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Die Welt, 26.9.
Russland ist Schröders Aufgabe

Es liegt an Schröder, Russlands Angebot, sich von Deutschland an den Westen heranführen zu lassen, stärker anzunehmen - Gastkommentar

Von Alexander Rahr

Während Bundeskanzler Gerhard Schröder seine erste Amtszeit mit einer Eiszeit im amerikanisch-deutschen Verhältnis beendete, sind seine Beziehungen zu Russland heute hervorragend. Schröder hat Russland einen großen Teil seiner Altschulden erlassen und zu Gunsten Moskaus darauf verzichtet, turnusgemäß den G-8-Gipfel 2006 in Deutschland auszurichten. Dies war umso erstaunlicher, als dieser G-8-Gipfel mitten in den nächsten Bundestagswahlkampf gefallen und Schröder eine Möglichkeit zur Profilierung geboten hätte.


Die Anbindung Russlands an den Westen ist seit Helmut Kohl zu einem Hauptanliegen deutscher Ostpolitik geworden, der sich auch Schröder voll und ganz verschrieben hat. Deutschland stand Pate, als Moskau die EU-Erweiterung dadurch versüßt wurde, dass Russland als eine Marktwirtschaft anerkannt wurde. Deutschland leistete seinen Beitrag dazu, dass die anstehende Nato-Erweiterung gegenüber Russland durch die Gründung eines Nato-Rates der 20 abgefedert wurde. In ihm kann Moskau gleichberechtigt mit anderen Nato-Staaten grundlegende Sicherheitsprobleme lösen.

Wladimir Putin hofft auf mehr. Neben der von ihm viel beschworenen Energieallianz - die sich im Falle einer Unterbrechung von Ölzufuhren aus dem Persischen Golf als Rettungsanker für den Westen erweisen könnte - will er deutsche und andere europäische Partner in Rüstungskooperationen involvieren. Im Falle eines vorzeitigen Rückzugs der Amerikaner aus dem Balkan erhält die europäisch-russische Friedenssicherung in dieser Region ein neues Gewicht.

Putin könnte gewillt sein, aus der derzeitigen Eiszeit zwischen Deutschland und den USA politisches Kapital zu schlagen. Im Westen hat Schröder Porzellan zerschlagen, in Russland sind seine Worte vom "deutschen Sonderweg" und von der Ablehnung des Irak-Krieges freudig aufgenommen worden. Eine Emanzipation der Europäer von den USA, vor allem eines solchen bedeutenden Landes wie Deutschland, wäre im russischen geostrategischen Interesse. Nicht umsonst beschwor Putin beim deutsch-russischen Gipfel den so genannten Geist von Rapallo. Einen bedeutsamen Pfeil behält Putin bis zuletzt im Köcher: die russische Befürwortung für einen ständigen deutschen Sitz im UN Sicherheitsrat.

Putin wird Schröder in Russland gerne eine politische Bühne bieten, auf der sich der Kanzler außenpolitisch profilieren und sein im Westen angeschlagenes Renommee verbessern könnte. Deswegen wird er wohl kaum Streit mit den USA riskieren. Putins persönliches Verhältnis zu Bush ist besser als das der meisten westlichen Staatschefs zum amerikanischen Präsidenten. Während der eigentliche Verbündete, der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck, keinen Termin bei seinem US-Kollegen bekam, besprachen Bush, Powell und Rumsfeld demonstrativ mit den nach Washington gekommenen russischen Außen- und Verteidigungsministern, Igor und Sergei Iwanow, die Fortsetzung des Anti-Terrorkampfes im Irak und in der Pankissi-Schlucht in Georgien.

In der EU reibt man sich ungläubig die Augen: Nicht die westlichen Verbündeten, mit Ausnahme des Briten Tony Blair, sondern die Russen scheinen den Schulterschluss mit den Amerikanern bei der Konzeption der neuen Weltordnung gefunden zu haben - auch im Nahen Osten, wo Russland im "Quartett" fest an der Seite Washingtons steht. Während die Europäer über den Ausstieg der USA aus dem Kyoto-Protokoll und der Nichtbeachtung des neuen Internationalen Gerichtshofes lamentieren, haben die Russen den amerikanischen Ausstieg aus dem ABM-Vertrag, gegen den sie jahrelang zu Felde zogen, ad acta gelegt. Paradoxerweise hört man heute aus Moskau weniger Kritik an den amerikanischen Angriffsplänen auf den Irak als aus westeuropäischen Hauptstädten. Den neuen Pragmatikern im Kreml ist Saddam Hussein gleichgültig - sie wollen am lukrativen Wiederaufbau des Irak nach dem Machtwechsel wirtschaftlich partizipieren und nicht, wie im Balkankrieg, vor verschlossenen Türen landen. Ähnliche kommerzielle Ziele verfolgt Putin in Nordkorea und im Iran.

Es liegt an Schröder, Russlands Angebot, sich von Deutschland an den Westen heranführen zu lassen, stärker anzunehmen und die oben angesprochenen Projekte zielstrebiger anzugehen, wenn auch mit Vorsicht vor zu hohen Erwartungen. Dafür muss die rotgrüne Regierung aber über ihren Schatten springen und neben der Wirtschaft auch sicherheitspolitische Ansätze für eine konstruktive Partnerschaft, ja Allianz mit Moskau suchen. Nicht gegen Amerika - dies wäre tödlich -, sondern für die Interessen des Westens, vornehmlich Europas.
Ansonsten droht den Europäern ein verstärkter Dualismus der Amerikaner und Russen - über ihre Köpfe hinweg.
Alexander Rahr ist Russlandexperte und Programmdirektor an der Körber-Arbeitsstelle der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin

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