Obwohl mit den eigentlichen Bauarbeiten erst im Frühjahr nächsten
Jahres begonnen wird, haben die Präsidenten von Azerbaidschan,
Georgien und der Türkei in diesen Tagen das erste Rohrstück
der sogenannten Main Export Pipeline (MEP) in der Nähe von
Baku verlegt. Der Zeitpunkt dieser publicityträchtigen Zeremonie
war sicher politisch gewählt und viel von all dem rhetorischen
Theaterdonner in Moskau, Washington und andernorts hat mit dem feierlichen
Akt zu tun, der in der vergangenen Woche in Baku abgehalten wurde.
Bezeichnend ist, dass neben den drei Pipeline-Präsidenten
Schewardnaze, Aliejw und Sezer mit Spencer Abraham, dem amerikansichen
Energieminister, ein hoher Vertreter Washingtons in Baku anwesend
war. Abrahams verlas denn auch einen Brief seines Präsidenten,
in dem dieser erklärte, dass Pipelinebau schon vor seinem
Baubeginn einen bedeutenden Beitrag zur Zukunft dieser Region
beigetragen habe. Der Pipelinebau, so George W. Bush, sichere
die Energieversorgung der Welt und trage zur Stärkung der
Souveränität und Unabhängigkeit der beteiligten
Länder bei. Für Amerika, fügte Spencer Abrahams
hinzu, sei das Baku-Tbilissi-Ceyhan-Projekt eines der wichtigsten
aktuellen Energie-Unternehmen.
Eduard Schewardnadse, der dem wochenlangen Trommelfeuer russischer
Propaganda dank amerikanischer Hilfe standhalten konnte, legte
noch einen drauf, als er sagte: "Eine neue Realität
für Georgien und den Südkaukasus ist wahrgeworden. Der
Bau der Pipeline wird unsere Annäherung an den Westen befördern."
Gaidar Alijew, der greise Alleinherrscher aus Baku, stiess in
dasselbe Horn, als er sagte: "Dieses Projekt garantiert Frieden,
Sicherheit und Stabilität im der Region und wird auf Dauer
die drei Länder und deren Völker vereinen."
Grummelnd und grollend steht Russland im Abseits. Sein Öl-Gigant
LUKOIL, der sich lange Zeit mit einem Beitritt zum Pipeline-Konsortium
befasst hatte, stieg am Ende dann doch noch aus. In Russland bezweifelt
man die Rentabilität dieser Strecke, die Amerika aus strategischen
Gründen durchgesetzt hat. Es ist die erste Energietransportroute
aus dem Kaspischen Raum und Asien nach Europa, die nicht über
russisches Gebiet führt. Aussenminister Iwanov liess denn
auch von ferne etwas indigniert erklären, man sei zu allen
Kooperationen bereit, aber alle Versuche, Russland aus dieser
Region (gemeint ist die Kaspi-Region und das Ölgeschäft)
herauszudrängen, werde man nicht akzeptieren.
So kann Gajdar Aliejw, wenn er in in den nächsten Tagen
nach Moskau zu einem Gipfeltreffen der Kaspi-Staaten fährt,
nicht gerade mit einem freundlichen Empfang durch seinen russischen
Kolegen rechnen. Russische Zeitungen bezeichnen ihn offen als
einen Gauner, der seine Fahne nach Winde hänge, oft seine
Meinung wechsele und vor dem Russland sehr vorsichtig sein müsse.
Er spiele ein Doppelspiel zwischen den USA und Russland. "Man
muss ihm die Leviten lesen" schreibt "Argumenti und
Fakti", eine russische Zeitschrift rechtzeitig zum Pipelinefest
in Baku. Der georgische Präsident wird dies mit einer gewissen
Erleichterung wahrnehmen, zumindest ist er mit seinem Land nicht
mehr alleine die Zielschreibe russischer Verärgerung.
Eine Querelen am Rande trübten ein wenig die feierliche
Stimmung von Baku. In Azerbaidschan regt sich erheblicher Widerstand
gegen den Generalunternehmer, der die Pipe auf azerischer Seite
bauen soll. Es handelt sich dabei um eine libanesische Firma,
die in Griechenland registriert ist. Einer ihrer Vorstandsberater
soll ein amerikanischer Geschäftsmann armenischer Herkunft
sein, der enge Beziehungen zum Berg-Karabach-Komitee seines ethnischen
Mutterlandes unterhält. Das Komitee zur Befreiung von Karabach
wittert grosse Gefahr, einerseits könne Azerbaidschan nicht
einen armenischen Geschäftsmann reicher machen, andererseits
wüssten die Armenier dann viel zu genau über die Pipeline
bescheid und könnten dies bei einem eventuellen Wideraufflammen
des Konflikts nutzen.
Trouble haben die Pipelinebauer auch mit Russland: Ein russisches
Röhrenkombinat beklagt sich lautstark darüber, vom Pipe-Management
der BP bei der Ausschreibung mit unfairen Methoden übergangen
worden zu sein. Trotz eines teureren Angebotes habe der internationale
Ölmulti einem japanischen Röhrenhersteller den Grossauftrag
für die Stahlröhren zugeschanzt.
Es wird wohl noch jede Menge an mehr oder weniger bedeutendem
politischen Konfliktstoff geben, bevor die Bauherren dieser Pipeline
mit einem feierlichen Knopfdruck den ersten Tropfen Öl auf
die lange Reise vom Kaspischen Meer zum Mittelmeer schicken können.
Wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch in Amt und Würden sind.
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