Tschetschenen, die aus Grosny, Urus-Martan und Itun-Kale über die Berge nach Georgien kamen. Aus Angst, Opfer eines Krieges zu werden, den seit Herbst 1999 russische Armee und tschetschenische Rebellen führen. Ein Krieg mit vielen Toten und ohne Aussicht auf einen Sieger.

Auch Kämpfer des Feldkommandeurs Ruslan Gelajew waren ins Pankisi-Tal eingesickert. Etwa 500 Mann. Die Gebirgsregion in Nordost-Georgien, welche Tbilissi bis Mitte August nicht unter Kontrolle hatte, galt ihnen als sicherer Rückzugs- und Erholungsraum.
Wir fahren den Fluß Batsava entlang. Überall georgische Soldaten, eingegrabene Panzer, Kontrollpunkte. Zwei Viehdiebe, erfahren wir, habe man gefangen, und zwei Araber, einer davon mit französischem Paß. Die tschetschenischen Freischärler aber waren gewarnt worden. Sie hatten das Pankisi-Tal verlassen, bevor die Antiterror-Aktion der georgischen Armee begann.

Unsere Fahrt geht bis hinauf nach Kvachadara, wo das Tal eng wird und der Fluß reißend. Wir sind überrascht, als wir an eine Großbaustelle kommen. Chinesische Investoren errichten im Pankisi-Tal, wo es angeblich von Terroristen wimmeln soll, ein Wasserkraftwerk.
Die georgischen Wachposten erklären uns, dass sie nicht einen einzigen Terroristen bisher entdeckt hätten. Weder al-Kaida-Leute, noch Tschetschenen.

Mit uns unterwegs: Richard Miles, der USA-Botschafter in Tbilissi. Ein korpulenter, freundlicher Herr mit weißen Haaren. Der krisenerfahrene Miles lächelt, als ich ihn frage, ob er zufrieden sei mit dem Einrücken seiner Militärs nach Georgien: "Na klar. Wir bauen hier eine Schnelle Eingreiftruppe auf. Wir kümmern uns um die Modernisierung der Armee und wir sorgen für die Sicherheit unserer Ölpipelines."

Im georgischen Supsa am Schwarzen Meer wird bereits Kaspiöl in amerikanische Supertanker gepumpt. Um den kostbaren Rohstoff russischem Zugriff gänzlich zu entziehen, hat Washington ein gigantisches Projekt durchgesetzt. Eine Pipeline von Baku, über Tbilissi, nach Ceyhan in der Türkei. Der Startschuß wurde in Baku bereits geben. Im Frühjahr 2003 wollen die Pipelinebauer georgisches Territorium erreichen.

Georgien, das kleine Land im Kaukasus, eine Wiege des Christentums in Europa, weckt seit jeher fremde Begehrlichkeiten. Nach Persern, Mongolen und Russen haben sich nun die Amerikaner ins Land gekauft. Sie machen kein Hehl daraus, warum sie gekommen sind. Es geht ihnen weniger um Terroristen, sondern ums Öl.

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