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Wer biegt schon, wenn er von Georgien über Bolnisi und Taschir nach
Eriwan fährt, etwa 20 Fahrminuten hinter Bolnisi ab nach Didi Dmanisi,
dem rund 20 km von der Hauptstrecke hoch in den Bergen liegenden,
kleinen georgischen Verwaltungszentrum? Niemand, es sei denn, er
ist in Begleitung eines georgischen Professors, der mit seinem Team
drei Tage zuvor bei Ausgrabungen einen wirklich aussergewöhnlichen
Fund gemacht hat. Das Redaktionsteam von GN hatte am vergangenen
Samstag dieses Glück und kann so als erste Publikation Fotos von
einer wunderschönen Tuffstein-Stele zeigen, die in einem Ausgrabungsfeld
in der Nähe des Dorfes Gantiadi am 21. August des Jahres 2002 entdeckt
wurde. Sie stammt, davon ist Professor Dschumber Kopaliani aufgrund
der ausgezeichnet erhaltenen Reliefs überzeugt, aus dem 6. Jahrhundert
und wurde in einem Kirchenkomplex gefunden, der seit zwi Jahren
erst ausgegraben wird. Die völlig unbekannte Kirchenanlage mit drei
Gotteshäusern wurde per Zufall bei Grabungsarbeiten für eine Faserkabelverlegung
entdeckt.
Die rötlich-braune vierecke Steinstele liegt derzeit noch in einem
unscheinbaren Kellerraum in der Archäologen-Basis in Dmanisi auf
einem bunten Teppich. Noch ist sie nicht vollständig behandelt und
von allem Schmutz befreit, trotzdem zeigt ein erster Blick, dass
es sich hier um ein wohl einzigartiges Kunstwerk handelt, das nur
an einer Stelle eine kleine Verletzung aufweist.
Die Stele ist auf allen vier Seiten mit reichlichen Relief-Arbeiten
versehen. Eine der wichtigsten ist die Darstellung der Muttergottes
mit Jesuskind. Maria sitzt auf einem aussergewöhlichen Thron, dessen
beide Armlehnen von zwei Vögeln gebildet werden. Unterhalb der Muttergottes
ist eine Taufszene abgebildet, darunter noch zwei Paare von Herrenfiguren,
vermutlich die vier Evangelisten oder einfach Apostel.
Auf der nächsten Seite sehen wir am Kopf der Stele zwei Herrenabbildungen,
von denen einer ein Kreuz in der Hand hält, der andere eine Grantapfelblüte.
Unter dieser noch nicht erklärbaren Darstellung finden sich einfache
Ornamente. Besonders eindrucksvoll ist ein sehr gut erhaltener,
prächtiger Pfau, während der mächtige Löwe leider an einer Seite
abgesplittert ist.
In einer ersten Bewertung vermuten die Wissenschaftler, dass die
Stele von irgendwo gebracht wurde. Sie gehörte wohl nicht zu der
Kirche. Eher lässt sich denken, dass sie an einem anderen Ort stand
als Zeichen der Christentums, der relativ neuen Religion, die sich
in jener schweren Phase, wo der mazdanische Einfluss aus Persien
immer weiter zunahm, behaupten musste. Dies schliesst man daraus,
dass als einzige biblische Szene neben der Muttergottes die Taufe
als Tat der Bekehrung zum Christentum dargestellt wird. Möglicherweise
wurde sie später aus Angst vor Zerstörungen bei Überfällen durch
Araber in den bisher unbekannten Kirchenkomplex von Gantiadi verbracht.
In Gantiadi gibt es schon seit den 60-er Jahren Ausgrabungen, bekannt
sind unter anderem Funde aus verschiedenen Grabstätten aus vorchristlicher
Zeit. Einige davon wurden kürzlich bei einer grossen Georgienausstellung
in Bochum zu sehen. Über den Kirchenkomplex gibt es anscheinend
in der Literatur keinen Hinweis, sodass bis zum zufälligen Fund
bei der Kabelverlegung vor zwei Jahren, niemand wusste, welch wertvolle
Fundamente und Kunstgegenstände nur einen Meter unterhalb der Erde
direkt neben der Landstrasse hinter Gantiadi schlummerten. Im vergangenen
Jahr entdeckte man zunächst das Fundament einer Kirche, in diesem
Jahr wurden zwei weitere Gotteshäuser entdeckt und eben die Stele.
Professor Kopaliani und sein Team vermuten den Bau der Kirchen auf
das 5. - 7. Jahrhundert. Sie sind anscheinend später bei Araberüberfällen
zerstört worden. Die Grabungsarbeiten werden in den nächsten Jahren
fortgesetzt, erst dann kann man wohl genaueres über die Kirchen
und die Stele sagen.
Dokumentation: Tamuna Lazabidse
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Noch leicht verdreckt
Stele
aus Gantiadi
Steinfunde
Unbekanntes Wesen
Scherben bringen Glück
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