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Süddeutsche
Zeitung 26.8.02
Polizei rückt mit Panzern in der
Pankisi-Schlucht ein
Georgien geht gegen tschetschenische Rebellen vor
Regierung: Alle Dörfer der Region besetzt
/ Russland fordert noch härteres Vorgehen in dem Grenzgebiet
Von Tomas Avenarius
Moskau - Georgische Sicherheitskräfte mit Panzerfahrzeugen sind
am Sonntag in die von tschetschenischen Flüchtlingen und Rebellen
bewohnte Pankisi-Schlucht eingerückt. Alle Dörfer der Region seien
besetzt worden, erklärte der georgische Vizeminister für Staatssicherheit,
Lascha Nazwilischwili, in Tiflis. Moskau zeigte sich aber nicht
zufrieden: Es forderte ein weit härteres Vorgehen im Pankisi-Tal.
Der Konflikt zwischen Moskau und Tiflis hatte sich verschärft, weil
Moskau erneut georgisches Gebiet bombardiert hatte. Die USA mahnten
Moskau zu einem bedachteren Vorgehen.
Die 90 Quadratkilometer große Pankisi-Schlucht befindet sich im
Norden Georgiens. Sie liegt an der russischen Grenze. Auf russischer
Seite befindet sich dort die Unruherepublik Tschetschenien. Neben
Tausenden tschetschenischen Flüchtlingen finden mehrere hundert
Rebellen in dem Hochtal Unterschlupf. Sie können von dort aus leicht
nach Russland wechseln, Krieg gegen Moskaus Armee in Tschetschenien
führen und sich wieder in die Pankisi-Schlucht absetzen. Deshalb
fordert Russland seit Monaten eine "Säuberungsaktion".
Die russische Luftwaffe hat die Schlucht bereits mehrfach bombardiert
und so die Souveränität des Nachbarlandes verletzt. Georgien hatte
zuletzt eingestanden, die Schlucht nicht zu kontrollieren und zugleich
die Anwesenheit der Rebellen bestätigt.
Nach steigendem russischen Druck bewegten sich nach georgischen
Angaben am Wochenende Polizeikräfte mit Panzerunterstützung in die
Schlucht. Man wolle die Rebellen ohne Kämpfe über die Grenze zurück
nach Russland drängen. Moskau erklärte sofort, dass es nicht angehe,
die Rebellen "auf friedliche Weise" zurück nach Russland
zu drängen. Die georgischen Sicherheitskräfte müssten die Tschetschenen
unschädlich machen: "Die Terroristen müssen umzingelt und entwaffnet
und an Russland übergeben werden", erklärte Moskau.
Russland hatte mehrfach gedroht, die Pankisi-Schlucht mit eigenen
Truppen zu "säubern". Zudem wurde die Gegend bombardiert,
zuletzt am Freitag. Zwar bestreitet Moskau die Angriffe. Doch die
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)
bestätigte den jüngsten Angriff. Die OSZE unterhält eine Beobachtermission
in Georgien. Nach georgischen Angaben starben dabei drei Menschen.
Zwar versuchte Georgiens Staatschef Eduard Schewardnadse, den Konflikt
herunterzuspielen. Er geriet aber innenpolitisch unter Druck. So
forderte der Parlamentssprecher, Flugzeuge abzuschießen, wenn sie
georgischen Luftraum verletzten.
Auch die USA reagierten scharf auf die russischen Luftangriffe.
Ein Sprecher sagte, die USA verurteilten "die Verletzung der
georgischen Souveränität". Washington sei "sehr besorgt".
Moskaus Vorgehen trage zur Verschärfung der Spannungen bei. Die
US-Regierung ermahnte Moskau, dass eine politische Lösung des Tschetschenienkonflikts
"dringend" sei. Zugleich betonte der Sprecher, das russisch-amerikanische
Verhältnis bleibe vertrauensvoll. Washington hat nach dem 11. September
US-Militärausbilder nach Georgien gebracht. Offiziell wurde dies
Russland gegenüber damit begründet, dass in der Pankisi-Schlucht
Al-Qaida-Kämpfer vermutet würden. In Wirklichkeit versucht Washington
über Georgien in der Südkaukasus-Region Fuß zu fassen. Der Südkaukasus
ist Transitstrecke für Öl und Gas aus Zentralasien, welches als
neue Rohstoffbasis des Westens gilt. |
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