Ausgabe 13/02, 11. Sept. Archiv
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Das grösste militärische Desaster
IWPR-Analyse zur Situation in Tschetschenie

Das grösste militärische Desaster für Russland seit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges nennt der angesehene International War and Peace Report (IWPR) die jüngste Offensive tschetschenischer Rebellen. GN übersetzt Ausschnitte aus dem Artikel des IWPR-Korrespondenten Timur Aliew, der als freier Journalist in der inguschetischen Hauptstadt Nasran arbeitet. Die Lage in Tschetschenien bildet ganz sicher einen der Hintergründe für den massiven Druck Russlands auf Georgien. Moskau will vom eigenen Versagen in seinem Teil des Kaukasus ablenken, in dem der tschetschenische Widerstand noch lange nicht gebrochen ist. Im Gegenteil, die Rebellen scheinen in jüngster Zeit wieder stärker zu werden, zumal sie einige Differenzen im eigenen Lager beigelegt haben.

Der russische Generalstaatsanwalt Wladimir Ustinow erklärte, dass eine Rakete, abgefeuert von Rebellen, einen russischen MI-26 Hubschrauber am 19. August in Tschetschenien vom Himmel geholt hätte, obwohl die exakte Unfallursache nicht nicht geklärt ist. Was auch immer bei den Untersuchungen herauskommen wird, der Todeszoll von 116 Menschen ist der grösste Moskauer Menschenverlust an einem Tag seit der Tschetschenienkonflikt vor drei Jahren wieder aufflammte. Und es scheint, dass der Konflikt mit unverminderter Härte weiter ginge.

Der Helikopter fiel in ein Minenfeld in der Nähe der russischen Militärbasis Khankala ausserhalb von Grosny. Obwohl der Hubschrauber nur für 80 Personen zugelassen ist, war er mit der doppelten Zahl an Passagieren besetzt, ein Zeichen dafür, dass sich das russische Militär sogar in Regionen, die weit entfernt sind von den Rebellenzentren in Nordtschetschenien, nicht traut, öffentliche Strassen zu benutzen.

Viele in Tschetschenien haben eine Offensive der Rebellen am 6. August erwartet, dem 6. Jahrestag der Erstürmung von Grosny, die damals zu Friedensverhandlungen führte. Die Checkpoints rund um die Hauptstadt wurden deshalb verstärkt und unter Alarmbereitschaft versetzt und die Grenze nach Inguschtien geschlossen.

In der Tat verstrich der 6. August ohne jeden Zwischenfall. Die erwartete Rebellenattacke begann am 14. und 15. August, nachdem die russischen Truppen über eine zehntägige Ruhepause eingelullt wurden.

Eine grosse Zahl von Kämpfern began damit, in Dörfer der Gegenden Urus-Martan und Achkoi-Martan in West-Tschetschenien einzusickern. Die Kämpfe in einigen Dörfern dauerten bis zum 16. August, als die Kämpfer sich wieder in die berge zurückzogen.

Die Rebellen erklärten, sie hätten grosse Erfolge erzielt und dem Gegner schwere Verluste beigebracht, dessen Kommandoposten und gepanztere Fahrzeuge zerstört. Sie erklärten ausserdem, das Dorf Vedeno in Südost-Tschetschenien attackiert zu haben. Ausserdem hätten sie im Dorf Golsonchu am 21.August ein russische Militärkolonne zerstört.

Eine Presseerklärung des russischen Militärs in Tschetschnien sprach von einem für "Tschetschen typischen Bandenüberfall", der durch eine "geplante Aktion von Sonderheinheiten" beantwortet worden ware.

Die Rebellen bezeichneten die Attacken lediglich als ein Manöver, es sei ein Teil eines Militärplans der tschetschenischen Feldkommandanten, bei dem nur die Fähigkeit der Kooperation verschiedener bewaffneter Einheiten der Tschetschenen getestet werden sollte.

Während des zweiten Tschetschenienkreiges erschienen die Rebellen mehr zerstreut und desorganisiert. Der bekannte Schamil Basajew, der für die jüngsten Operationen verantwortlich zeichnete, erklärte, dass die Aktionen der Tschetschenen jetzt viel koordinierter seien als früher. Es gibt tatsächlich klare Anzeichen, dass die verschiedenen Fraktionen der Tschetschenen in den letzten drei Monaten ihre Differenzen beigelegt haben.

Im Mai schloss der Rebellen-Präsident Aslan Maschkadov Frieden mit seinem Vorgänger Selimkhan Jandarbiew. Im Juli meldete die Webseite der Guerilla-Bewegung, dass sich Maschchadow und Basajew über eine neue Machtverteilung geeinigt hätten. Während Maschadow Präsident und Oberkommandierender bleibe, wurde Basajew zum Chef eines neu geschaffenen Verteidigungsrates ernannt und damit defacto zum Verantwortlichen für militärische Operationen.

Bei demselben Treffen erreichte Maschadow eine Aussöhnung mit dem Feldkommandeur Khamzat Gelajew, den er früher als Verräter verurteilt hatte. Er schuf ausserdem ein neues Informations-Komitee, das von einem anderen politischen Veteranen geleitet wird, Achmed Zakajew, verantwortlich für die Koordination aller Informationen auf Seiten der Rebellen.

Es gibt für diese Entwicklung zwei Erklärungen. Entweder hat sich Maschadow von seinem Plan verabschiedet, eine politische Lösung für Tschetschenien zu finden und vertraut wieder alleine der Gewalt. Oder, was mehr wahrscheinlich erscheint, er nutzt die erneut aufflackernden Kämpfe dazu, Russland zu verängstigen und ihm klar zu machen, dass der Preis für eine Verlängerung des Krieges zu hoch ist.

Die zweite Erklärung wird gestützt durch ein Treffen zwischen Zakajew und dem früheren Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Iwan Ribkin, das jüngst in Zürich stattfand.

Die Rebellen haben den Sommer zu einer neuen Offensive genutzt. Basajew erklärte, seien Kämpfer seien in der Lage, grossräumige militärische Operationen im gesamten Gebiet von Tschetschenien durchzuführen.

Das russische Militär dagegen erklärt, die tschetschenischen Guerillas würden ihre Kräfte vergeuden, da sie nur ein paar Hundert Mann zur Verfügung hätten, während etwa 80.000 russische Soldaten in Tschetschenien stationiert sind.

Tschetschenische Zivilisten sind verunsichert von der Aussicht auf neue Kämpfe in ihrer Republik. Viele, die die Flüchtlingslager in Inguschetien Anfang diesen Jahres verlassen hattene, kehren zwischenzeitlich wieder zurück, da viele bewaffnete Leute wieder in die Dörfer zurückgekehrt seien. Sollten die Kämpfe sich wieder verstärken, ist vor allem die Zivilbevölkerung betroffen.

 
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