Das
Blättchen
Neue Herren im Kaukasus
von Dietmar Schumann (Tbilissi)
Wer die Kapelle bezahlt, der bestimmt auch, welche Musik gespielt
wird. Das georgische Militärorchester intoniert Glenn Miller.
Swinging Music aus den USA schallt über die Felder von Krtsanisi.
Zwanzig Autominuten weg von Tbilissi wird das erste US-Militärcamp
im Kaukasus eröffnet. 65 Millionen Dollar lässt sich das
Pentagon das kosten, in den nächsten beiden Jahren. Hundert
Offiziere und Sergeanten sind angetreten. Ranger und Green Barrets.
150 weitere Männer von den US Special Forces werden erwartet.
Sie sollen die georgische Armee trainieren im Kampf gegen Terroristen
und zum Schutz der Grenzen der Kaukasusrepublik. Heißt es
offiziell.
Präsident Eduard Schewardnadse, der "alte Fuchs",
wie sie ihn im eigenen Land wie im benachbarten Russland respektvoll
nennen, tritt ans Mikrofon: "Ich danke unseren Freunden aus
den USA, dass sie zu uns gekommen sind. Nach dem 11.September 2001
stehen wir gemeinsam mit ihnen, liebe Freunde, im Kampf gegen den
Terrorismus."
Acht Tausend Mann haben
die Georgier derzeit unter Waffen. In vier Jahren sollen sie auf
NATO-Standard gedrillt sein. Enttäuscht von den Russen, die
in der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien Separatistenbewegungen
unterstützen (in Abchasien, Adscharien und Süd-Ossetien),
hat die Führung in Tbilissi den Bündnispartner gewechselt.
Unter den abtrünnigen Abchasiern, die mit aktiver Unterstützung
der russischen Armee einen Zwergstaat am Schwarzen Meer mit der
Hauptstadt Suchumi gegründet haben, hat Moskau inzwischen
150 Tausend russische Pässe austeilen lassen. Eine Verletzung
des Völkerrechtes, die ihresgleichen in der Welt sucht. Über
die russischen Fernsehsender, die in Georgien empfangen werden
und über die russischen Zeitungen, die man in Tbilissi an
jeder Straßenecke verkauft, wird Präsident Schwardnadse
seit Wochen mit Beschimpfungen und Verleumdungen überschüttet,
wie wir sie bisher nur aus der Zeit des Kalten Krieges kannten.
Als ranghöchster Kläffer wurde Verteidigungsminister
Sergej Iwanow von Kremlchef Putin von der Leine gelassen. Schewardnadse
unterstütze im Pankisi-Tal tschetschenische Terroristen,
so der Vorwurf, den Iwanow nicht müde wird, Tag für
Tag zu wiederholen. Sogar mit dem Einmarsch der russischen Armee
nach Georgien wurde gedroht.
Über soviel politische
und diplomatische Unvernunft der Kremlstrategen lächeln die
Georgier. Die Amerikaner aber frohlocken. Denn Moskau treibt ihnen
die Führung und das Volk der Georgier förmlich in die
Arme. Sie sehnen sich nach Schutz vor den ebenso tölpelhaften
wie schwer bewaffneten Nachbarn aus dem Norden. Das US-Militär
bietet ihnen diesen Schutz. Captain Sean Williams erklärt
mir in Krtsanisi: "Wir sind hier, um die georgische Armee
in die Lage zu versetzen, das eigene Volk zu schützen."
Vor wem wohl?
Noch deutlicher wird Major David Grosso, der Chef des US-Camps:
"Wir bringen Sicherheit und Stabilität in ein sehr wichtiges
Land und damit in diese Region." Gemeint sind das Kaspische
Meer und der Kaukasus. Für Washington ein Gebiet von strategischem
Interesse. Denn rund um und unter dem Kaspisee lagern die zweitgrößten
Vorräte an Erdöl in der Welt. Durch Georgien werden
die Pipelines laufen, die den Westen mit Kaspiöl versorgen.
Wo das Öl aber sprudelt und wo es durch Rohre läuft,
die mit amerikanischem Geld bezahlt werden, ist die US-Army nicht
weit. Diese altbekannte Tatsache, sollte man glauben, ist auch
dem russischen Präsidenten Putin und seine Ratgebern bekannt.
Doch weit gefehlt. Nachdem die Russen die Präsenz der Amerikaner
nicht mehr verhindern konnten, boten sie ihnen auch noch einen
günstigen Anlaß, die Anwesenheit ihrer Militärs
im Kaukasus zu begründen. Unter dem Schlagwort "Kampf
dem Terrorismus!" inszenierte Moskau eine Show im Pankisi-Tal.
Ganz nach dem Geschmack Washingtons. Nach ihrer Niederlage in
Afghanistan hätten sich al-Kaida-Kämpfer in den Wäldern
des Hochgebirgstales versteckt. Vielleicht sogar Osama bin Laden.
Dieser Zwecklüge, gestreut im Frühjahr von amerikanischen
Politikern, ging Moskau auf den Leim. Jawohl: Al-Kaida-Kämpfer,
geflohen aus Afghanistan, und tschetschenische Terroristen säßen
Hand in Hand im Pankisi-Tal, ließ der Kreml verlauten, ohne
konkrete Beweise zu präsentieren. Moskau bot Hilfe zur Vernichtung
der Terroristen an. Ebenso die Amerikaner. Für wessen Hilfe
sich Eduard Schewardnadse entschieden hat, erleben wir im US-Camp
in Krtsanisi, über dem die Stars-and-Stripes-Flagge weht
und in dem georgische Soldaten jeden Morgen stramm stehen, wenn
die Hymne der Vereinigten Staaten ertönt. Auf dem Flughafen
von Tbilissi werden uns die neuen Hubschrauber der georgischen
Armee vorgeführt. Bell-Helikopter, Geschenke aus den USA.
Unterleutnant Simon Tsiklauri ist gerade von der Ausbildung aus
Texas zurück: " Ich habe ein Jahr und zwei Monate in
den USA trainiert. Erst habe ich die englische Sprache gelernt
und dann die sichere Bedienung des Hubschraubers." Im US-Warehouse
nebenan werden die georgischen Soldaten neu eingekleidet. Ami-Helme,
Ami-Stiefel, Ami-Uniformen. Kostenpunkt pro Mann: 2 Tausend Dollar.
Am nächsten Tag
fahren wir ins Pankisi-Tal. Ab Achmeta, der Kreisstadt, begleitet
uns eine Einheit der georgischen Sonderpolizei, ausgerüstet
mit Dodge-Jeeps und amerikanischen Maschinenpistolen. Wir durchfahren
die Dörfer Matani und Duisi. 3.500 Kisten wohnen hier. Angehörige
eines tschetschenischen Stammes, die sich vor zwei Jahrhunderten
angesiedelt hatten. Zu Zeiten, als die Armeen der russischen Zaren
die muslimischen Völker des Nordkaukasus unterwarfen. Diese
Kisten haben Flüchtlinge bei sich aufgenommen. Man schätzt
ihre Anzahl ebenfalls auf 3.500. Sie sind Tschetschenen, die aus
Grosny, Urus-Martan und Itun-Kale über die Berge nach Georgien
kamen. Aus Angst, Opfer eines Krieges zu werden, den seit Herbst
1999 russische Armee und tschetschenische Rebellen führen.
Ein Krieg mit vielen Toten und ohne Aussicht auf einen Sieger.
Auch Kämpfer des
Feldkommandeurs Ruslan Gelajew waren ins Pankisi-Tal eingesickert.
Etwa 500 Mann. Die Gebirgsregion in Nordost-Georgien, welche Tbilissi
bis Mitte August nicht unter Kontrolle hatte, galt ihnen als sicherer
Rückzugs- und Erholungsraum.
Wir fahren den Fluß Batsava entlang. Überall georgische
Soldaten, eingegrabene Panzer, Kontrollpunkte. Zwei Viehdiebe,
erfahren wir, habe man gefangen, und zwei Araber, einer davon
mit französischem Paß. Die tschetschenischen Freischärler
aber waren gewarnt worden. Sie hatten das Pankisi-Tal verlassen,
bevor die Antiterror-Aktion der georgischen Armee begann.
Unsere Fahrt geht bis
hinauf nach Kvachadara, wo das Tal eng wird und der Fluß
reißend. Wir sind überrascht, als wir an eine Großbaustelle
kommen. Chinesische Investoren errichten im Pankisi-Tal, wo es
angeblich von Terroristen wimmeln soll, ein Wasserkraftwerk.
Die georgischen Wachposten erklären uns, dass sie nicht einen
einzigen Terroristen bisher entdeckt hätten. Weder al-Kaida-Leute,
noch Tschetschenen.
Mit uns unterwegs:
Richard Miles, der USA-Botschafter in Tbilissi. Ein korpulenter,
freundlicher Herr mit weißen Haaren. Der krisenerfahrene
Miles lächelt, als ich ihn frage, ob er zufrieden sei mit
dem Einrücken seiner Militärs nach Georgien: "Na
klar. Wir bauen hier eine Schnelle Eingreiftruppe auf. Wir kümmern
uns um die Modernisierung der Armee und wir sorgen für die
Sicherheit unserer Ölpipelines."
Im georgischen Supsa
am Schwarzen Meer wird bereits Kaspiöl in amerikanische Supertanker
gepumpt. Um den kostbaren Rohstoff russischem Zugriff gänzlich
zu entziehen, hat Washington ein gigantisches Projekt durchgesetzt.
Eine Pipeline von Baku, über Tbilissi, nach Ceyhan in der
Türkei. Der Startschuß wurde in Baku bereits geben.
Im Frühjahr 2003 wollen die Pipelinebauer georgisches Territorium
erreichen.
Georgien, das kleine
Land im Kaukasus, eine Wiege des Christentums in Europa, weckt
seit jeher fremde Begehrlichkeiten. Nach Persern, Mongolen und
Russen haben sich nun die Amerikaner ins Land gekauft. Sie machen
kein Hehl daraus, warum sie gekommen sind. Es geht ihnen weniger
um Terroristen, sondern ums Öl.
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