Ausgabe 9/02, 19. Juni
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Ein Millionengeschäft
Georgien und die Fussball-WM

Einer der Gewinner der Fussball-WM in Georgien ist Präsident Eduard Schewardnadse. Er hatte von Anfang an auf Brasilien als Titelträger gesetzt und jetzt, nach dem Finale, in einem Radio-Interview das wunderbare Spiel der Samba-Truppe gewürdigt, wobei er -ganz Diplomat der alten Schule - nicht vergass, auch das ausgezeichnete Spiel der Deutschen zu loben. Und für den georgischen Fussball, der es zu Sowjetzeiten mit Dynamo Tbilissi immerhin einmal zum Europacupsieger gebracht hatte, gab der Präsident die nationale Parole aus, alles zu tun, um den georgischen Fussball international wieder salonfähig zu machen. Vor allem die Geschäftswelt solle dazu ihren Beitrag leisten.

Neben dem Präsidenten gab es am Sonntag allerdings auch einige echte Gewinner: die Inhaber der vielen Wettbüros. Wieviele Totalisatoren in der Stadt tatsächlich ihre Schalter und Kassen geöffnet hatten, ist kaum bekannt. Wettbüros lassen sich ungern in die Karten schauen und auch ihre Kunden, die Zocker, ziehen es vor, unbekannt zu bleiben. Insider sprechen von mindestens 200 - in Worten: zweihundert - Wettbüros in Tbilissi, die in diem Juni Hochkonjunktur hatten. Normalerweise setzt ein Wettbüro zwischen 80.000 und 100.000 GEL pro Monat um, im WM-Monat soll sich dies leicht verdoppelt haben. Von einem Totalisator spricht man sogar, er habe es auf 800.000 GEL Umsatz gebracht. Wie dem auch sei, ein Millionen-Geschäft. Selbst nach vorsichtigen Schätzungen dürften über die Schalter der Wettbüros im Juni mehr als 20 Millionen GEL geflossen sein.

Das grösste Wettbüro befindet sich im Hotel Adjara im Kellergeschoss. Mehr als 25 Schalter, alle ausgerüstet mit Computer, haben wir kurz vor dem Finale gezählt, und elf Gross-Monitore in drei verschiedenen Sälen, auf denen die Spiele übertragen wurden. Die Hütte war während der gesamten WM gut besucht, am Sonntag überfüllt. Knapp 1.000 Menschen mögen es gewesen sein, die im Keller des Adjara auf Tore, Eckbälle, gelbe Karten und vieles mehr warteten, vor allem auf satte Gewinne. Denn auf alles wurde gewettet, natürlich auch auf den Sieger. Die Wettleidenschaft der Georgier kannte keine Grenzen.

Es waren nicht die ein Prozent Superreichen von Tbilissi, die sich diesen Spass leisteten, nahezu jeder war in den letzten Tagen vom Wettfieber befallen. Von einem Lari bis hoch zu einigen Hundert oder Tausend betrugen die Einsätze, es waren die Jungs von der Strasse, die keinen Job haben oder nur einen schlecht bezahlten, die mit ihren Mini-Einsätzen die Kassen der Wettbüros klingeln liessen. Den Höchsteinsatz dieser WM wird in der Szene mit 15.000 $ angegeben, gesetzt im Spiel Kroatien-Italien auf den vermeintlichen Favoriten Italien. Der Wetter musste sein Haus verkaufen, um das vorher gepumpte Geld seinem Gläubiger zurückzahlen zu können. Ob der georgische Präsident auf seinen Titel-Tipp Brasilien, den er vor der WM einer georgischen Presseagentur gegenüber abgegeben hatte, auch gewettet hat, ist nicht bekannt. Zocker reden nur ungern über ihre Einsätze und Gewinne. Was Eduard allerdings nicht wusste, GN hat die Schönheiten Brasiliens am Finaltag in Tbilissi getroffen.


 

Finalstimmung vor dem Wettbüro

Fotografen unerwünscht: Schalter an Schalter im grössten Wettbüro von Tbilissi

Zocker unter sich

Gewinner und Verlierer: live dabei

Inkognito: Brasilienfans in Tbilissi

Copacabana-Schönheiten an der Kura

Samba in Tbilissi

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ERKA-Verlag ©2002