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WELT 23.9.02.
Markige Kriegsrhetorik gegen Georgien

Iwanow redet tschetschenische Bedrohung groß

Von Manfred Quiring


Moskau - Glaubt man den Aussagen russischer Politiker, steht Russland im Süden unmittelbar vor einer groß angelegten Aggression. Verteidigungsminister Sergei Iwanow malte während seines Aufenthaltes in Washington das Gespenst eines bewaffneten Durchbruchs "entlang der gesamten 900 Kilometer langen russisch-georgischen Grenze" an die Wand. Die aus dem Pankisi-Tal hervorkommenden "tschetschenischen Bojewiki und internationalen Terroristen konzentrieren sich gegenwärtig entlang der gesamten Grenze mit Russland", behauptete Iwanow.


Der Wahrheitsgehalt derartiger Behauptungen ist eher gering anzusetzen. Denn wenn dieser angebliche Frontalangriff überhaupt stattfinden sollte, stehen dafür nur einige Hundert Bewaffnete zur Verfügung, die nicht einmal einem gemeinsamen Kommando unterstehen. 700 sind es nach georgischer Zählweise, westliche Militärs sprechen von maximal 400. Das würde der Iwanow-Rechnung zufolge bedeuten, dass pro Kilometer maximal ein Tschetschene bereit stünde.
Gefährdet ist indes vor allem der Abschnitt, an dem Georgien direkt an Tschetschenien grenzt. Und das sind nur etwas mehr als 80 Kilometer, die zu sichern Russland mit seiner Streitmacht von rund 80.000 Mann bis heute nicht in der Lage war. Russlands Generalstabschef Anatoli Kwaschnin sollte wissen, warum. Er war dieser Tage bei einem Besuch in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny anonym unterwegs und konnte dennoch alle russischen Posten unkontrolliert passieren: Bestechungsgelder machten es möglich.

Doch Moskau braucht die vermeintliche äußere Gefahr, um die eigenen militärischen Vorbereitungen für einen eventuellen Präventivschlag gegen georgische Gebiete plausibel zu machen. Russlands Militärs sind hilflos. Auch im vierten Jahr ihres Krieges in Tschetschenien haben sie das Land von der Größe Hessens nicht unter ihre Kontrolle gebracht. Mit der zwar vorhandenen, aber weit übertriebenen "Gefahr aus dem Pankisi-Tal" meinen sie eine einleuchtende Erklärung für ihre jahrelange Erfolglosigkeit gefunden zu haben. Und einen Vorwand, um im nach Westen driftenden Georgien, durch das schon bald die strategisch wichtige Erdölpipeline Baku-Ceyhan führen wird, Moskaus kaukasische Ambitionen anzumelden.

In markigen Worten wird über die Verlegung zusätzlichen Militärs an die Grenze berichtet. Die Truppe sei bereit, innerhalb von zehn Minuten loszuschlagen, wenn der Befehl komme, tönt die Armee. Der ehemalige Chef der russischen Fallschirmjäger, Generaloberst Jewgeni Podkolsin, bezweifelt das. Russland habe "praktisch keine Einheiten, die fähig sind, effektiv im Gebirge zu handeln", warnte der General.

US-Präsident George Bush hat inzwischen in einem zweiten Brief innerhalb einer Woche dem georgischen Staatschef Eduard Schewardnadse nachdrücklich die Unterstützung der USA zugesichert, berichtete Interfax am Samstag. Bush forderte den Georgier allerdings auch auf, mit den Russen zu kooperieren und gemeinsam das Pankisi- und das Abchasien-Problem zu lösen. Im Südkaukasus, das wird immer deutlicher, läuft nichts mehr ohne die Amerikaner, deren militärische Präsenz in Georgien in den nächsten Tagen auf 250 Mann steigen wird.

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