Iteras langer Atem
Russen ubernehmen Tbilgas und Azot
Die Mehrheiten in den beiden hoch verschuldeten Firmen TBILGAZ (stadtischer
Gastverteiler der georgischen Hauptstadt) und AZOT (Chemiedungemittelwerk
in Rustawi) gehen jetzt wohl doch in die Hande des grossten Glaubigers
der beiden, des russischen Gasgiganten ITERA, uber. Der faktische
Kaufpreis der jeweils 51 % igen Aktienpakete ist bei Null, dafur
schreibt ITERA allerdings Millionenbetrage ab, die beide Gesellschaften
an ITERA schulden. Mit dem lange angestrebten Einstieg bei TBILGAZ
hat der russische Gro?betrieb jetzt die gesamte Gasversorgung Georgiens
in seiner Hand, da er auch Inhaber des georgischen Uberlandverteilers
SAKGAZ ist. Dem Deal waren monatelange Verhandlungen unter anderem
mit einem hollandisch-israelischen Konsortium vorausgegangen, das
jedoch sein Angebot zuruckgezogen und die georgischen Verhandlungspartner
in eine Position gebracht hatte, dass sie schliesslich nur noch
wahlen konnte zwischen dem Angebot von ITERA oder dem totalen Ende
der Gasversorgung in Georgien. Insgesamt hat Georgien bei ITERA
einen Schuldenberg von 32 Millionen US-$ anwachsen lassen, der dem
Konzern, einer Tochter der russischen GAZPROM, die Ubernahme der
schwachelnden georgischen Betriebe leicht machte.
Die georgische Regierung geht jetzt davon aus, dass die regelmassigen
Gasabschaltungen des russischen Lieferanten wegen der Zahlungsruckstande
von TBILGAZ ausbleiben werden, eine Hoffnung, der der Direktor
von SAKGAZ, Leonid Deikalo, allerdings einen herben Dampfer verpasste.
Auch wenn ITERA jetzt das gesamte Gasnetz Georgiens kontrolliere,
werde seine Gesellschaft nur dem Gas liefern, der auch bezahle,
ein deutlicher Hinweis darauf, dass die neuen Herren von TBILGAZ
gewillt sind, Gasrechnungen bei ihren Kunden kunftig auch einzutreiben.
Die uberraschende Wende bei der seit langem anstehenden Privatisierung
von TBILGAZ hat bei der politischen Opposition selbstverstandlich
Kritik hervorgerufen. Sie befurchtet, dass der russische Gasgigant
seine Monopolstellung wie in der Vergangenheit dazu ausnutzen
werde, mit Gasabschaltungen politischem Druck auf Georgien auszuuben.
Die georgische Regierung weist dagegen auf einen Vertragspassus,
in einem solchen Fall einen anderen Gaslieferanten einschalten
zu durfen. Experten bezweifeln allerdings, ob ITERA dann seine
Pipelines zur Verfugung stellen wird.
Besonders pikant wird die Situation in zwei Jahren, wenn Georgien
seine Durchleitungsrechte fur die Gaspipeline Baku-Tbilissi-Erzurum
mit einem Gaskontingent und einem besonderen Rabatt auf zusatzliche
Gaslieferungen vergutet bekommt. Sollte sich ITERA dem verweigern
und statt dessen teureres eigenes Gas liefern, gehe die Bevolkerung
Georgiens eines Vorteils verlustig und der Staat musse sein kostenloses
Gaskontigent dafur im Ausland verkaufen.
Kritiker des ITERA-Deals vermerken uberdies, dass Moskau uber
seine Energiewirtschaft mittlerweile auf einen Grossteil der GUS-Lander
einen besonderen Einfluss habe, der ganz sich auch politisch genutzt
werden wird. In den vergangenen Jahren haben GAZPROM und ITERA
ebenfalls grossere Lieferantenkredite in der Ukraine, Armenien
und Moldawien aufgebaut, mit denen sie sich die Ubernahme strategisch
wichtiger Industrien und Betriebe der Energieversorgung haben
verrechnen lassen.
All diese Befurchtungen musste die georgische Regierung ubersehen,
wollte sie die Energieversorgung fur den kommenden Winter absichern
und damit erhebliche Unruhen in der Bevolkerung vermeiden. Russland,
das seine militarische und politische Kontrolle uber den Sudkaukasus
nahezu verloren hat, ist dabei, auf wirtschaftlichem Sektor wieder
einiges an Gelande zuruckzugewinnen. Es liegt an der Zahlungsmoral
der georgischen Verbraucher, ob ITERA neben dem Druck in der Gasleitung
auch politischen Druck ausuben kann.
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