Dass es nach zwölf
Jahren intensiven Reisens durch den Kaukasus noch unendeckte Flecken
gibt, die einem erneut begeistern, konnte GN-Herausgeber Rainer Kaufmann
erfahren, als er am völlig verregneten vergangenen Donnerstag erstmals
ins Innere des Bordschomi-Charagauli-Nationalparks geführt wurde. Trotz
schlechten Wetters ergaben sich bei einer Rangerhütte auf 2.100 m Höhe
landschaftliche Ausblicke, die einfach nur noch atemberaubend schön
waren. Dazu eine reichhaltige Fauna und Flora mit vielen endemischen
und vom Aussterben bedrohten Arten. Der Park soll in massvollem Rahmen
auch touristisch erschlossen werden. Der Nationalpark wurde vom WWF
mit erheblicher deutscher Finanzhilfe eingerichtet. In Kürze wird eine
deutsche Tourismusexpertin das Management des Parks beim Aufbau der
touristischen Angebote unterstützen.
Der Borjomi-Charagauli Nationalpark ging aus dem bereits vorhandenen
Bordschomi Natur Reservat hervor, das seit Jahrzehnten bereits unter
besonderem Schutz stand. Im neuen Naturparkkonzept wurde die Fläche
erheblich erweitert und auf andere Distrikte ausgedehnt. Heute umfasst
das Schutzreservat eine Fläche von 68.000 Hektar, was etwa 1 % der
geamten Fläche Georgiens entspricht. Er wurde am 11. April 2001 von
Präsident Eduard Schewardnadse und der deutschen Entwicklungshilfeministerin
Heidemarie Wieczorek-Zeul offiziell eröffnet.
Im Park sind acht Rangerstationen, die den insgesamt 48 Naturparkhütern
als Unterkünfte zur Verfügung stehen. Die Ranger patrouillieren ständig
durch das Gebiet, um Wilderern oder illegalen Holzfällern das Handwerk
zu legen. Der Zugang zum Nationalpark ist nur unter Begleitung ortskundiger
Führer oder Ranger gestattet. Ein eigens eingerichteter Besucher-Service
koordiniert alle Besucherwünsche. Der Park verfügt über vier Eingänge
mit einem Besucherzentrum.
Für Touristen werden verschiedene Pfade angelegt, die je nach Anforderungsprofil
der Besucher bis in die Höhe von nahezu 3.000 m führen. Einer dieser
Pfade, der sogenannte Likani-Lomisi-Pfad ist ab diesem Sommer bereits
begehbar, die anderen werden wohl erst im Laufe der nächsten Jahre
fertig gestellt. Neben sieben verschiedenen Eintageswanderungen bietet
der Naturpark auch Mehrtageswanderungen bis zu vier Tagen an. Pferde
können ebenfalls gestellt werden, allerdings vorerst nur für kleinere
Gruppen.
Vier verschiedene Touristen-Hütten sollen aufgebaut werden, in denen
bis zu 12 Schlafplätze eingerichtet werden. Die Hütten haben minimalste
Ausrüstung, Schlafsäcke und Verpflegung müssen mitgebracht werden,
Waschstellen sind meist an kleinen Quellen oder Bachläufen im direkten
Umfeld der Hütten. Die Touristenhütte am Berg Lomisi (2.287 m) ist
etwas unterhalb des Gipfels (1.910 m) bereits fertig, die drei anderen
werden wohl auch erst zum nächsten Jahr fertiggestellt werden können.
Daneben stehen auch die Rangerhütten zumindest teilweise für Übernachtungen
zur Verfügung.
Ein umfangreiches Trainings- und Schulungsprogramm soll vor allem
Lehrer und Multiplikatoren auf die Naturschutzziele des Nationalparks
aufmerksam machen. Für die Bevölkerung der Naturpark-Bezirke gibt
es spezielles Entwicklungsprogramm der Weltbank, das über den Georgia`s
Social Investment Fund abgewickelt wird. In diesem Programm werden
Schulen, Krankenhäuser, Wasserversorgungssysteme und Verwaltungszentren
rehabilitiert.
Für Naturfreunde ist neben der faszinierenden Landschaft vor allem
der Bestand an seltenen Tieren und Pflanzen von Bedeutung. Im Nationalpark
findet man Luchse (Linx linx), Rotwild (Cervus elaphus), Wildkatzen
(Felis silvestris) und Braunbären (Ursus arctos). Besonders interessant
ist der Kaukasische Salamander (Mertensiela caucasica), der nur in
Georgien und der Nordtürkei vorkommt. Die Flora bietet neben wunderschönen
und artenreichen Wäldern hochalpine Zonen mit einem ungewöhnlich reichhaltigen
Besatz an Orchideen und anderen Pflanzen. Entsprechende Artenlisten
sind in Vorbereitung.
Die nebenstehenden Aufnahmen, alle an einem regnerischen Nachmittag
während einer Halbtagesführung durch den Nationalpark gemacht, geben
nur einen kleinen Eindruck von dem, was Natur- und Fotofreunde in
Bordschomi-Charagauli erwartet. GN wird im Laufe regelmässig über
die Entwicklung des Nationalparks berichten.