Ausgabe 9/02, 19. Juni
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Ohne Druck unter Druck
Tbilissi wieder einmal ohne Gas

Wie man völlig ohne Druck sein kann und dennoch unter heftigen Druck geraten, muss die Bevölkerung von Tbilissi in diesen Tagen wieder einmal schmerzhaft erfahren. Seit einer Woche gibt es kein Gas mehr in der Stadt, die Folge eines Machtkampfes um die Zukunft des Gasverteilungsnetzes in der georgischen Hauptstadt. Es soll privatisiert werden. Um diese Privatisierung gibt es einen heftigen Streit zwischen den Georgiern und der russischen "Itera" Energiegesellschaft, die ihr Liefermonopol für Erdgas in Georgien aussnutzt, um Druck zu machen, nur nicht in den Leitungen. Die Georgier machen es ihrem russischen Kontrahenten allerdings auch leicht: Tbilgas, die städtische Gasverteilungsgesellschaft, steht beim nationalen Gasverteiler Sakgas (100-% Gesellschafter: Itera) mit 7,3 Millionen GEL in der Kreide.

Alle Verhandlungen zwischen Itera/Sakgas und Tbilgas über eine vernünftige Reduzierung der Schulden verlaufen immer wieder im Sande, da die georgische Seite ihren Verpflichtungen nur in unzureichendem Masse entgegenkommt. So beklagt der russische Gasmonopolisten, dass eigentlich für Tbilgas Vorauskasse vereinbart worden sei bei gleichzeitiger Rückführung der Altschulden um 30 %. Trotzdem seien von den im Juni aufgelaufenen Rechnungen von 750.000 GEL nur 250.000 GEL bezahlt worden. In der vergangenen Woche hatte man nochmals eine kurzfristige a-conto-Zahlung von 3 Millionen GEL vereinbart, anscheinend erhielt der Generaldirektor von Sakgas aus Moskau die Anweisung, noch vor dem vereinbarten Zahlungsziel den Gashahn zuzudrehen und dies ohne jede Vorwarnung. Die Folge: Viele Betriebe, die sich auf Erdgas eingestellt haben, stehen still. Die Haushaltungen müssen sich wieder auf das teuerere Propangas umstellen.

Verschiedene Verschwörungstheorien machen jetzt wieder die Runde, vor allem die, dass sich Russland für Georgiens Annäherung an die NATO rächen wolle oder für eine harsche Rede Schewardnadses auf dem Schwarzmeergipfel vor wenigen Tagen, als er Russland kategorisch den Wunsch ausschlug, den jetzt auch Putin nochmals äusserte, im Pankisital gegen tschetschenische Freischärler vorgehen zu dürfen.

Wesentlich naheliegender scheinen Gründe zu sein, die im Gasgeschäft selbst liegen. Derzeit ist Russland über die Itera/Sakgas-Verbindung der einzige Lieferant für Erdgas in Georgien. Diese Position wird bald der Vergangenheit angehören, wenn Georgien für seine Gas-Durchleitungsrechte für die Pipeline Baku-Tbilissi-Erzurum nicht in Geld sondern in Gas bezahlt wird. Das dürfte ab dem Jahr 2005 Realität werden und Georgien wird dann unabhängig vom russischen Gasmonopol. Itera versuchte seinen Markt und Einfluss im georgischen Gasgeschäft dadurch zu halten, dass es sich an der Ausschreibung zur Privatisierung von Tbilgas, seinem verschuldeten Kunden beteiligte, wobei man sicher die Schulden mit dem Kaufpreis aufgerechnet hätte. Für Georgien und die Stadt Tbilissi, der Tbilgas zu 100 % gehört, kein allzu verlockendes Geschäft. Ausserdem hätte der russische Energiegigant dann die Gasversorgung völlig in seine Hand bekommen.

Daher will sich Georgien für ein israelisch-kanadisches Konsortium mit dem Namen Tahal entscheiden, die im ersten Anlauf 85 % von Tbilgas übenehmen und rund 75 Millionen $ ins marode Gasnetz investieren woll. Mit der Kapitalkraft dieses Investors wären die Georgier plötzlich zahlungsfähig und der russische Noch-Gasmonopolist hätte kein Mittel mehr in der Hand, die Georgier unter Druck zu setzen. Wieder einmal werden auf dem Rücken der Bevölkerung machtpolitische Spiele ausgetragen, wobei allerdings zu fragen ist, warum von dem Geld, das die Verbraucher bei Tbilgas bezahlen so wenig beim Vorlieferanten Sakgas ankommt. Statt geostrategische Machtspiele zu beklagen, könnte man sich ganz einfach darum kümmern, verbrauchtes Gas zu bezahlen und all diejenigen vom Gasnetz abzuschalten, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Dann hätte der böse Nachbar im Norden keine Möglichkeit mehr, den Georgiern das Leben schwer zu machen.


 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ERKA-Verlag ©2002