Ausgabe 13/02, 11. Sept. Archiv
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Präsidentenwahlen blockieren Karabach-Verhandlungen
Friedensprozess um Karabach ist im Stocken

Der armenische Präsident Robert Kocharian und sein azerischer Kollege Gaidar Aliew sind sich nicht fremd, sie haben sich in den vergangenen Jahren gegenseitig öfter getroffen. Und beide strahlten und zeigten sich in bester Verfassung, nachdem sie sich am 14. August in einem vierstündigen Tete-a-Tete an der armenisch-azerbaidschanischen Grenze getroffen hatten. Es war der 18. armenische-azerbaidschanische Gipfel seit 1999 und der erste Vieraugenkontakt zwischen Aliew und Kocharian seit November 2001. Noch nie haben sie so lange alleine miteinander gesprochen.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz bewertete Kocharian den Zweiergipfel: "Unsere Stimmung ist gut und wir sind im grossen und ganzen zufrieden mit dem Verlauf des Gesprächs. Gleichzeitig können wir Ihnen nichts konkretes sagen, da der gesamte Friedensprozess recht kompliziert ist. Er hat sich in jüngster Zeit etwas verlangsamt. Aber wir hoffen, dass dieses Treffen den festgefahrenen Prozess wieder vorwärts bringen wird." In gleicher Weise äusserte sich Aliew, der die Gespräche als "sehr nützlich" bezeichnete. "Der Präsident von Armenien und ich haben einige Varianten durchleuchtet, wie das Problem Nagorny-Karabach gelöst werden könnte. Wir analysierten die Ergebnisse unserer vorherigen Treffen und stimmen darin überein, dass der Verhandlungsspielraum noch nicht ausgeschöpft ist."

Diplomatische Leerformeln, die verdecken sollen, dass ein ein Fortschritt in dern Verhandlungen um Karabach vorerst nicht zu erwarten ist. In beiden Ländern stehen im nächsten Jahr Präsidentenwahlen an. Beide Präsidenten stellen sich zur Wiederwahl und stünden einer erheblichen Opposition gegenüber, wenn sie in der Karabach-Frage, die die Gemüter grosser Teile ihrer Bevölkerungen bewegt, jetzt nennenswerte Konzessionen machen würden. Beide sind in ihrer Position gleichermassen verwundbar, auch wenn sie durchaus in der Lage sein sollten, eine friedliche Kompromissformel zu finden.

Der azerbaidschanische Aussenminister machte dies am Rande des Treffens deutlich als er armenischen Journalisten gegenüber sagte: "Die Konfliktlösung erfordert von beiden Seiten ernsthafte Konzessionen. Aber es wird schwierig, diese vor den Präsidentenwahlen zu erreichen." Während dem 79-jährigen Aliew eigentlich nur seine labile Gesundheit gefährden kann, ist die Wiederwahl seines armenischen Kollegen keineswegs eine ausgemachte Sache. Kocharian sieht sich einer ganzen Reihe von Widersachern gegenüber, die alle das Karabach-Thema für ihre politischen Zwecke einsetzen. Nur einer seiner möglichen Herausforderer, der frühere Präsident Lewon Ter-Petrosian, favorisiert eine weichere Linie in dieser Frage als Kocharian.

Wenn es je eine realistische Chance gegeben hatte, den 14-jährigen Streit zu beenden, dann wurde sie im letzten Jahr verspielt, als beide Seiten der Unterzeichnung einer Friedensvereinbarung so nahe waren wie nie zuvor. Unter französischer, russischer und amerikanischer Vermittlung hatten Aliew und Kocharian die Eckpunkte eines Friedenspaketes in einer intensiven Verhandlungsrunde in Camp David ausgehandelt. Dieser Friedenskonferenz folgten zwei separate Treffen zwischen Aliew und Kocharian in Paris unter Vermittlung des französischen Präsidenten Chirac. Damals akzeptierte die armenische Seite eine de-facto Unabhängigkeit von Berg-Karabach innerhalb einer losen Konföderation mit Aserbaidschan nach dem bosnischen Modell. Eine Unterzeichnung dieser Lösung durch beide Seiten wurde für den Juni 2001 in Genf erwartet, was aber aus bis heute unersichtlichen Gründen nicht geschah. Jerewan und die Karabach-Armenier beschuldigten Aliew, die Abmachungen von Key-West und Paris mit nachträglichen Konzessionenforderungen an Armenien gebrochen zu haben. Aliew seinerseits beschuldigte den armenischen Präsidenten, eine Reihe von Vereinbarungen, die in Paris erreicht worden seien, negiert zu haben, da er zu Hause in Jerewan Schwierigkeiten befürchtete.

Während die armenische Seite auf dem Standpunkt steht, der Friedensprozess könne nur dann fortgesetzt werden, wenn man zu den "Prinzipien von Paris" zurückfände, will der azerbaidschanische Aussenminister solche überhaupt nicht mehr kennen. Ob Aliew und Kocharian bei ihrem jüngsten Treffen diese Frage angeschnitten haben, ist nicht bekannt, da den 70 Journalisten nicht erlaubt war, konkrete Fragen zu stellen.

Eine Möglichkeit, trotz der festgefahrenen Situation wengistens kleine Fortschritte zu erreichen, liegt in der Normalisierung der Beziehungen zwischen Armeinen und Aserbaidschan unter Ausschluss des Karabach-Problems. Aserbaidschan hatte bisher alle wirtschaftlichen Beziehungen mit Armenien strikt abgelehnt, solange die von Armeniern besetzten azerbaidschanischen Gebiete rund um Karabach nicht zurückgegeben werden. Jetzt sind beide Seiten anscheinend bereit, über die Wiedereröffnung der Eisenbahnlinie zwischen beiden Ländern zu reden.

Noch ist nicht klar, wann der Verhandlungsprozess wieder aufgenommen wird, denn beide Seiten haben keine Termine für neue Gespräche genannt. Die Opposition in beiden Ländern wirft Aliew und Kocharian gleichermassen vor, sich nur um ihre eigenes Überleben zu kümmern. Sie hätten den jüngsten Gipfel nur deshalb inszeniert, um dem Westen zu zeigen, dass nur bei ihrer Wiederwahl Frieden und Stabilität in der labilen Region erreichbar seien. Kocharian förderte diese Spekulationen mit seiner Bemerkung: "Wenn wir beide das Problem nicht lösen können, wer sonst will es schaffen? Aufgrund unserer Erfahrungen mit dem Karabach-Problem fühlen wir eine grosse Last an Verantwortung." Die Last der Wiederwahl ist derzeit aber weitaus stärker.

Dokumentation: Emil Danielyan/EURASIA INSIGHT

 
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