Ausgabe 13/02, 11. Sept. Archiv
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Zwei Wochen im August, die es in sich hatten, zwei Wochen, bei denen man den Verdacht nie richtig los wurde, irgendjemand hätte im Hintergrund ein dramaturgisch perfektes Drehbuch für deren Ablauf geschrieben. Es begann mit dem ersten - und bisher einzigen - Todesopfer durch einen russischen Bombenangriff am Freitag, 23. August. Geharnischte Proteste der Georgier waren die Folge, ein Sprecher des Weissen Hauses zeigte dem Kreml schon am Wochenende darauf in einer bislang nicht vernommenen Klarheit die Grenzen amerikanischer Toleranz im Kaukasus auf.

Am Montag, 26. August, starteten Truppen des georgischen Innenministeriums mit offensichtlicher Planungshilfe durch die USA die lange angekündigten "Geheimoperationen" im Pankisital.

Am Dienstag, 27. August, nahm Staatspräsident Schewardnadse im Dorf Matani am Eingang des Pankisitals am Begräbnis des Bombenopfers teil und traute sich bei dieser Gelegenheit auch erstmals seit Jahren wieder ins Pankisital, wo er medienwirksam mit Einheimischen und Flüchtlingen sprach.

Am Donnerstag, 29. August, zelebrierten die georgische und amerikanische Armee gemeinsam auf einem Übungscamp nahe der georgischen Hauptstadt die Aufstellung des ersten Elite-Bataillons, das von amerikanischen Ausbildern in den nächsten zwei Jahren gedrillt wird. Wieder waren Journalisten aus aller Welt Zeugen eines mediengerechten Spektakels, dessen Hauptdarsteller der georgische Präsident und der amerikanische Botschafter waren. (Siehe auch Bericht: Training unterm Sternenbanner)

Am Freitag, 30. August, waren Kameraleute, Fotografen und Journalisten aus aller Welt eingeladen, eine internationale Diplomaten-Delegation ins Pankisital zu begleiten, denen dort die raschen Erfolge der georgischen Polizei-Operation vorgeführt wurden. Einziger Hauptdarsteller des irgendwie an Hollywood erinnernden Ausfluges in das Tal der Gesetzlosigkeit: der amerikanische Botschafter Robert Miles, der es sichtlich genoss, im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen, sauertöpfisch begleitet von seinem russischen Kollegen Wladimir Gudew, der einen eher vereinsamten und verlorenen Eindruck im rund 30-köpfigen Diplomatentross machte. Jedenfalls war der Russe sichtlich um Abstand zu seinem US-Kollegen bemüht, damit Fotografen schwerlich ein Foto mit beiden Botschaftern schiessen konnten. Aber immerhin, der Russe war dabei und anerkannte damit die Aktivitäten der Georgier im Pankisital.


Diplomaten- und Pressekonvoi im Pankisi

In Tbilissi erhielten am gleichen Tag rund 500 Soldaten des neuen georgischen Elite-Bataillons in einem Materiallager, das eine amerikanische Firma im Auftrag des Pentagon unterhält, ihre pro Mann 2.000 US-$ teure Erstausrüstung: Bekleidung, Schlafsäcke, Spaten und Feldgeschirr. Und wieder waren Fotografen und Kameraleute eingeladen, die Aktion zu verfolgen. Anfang September beschloss der amerikanische Botschafter die US-Festwochen in Georgien mit der Überreichung eines Küstenschutzbootes an den georgischen Grenzschutz im Hafen von Poti.

Am Samstag, 31. August, lud der georgische Staatspräsident persönlich die ausländischen Medienvertreter zu einer überraschend am späten Nachmittag angesetzten Pressekonferenz in seine Staatskanzlei, auf der er zur Entwicklung im Pankisital Stellung bezog. Die georgischen Medienvertreter waren nur als Beobachter zugelassen, sie sollten dem einheimischen TV-Publikum zeigen, wie ein sichtlich zufriedener Staatspräsident seine Woche innen- und aussenpolitischer Erfolge vor Journalisten aus vielen Ländern, darunter Russland, Amerika, England, Deutschland und Holland verkaufte. Auf seinen zweiwöchentlichen routinemässigen Pressebriefings kann das georgische Staatsoberhaupt meist nur Journalisten aus Georgien und Russland empfangen. Da kann man schon einmal einen Samstagabend drangeben.

Und seit Montag, 2. September, ist das Tal für Journalisten und Zivilisten, die nicht im Pankisi wohnen, hermetisch abgeriegelt. Das Innenministerium hat damit begonnen, das Gebiet systematisch nach georgischen Kriminellen und internationalen sowie tschetschenischen "Terroristen" zu durchkämmen. Der Erfolg bisher: ein Araber mit gefälschtem französischem Pass und eine Handvoll lange gesuchter Krimineller - unter anderen ein Deserteur, zwei Drogenhändler und ein Viehdieb - wurden dingfest gemacht. Und alles wartet jetzt in Tbilissi darauf, dass in den nächsten Tagen auch noch Peter Shaw, der entführte britische TACIS-Banken-Berater, im Pankisi entdeckt wird. Dann wäre der Triumph der lange Zeit gedemütigten georgischen Sicherheitsbehörden perfekt.

Die USA zeigen sich im Kaukasus

Die grosse Medien-Inszenierung wird verständlich, wenn man sich vor Augen hält, welch propagandistisches Dauerfeuer aus Moskau Georgien in den letzten Wochen auszuhalten hatte. Ein Propagandakrieg, der schliesslich in tatsächlichem Feuer, abgeschossen aus russischen Militärmaschinen, mündete und leicht hätte eskalieren können. Teile der russischen Militärführung jedenfalls scheinen bereit gewesen zu sein, sich ihren Anspruch auf Mitwirkung bei der Lösung der Probleme im Pankisi mit brutaler Gewalt erbomben zu wollen.


Die Besatzung des neuen Blockpostens ist angetreten

Es ist wohl nur der klaren Intervention des Weissen Hauses zu verdanken, dass es nur bei einem Toten geblieben ist. Und deshalb hat Amerika, der neue Verbündete Georgiens, alles daran gesetzt, seine Präsenz im Kaukasus in diesen Tagen auch machtvoll und mediengerecht darzustellen. Das Pankisi-Tal, seit Monaten im Mittelpunkt georgischer, russischer und amerikanischer Propaganda-Inszenierungen, bot dafür eine ausgezeichnete Kulisse und Robert Miles, der amerikanische Botschafter in Tbilissi, inspizierte das Tal an der Spitze des diplomatischen Korps in aufreizender Lässigkeit, als ob das Pankisi eigentlich ihm und nicht den Georgiern gehörte. Geführt wurde er vom Pressesprecher des georgischen Präsidenten Kacha Imnadse, unterstützt von Innenminister Koba Nardschemaschwili und Staatssicherheitsminister Walery Chaburdzania, beide in militärischen Tarnuniformen gekleidet und damit die Entschlossenheit der georgischen Regierung demonstrierend, im Pankisi wieder für Recht und Ordnung zu sorgen.

Die Botschaft an Moskau und den Rest der Welt jedenfalls war klar und eindeutig: Ohne die USA geht nichts mehr im Kaukasus, sie haben mit den konzertierten Aktivitäten dieser Woche den unmissverständlichen Anspruch erhoben, für Sicherheit und Stabilität im Kaukasus sorgen zu wollen. Die Polizeiaktion der Georgier sei gut geplant und durchgeführt worden, lobte denn auch der Abgesandte von US-Präsident Bush seine georgischen Schüler im Pankisi und der russische Botschafter konnte nicht anders, als zu erklären, das alles sei ein Schritt in die richtige Richtung. Vom Moskauer Anspruch, den im Pankisital völlig überforderten Georgiern unbedingt mit militärischen Mitteln helfen zu müssen, musste sich der Gesandte Putins vor Ort kleinlaut verabschieden. Dafür liess sich der russische Botschafter vom georgischen Minister für Staatssicherheit in einem viertelstündigen Privatplausch während eines Stopps im Dorfzentrum von Duisi in die Lage im Tal einweisen, während sich alle Journalisten auf die bereits wartenden Frauen - einheimische Kisten und tschetschenische Flüchtlingsfrauen - stürzten, die, selbstredend, das Vorgehen der Georgier begrüssten. Vor einer Woche noch, so die Propagandamaschinen beider Seiten, stand das Eingreifen einer Moskauer Fallschirmjäger-Invasion im Pankisi unmittelbar bevor. Inwieweit diese Befürchtungen der Realität entsprachen, wird kaum geklärt werden können.


Blockposten am Taleingang

Mit der Polizeiaktion haben die georgischen Sicherheitsorgane im Pankisi wieder das Gesetz des Handelns übernommen. Der Blockposten am Eingang des Tals wurde erheblich ausgebaut und verstärkt und wenige Kilometer hinter dem Dorf Birkiani, der letzten Siedlung im Tal, wurde ein weiterer Blockposten eingerichtet, um auch den Verkehr in Richtung Norden überwachen zu können. Dieser Blockposten, an dem die Besatzung zur Begrüssung der Gäste vor dem Unterkunftszelt angetreten war, war erster Stopp der Diplomaten- und Pressereise ins Pankisi. Insgesamt hat das georgische Innenministerium mit nahezu 20 Blockposten jetzt jeden Pfad, der in das Tal führt, unter Kontrolle.

Auch die Kraftwerksbaustelle etwa 5 km hinter Birkiani, wo das Tal in eine enge Schlucht übergeht und der Samzkuribach in den Alasani mündet, ist mit Truppen des Innenministeriums gesichert. Dort baut ein chinesischer Investor seit mehr als zwei Jahren ein Flusskraftwerk, mit dem der Strombedarf Kachetiens in Bälde zu einem gute Teil gedeckt werden kann. Bis hierher führten die Georgier ihre diplomatischen Gäste und deren Mediengefolge, um aller Welt zu zeigen, dass selbst im Pankisital, das weltweit als ein Gebiet völliger Gesetzlosigkeit, als ein Nest des Terrorismus gilt, noch ausländische Investoren tätig sind.


Amerikanischer Botschafter beim ZDF-Interview im Pankisi

Der erste Schritt zur Stabilisierung des Pankisi sei getan, lobte der amerikanische Mentor am Ende der Inspektionsreise. Jetzt komme es darauf an, dass die georgischen Sicherheitskräfte alle noch im Tal verbliebenen Kriminellen und Terroristen aufstöberten. Ob an den bisherigen und künftigen Aktionen amerikanische Militärs beteiligt seien, verneinte er, selbstredend. Das sei eine rein georgische Angelegenheit. Allerdings vergass er nicht zu erwähnen, dass ein Teil der Offiziere, die die Operation vorbereitet hätten, im vergangenen Halbjahr durch die erste Phase des amerikanischen Ausbildungsprogramms gegangen seien. Bei diesem Teil habe man ausschliesslich Stabsleute in der Planung und Durchführung solcher und ähnlicher Operationen ausgebildet. Wie weit dabei der Begriff "Ausbildung" interpretiert wird, war nicht zu klären. Jedenfalls scheinen Moskau und Washington in dieser Frage unterschiedlicher Meinung zu sein. Anders sind die Erruption der Gefühle in den russischen Medien und die Bomben über Georgien, auch wenn sie hauptsächlich Kühe und Schafe zum Ziel hatten, kaum zu erklären.


Privatgespräch im Pankisi: Der georgische Minister für Staatssischerheit Walery Chaburzania und der russische Botschafter Walery Gudew

Abzuwarten bleibt jetzt, wieviele tschetschenische Kämpfer und Al Qaida Leute von den georgischen Sicherheitskräften gefangen werden. Erstere dürften sich angesichts der langen Vorwarnzeit der georgischen "Geheimoperation Pankisi" in ihrer überwiegenden Mehrheit längst über alle Berge in Richtung "russische Heimat" davon gemacht haben. Und ob sich letztere überhaupt in nennenswerter Zahl jemals im Pankisi aufgehalten haben, ist seit Beginn der amerikanischen Al Qaida Hysterie im Pankisi nicht viel wahrscheinlicher geworden. Der Eindruck allerdings bleibt, dass in den letzten Monaten alle, allen voran Russland, aber auch Georgien und Amerika, mit allerhand Inszenierungen und kaum überprüfbaren Meldungen das Pankisital zum Gegenstand propagandistischer und psychologischer "Kriegsführung" gemacht haben. Vielleicht hat das Tal mit dem Besuch der Diplomaten und der internationalen Medienmeute den letzten Akt der Pankisi-Inszenierungen erlebt.

Die georgischen Gastgeber zeigten sich nach der Reise ins Pankisi von ihrer besten und traditionellen Seite. Sie luden Diplomaten und Presse zu getrennten Supras ein, jenen berühmten georgischen Gastmählern mit Trinksprüchen, Wein und den vielen Köstlichkeiten des Landes. Die Rechnung ging an die Staatskanzlei Eduard Schewardnadses.

Ende einer Pressefahrt ins Pankisi: die georgische Supra


Moschee im Pankisi




Pressekonferenz in Achmeta
Sicherheitsminister Chaburzania (links) und Innenminister Narchemadschwili (rechts)



Blockposten am Taleingang




Panzerfarzeug auf Kontrolle




Diplomaten - und Pressetross beim neuen Blockposten am Talausgang




Filmreife Sicherheitsbegleitung





Russischer Botschafter im Gespräch mit
Kacha Imnadse
(Pressesprecher von Eduard Schewardnadse)




Das Pankisi fest im Griff:
Georgische Begleiter





Begegnung mit Einheimischen





Georgiens Sicherheit registriert alles





Russischer Botschafter im ZDF-Interview im Pankisi





Gespräch mit Kisten und Tschetschenen





Presseschar trifft Einheimische beim chinesischen Kraftwerksbau





Impression im Vorbeifahren





Supermarkt im Pankisi






Strassenkreuzung






Tankstelle






Moschee

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