Kein
Grund zur Panik
Pressestatement
von Eduard Schewardnadse zu Putins Ultimatum
Es ist es mehr Zeit für einen gründlichen Kommentar nötig,
trotzdem eine kurze Antwort schon jetzt. Ich habe gerade die Botschaft
gelesen, die Präsident Putin ein paar Stunden zuvor verteilen
liess. Ich meine, der Hauptteil des Statements beschreibt die Situation
nicht objektiv, ist einseitig und beschreibt die Bedenken sowohl
Russlands als auch Georgiens in Bezug auf Tschetschenien.
Mich hat gewundert, dass in diesem Statement keine Rede von Tschetschenien
und dem Tschetschenienproblem ist. Alles hat doch mit Tschetschenien
angefangen. Wenn Putin hier wäre, würde ich ihn gerne
fragen, was Russland daran hindert, in Tschetschenien Ordnung
wiederherzustellen. Die Russen denken doch, dass Tschetschenien
ein Teil von Russland ist.
Ich möchte jetzt nicht zu tief in die Details einsteigen,
zumal Putin nicht hier ist. Aber ich denke, er hat ein hastiges
Statement abgegeben, und ich denke, er hat es für diejenigen
abgegeben, die dem Treffen beiwohnten und deren Meinung ihm wichtig
ist (Verteidigungs- und Sicherheitsorgane, Anm. des. Übers.).
Vor dem Hintergrund unseres Briefwechsels - zwei Briefe von mir
und einer Antwort Putins erst kürzlich - ist diese Ankündigung
nur schwer zu verstehen. Zwei Präsidenten tauschen sich ruhig
und ernst über ein Thema aus und plötzlich erfolgt ein
Schlag, der unter Politikern nicht akzeptabel ist. Ich denke,
dieses Statement ist für Herrn Putin kontraproduktiv.
Morgen treffe ich die Mitglieder des Sicherheitsrates, die Verantwortlichen
der Verteidigungsstrukturen, vielleicht auch einiger Fraktionen
des Parlaments. Ich versuche ihnen die Hintergründe dieses
Statements zu erklären und welches unsere Hoffnungen sind,
wenn der Präsident eines so grossen Landes zuschlägt.
Unsere Hoffnung ist. Die Wahrheit ist auf unserer Seite. Das
Pankisiproblem haben wir doch nicht geschaffen. Das ist ein Teil
des grösseren Problems Tschetschenien. 8000 Menschen, die
die Russen nach Georgien aus Tschetschenien gejagt haben, bringen
sowohl uns als auch den Russen Probleme. Es ist möglich,
dass diese Leute heute die Grenzen verletzen. Wir können
doch nicht alles kontrollieren. An der Grenze in Russland stehen
Tausende Soldaten, die die Grenze schützen. Es ist ihre Aufgabe,
für den Schutz ihrer Grenze zu sorgen.
Ich denke, Russland ist etwas verärgert darüber, dass
wir es der russischen Armee nicht erlaubt haben, georgisches Territorium
zu nutzen und Tschetschenien von hinten anzugreifen. Das hätte
den Krieg nach Georgien exportiert. Das wollen einige in Russland.
Ihre Propezeihung, dass tschetschenische Flüchtlinge Georgien
Probleme bringen könnten, ist nicht wahr geworden. Sie denken
daran, wann sie wieder nach Hause gehen können und sind sehr
dankbar, weil wir den Alten, Kindern und Verletzen geholfen haben.
Das Problem im Pankisi ist in der Hauptsache gelöst. Waffenfähige
Männer sind nicht mehr im Pankisi, seit wir mit angemessener
Truppenstärke im Tal präsent sind, wobei wir auch der
Aufforderung der lokalen Bevölkerung - Kisten und Georgier
- nachgekommen sind. Ungefähr 30 bis 40 Kriminelle sind noch
geblieben und unsere Sicherheitskräfte werden sie dahin bringen,
wohin sie gehören.
Unsere russischen Kollegen könnten auch über die Tatsache
verärgert sein, dass elf Männer unsere Grenze überschritten
haben. Sie wurden verletzt, sie wurden behandelt und da sie unsere
Gesetze verletzt haben - illegale Einreise - müssen sie entsprechend
unserer Vorschriften behandelt weren. Es muss eine Untersuchung
angeordnet werden. Es geht nicht, wenn der russische Staatsanwalt
mit dem Flugzeug kommt und diese Leute mitnehmen will. Alles hat
seine Regeln. Wir haben nichts dagegen, dass diese Verbrecher
wieder nach Russland gebracht werden, aber nur nach gründlicher
Untersuchung und entsprechend der vereinbarten Regelungen.
Insgesamt sehe ich keinen Grund für, dass in Pankisi Panik
ausbricht. Ich denke nicht, dass sich Russland in ein Abenteuer
einlässt, das zu seinem moralischen und psychologischen verfall
vor den Augen der Welt führt. Russland hat auch ein Interesse
an normalen Beziehungen zu Georgien. Und Georgien braucht Russland
genauso.
Nebenbei bemerkt ist Putins Statement in seinem letzten Teil
konstruktiv. Es wird gesagt, dass seine Anordnungen (auf Vorbereitung
militärsicher Operationen im Pankisi, Anm. d. Übers.)
mit Vorsicht auszuführen sien, da zu befürchten, das
Bombardements Leben kosten und dies sollte sich nicht wiederholen.
Putin sagte auch, dass er darauf hofft, dass wir uns Anfang Oktober
auf dem GUS-Gipfel treffen werden und dort diese Fragen besprechen
können. Ich begrüsse dies. Wenn ich zu diesem Gipfel
gehe, sollten wir uns treffen. Vieraugengespräche sind das
Beste, man kann sich dann wirklich in die Augen schauen.
Ich möchte die Bevölkerung beruhigen. Es gibt keinen
Grund zur Panik. Ich denke nicht, dass Georgien und Russland nicht
eine gemeinsame Sprache finden können. Und ich wünsche
Russland, dass es in Tschetschenien wieder Ordnung herstellen
kann, was ein Ende vieler unserer Probleme bedeuten würde.
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