Ausgabe 9/02, 19. Juni
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Irgendwie wird man unweigerlich an das Märchen vom Dornröschen erinnert, das hinter einem Dornenbusch schlummernd auf den Prinzen wartet, der es wachküsst. Da gibt es im hinteren Kachetien, etwas versteckt neben der Burg Gremi gelegen, eine nagelneue Weinfabrik und kaum einer weiss etwas davon. In dieser Weinfabrik hat ein deutsches Weingut im vergangenen Jahr ganz erheblich investiert. Und in den Kellern lagert Wein für rund 500.000 Flaschen, aber in Tbilissi ist die Marke "Kloster Gremi" kaum bekannt, auch von Exporten ist kaum die Rede, der deutsche Investor, das Weingut Peter Mertes, will jedoch demnächst mit den ersten Flaschen auf dem deutschen Markt auftreten. Alles ist also da, eine Fabrik, genügend Wein, nur der Verkaufsprinz, der die Ware an den Mann bringen und das dahinschlummernde Dornröschen unter den georgischen Weinfabriken erwecken kann, ist noch nicht gefunden.

Yuriy Dschnejew ist ein junger Kellermeister, der im deutschen Geisenheim als Jahrgangsbester abgeschnitten hat. Danach arbeitete er für ein Jahr beim Sponsor seines Studiums, dem Weingut Peter Mertes in Bernkastel-Kues, bevor der heute 23-jährige, dessen Vater auf der Krim ein Forschungsinstitut leitete, von seinem deutschen Arbeitgeber vor einem Jahr nach Georgien geschickt wurden, um die Weinfabrik Peter Mertes Georgien aufzubauen. Das ist ihm auf Anhieb durchaus gelungen, sein erster Jahrgang, der Saperavi aus dem Jahr 2001, kann sich sehen lassen, ein Tropfen, den man trinken kann.

Peter Mertes ist ein grosses Weingut, das vor allem im mittleren Preissegment und über den Lebensmittelhandel verkauft. Es wurde 1924 gegründet und beschäftigt heute 220 Mitarbeiter. Die Kellerkapazität liegt bei mehr als 40 Millionen Litern. Die Heuptmärkte sind Deutschland, England, die Niederlande, Skandinavien und Japan. Man is taber auch in Russland gut im Geschäft, weshalb das Engagement in Georgien auch firmenpolitisch durchaus Sinn macht. Wer in Moskau Weine vermarktet muss sich in den traditionellen Beschaffungsmärkten Russlands umschauen, einer davon ist und bleibt Georgien. Dem deutschen Investor geht also erst einmal um die Verbesserung seiner Marktposition in Russland und den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Es ist auch ein Verkauf in Deutschland geplant, dafür wird derzeit aber erst einmal der Markt sondiert.

Yuri Dschenejw erklärt, sein "Chef" habe in Gremi in Equippment und Betriebsmittel, sprich Ankauf von Trauben investiert. Die georgischen Partner, fünf an der Zahl, hätten Grundstück, Gebäude und Baukosten eingebracht. Ein weiterer Gesellschafter ist der junge Kellermeister selbst, der zusammen mit den fünf Georgiern rund zwei Drittel der Firmenanteile hält, Peter Mertes in Deutschland gehören 34 %. Das Management besteht aus Georgiern.

Im neu errichteten Weinkeller kann Yuri im Jahr rund 500.000 Liter Wein produzieren, die Lagerkapazität reicht für zwei Jahrgänge aus. Neben dem trockenen Saperavi produziert er den weissen Manavi, eine Mischung aus Krtaziteli- und Mzwane-Trauben, den halbtrockenen Kindsmarauli und eine Besonderheit, Alasnis Weli genannt. Das ist eigentlich ein Weisswein, der aber zusammen mit den Schalen des Saperavi vergoren wird und deshalb einen leichten rötlichen Farbton aufweist. Verkauft werden alle Weine unter der Marke "Monastry Gremi".

Die Preise liegen ab Werk zwischen zwei und drei Dollar, das seien ganz anständige Preise, meint der Kellermeister, der gleichzeitig aber betont, dass die Traubenpreise in Kachetien verglichen mit deutschen Verhältnissen viel zu hoch seien. Zwischen 1,00 und 1,80 GEL hätte man im vergangenen Jahr für das Kilo Trauben bezahlen müssen, manch ein deutscher Winzer würde für diesen Preis weite Wege mit seinen Trauben fahren. An eigene Weinberge denkt man im Hause Mertes in Georgien vorerst trotzdem nicht. Das würde erhebliche Investitionen bedeuten und einige Jahre dauern, bis die Reben in den Ertrag kämen.

Das Weingut Peter Mertes Georgien ist nicht die einzige grosse Investition in den kachtischen Weinbau. Vor allem georgische und russische Investoren haben in den letzten zwei Jahren Investitionen für mehr als 25 Millionen $ vorgenommen. Hunderte von Hektar neuer Rebflächen wurden angelegt, die erst in einigen Jahren in den Ertrag kommen. Prominentester Investor ist die georgische Prima-Ballerina Nino Ananiaschwili, die zusammen mit ihrem Mann rund 70 ha Rebfläche in Tsinandali angelegt hat.

Ausserdem wurde in Kachetien in den letzten Jahren viel in Kellereitechnik und Kellerei-Know-How investiert. In einigen Betrieben sind sogenannte "Flying Winemakers" aus Australien und Europa im Einsatz, hoch bezahlte Spezialisten, die mehrfach im Jahr für ein paar Wochen ins Land kommen, um den georgischen Kellermeistern mit fachlichem Rat zur Seite zu stehen. Fachleute rechnen damit, dass der georgische Rotwein, vor allem die kachetische Spezialität Saperavi, in wenigen Jahren zur Weltspitze zählen wird. Den Anschluss an den Weltmarkt hat man in den letzten Jahren bereits geschafft. Wer den georgischen Wein vor sechs oder sieben Jahren probierte, muss heute anerkennen, welchen Standard er in diesen wenigen Jahren erreicht hat. Bei dieser Perspektive dürfte auch das Dornröschen aus Gremi irgendwann einmal einem kaufkräftigen und erfahrenen Verkaufs-Prinzen auffallen, der es wachküsst und die eleganten Flaschen mit dem ansprechenden Etikett auf dem Markt unterbringen wird.


 


Festung Kloster Gremi


Markenzeichen


Elegante Flaschen


Betriebsleiter
Yuri Dschenejew


Wiegehaus


Edelstahltanks


Moderne Abfüllung

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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