Ausgabe 9/02, 19. Juni
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Eigentlich sollte es ein schöner Abendspazier- gang werden, eigentlich wollten wir nur Impres-sionen für eine neue Fotostrecke in GN ein-fangen. Das ethnogra-fische Freilichtmuseum an einem schönen Früh-sommerabend - das versprach zumindest ein paar folkloristisch-op-tische Leckerbissen für dieses Magazin, das der Aktualitäten wegen etwas Politik- und Militär-lastig ausfallen muss.

Der Anblick war er-schütternd: ein nahezu völlig verwahrlostes Areal. Vom Sturm herunter-gerissene Strohdächer, die keiner mehr repariert. Windschiefe Heuschup-pen, die niemand aufrich-tet. Achtlos herumliegen-des landwirtschaftliches Gerät, das verfällt. Aus-gehängte Gartentore, die keiner einhängt. Herum-liegende Reste von Feu-erlösch-Einrichtungen und Wegbeleuchtung, die keiner wegräumt. Ver-staubte Ausstellungs-stücke in den Häusern, die keiner reinigt. Gelang-weiltes Wachpersonal, das am liebsten schon vor 5 Uhr abends keinen Besucher mehr aufs Gelände lassen will. Und das bei einem Eintritts-preis von 4 GEL auch für Georgier, obwohl auf dem Ticket nur 40 Tetri Eintritt stehen. Auch die sind eigentlich viel zu viel für ein Museum, um das sich anscheinend niemand mehr kümmert.

Dabei wäre es so einfach, die wichtigsten Repara-turen vorzunehmen: Das Material für Strohdächer und Wände aus Weiden-geflecht kann so teuer nicht sein. Das Abmähen der Wiesen wenigstens für einen Fussweg be-nötigt noch nicht einmal Strom, lediglich eine Sense. Und für das Ein-hängen von Gartentoren braucht man vielleicht ein neues Scharnier samt Schraube oder Nagel. Der Rest wäre nur etwas Ar-beit und der Wille, den Besuchern zu zeigen, dass man sich mit einem Mindestmass an Liebe diesem Museum und denen, die es besuchen, widmet. Es sei das ein-zige Museum dieser Art in Georgien, erklärt uns der Türwächter, der die überteuerten Eintritts-karten verkaufte, voll Stolz. Wer Freilichtmu-seen in anderen Ländern gesehen hat, weiss, dass dieses Museum wirklich einzigartig ist, einzigartig in seinem trostlosen Zustand.

Lediglich das Restaurant oberhalb des Areals funktionierte. Die vielen fröhlichen Trinksprüche, die zu uns herunter-schallten, standen in einem deutlichen Kon-trast zur Trostlosigkeit der Anlage. So gibt es eben statt einer schönen Fotostrecke diesmal eben eine traurige und die Gewissheit, dass Tbilissi weitaus interessantere Plätze zu bieten hat als das etnografische Frei-lichtmuseum. Ein paar Fotos jedoch zeigen, welch einmaligen Charme dieses Museum vermit-teln könnte, wenn es nur einigermassen gepflegt würde.

Text und Fotos:
Rainer Kaufmann

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ERKA-Verlag ©2002