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Ausgabe 05/04
31. März
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Georgien bekommt voraussichtlich kein reines Einparteien-Parlament. Nach dem sich jetzt abzeichneten Ergebnis kann neben dem überwältigenden Wahlsieger "Nationale Bewegung-Demokraten"mit 66,23 % noch mindestens eine weitere Parteien damit rechnen, die 7-%-Hürde zu überwinden: die "Rechte Opposition-Industrialisten/Novas", die nach der Auszählung von mehr als 2/3 der Stimmbezirken mit 7,55 % geführt wird. Die adscharische Regionalpartei "Wiedergeburt" scheint mit derzeit 6,71 % den Einzug ins Parlament knapp zu verfehlen. Alle anderen Parteien haben so gut wie keine Chance mehr auf einen Platz in der Legislative. Zusammen mit den bereits direkt gewählten Wahlkreisabgeordneten dürften Michael Saakaschwili und Surab Schwania damit auf eine sichere 2/3 Mehrheit der Stimmen bauen können.

Langzeitbeobachter der georgischen Politikszene sehen in dem Ergebnis eine erstaunliche Parallele zu den regulären Parlamentswahlen der Jahre 1999 und 1995. Damals hatte die Bürgerunion Schewardnadses, unter der operativen Führung von Surab Schwania und Michael Saakaschwili, ähnliche Resultate erzielt. Neben ihrer Partei und ein paar Unabhängigen waren nur die adscharische Wiedergeburt und - im Jahr 1999 - die Industrialisten von Bierkönig Gogi Topadse im Parlament vertreten. Bis zum Zerfall der Bürgerunion zeichnete sich das georgische Parlament durch eine effektive gesetzgeberische Arbeit aus. Sollte sich diese Geschichte wiederholen, könnte jetzt wieder eine Zeit der Reformen anbrechen und für rund zwei Legislaturperioden anhalten, bis dann wieder die Diadochenkämpfe um die Nachfolge des Präsidenten einsetzen und Parlament und Politik ähnlich lähmen wie in den vergangenen zwei Jahren. Voraussetzung aber ist, dass sowohl die Massenpartei von Saakaschwili und Schwania zusammenhält und Präsident wie Premierminister sich nicht in einen internen Machtkampf verbeißen.

Der eigentliche Verlierer des gesamten Wahlspektakels zwischen 2. November 2003 und 28. März 2004 heißt Schalwa Natelaschwili. Der Führer der Arbeiterpartei galt nach den Kommunalwahlen vom Mai 2003, als er das politische und wirtschaftliche Establishment des Landes mit einem Traumergebnis schockte, als der eigentliche Oppositionsführer. Viele sahen in ihm das einzige politische Talent außerhalb der Schewardnadse-Mehrheits-Partei. Er selbst war sich sicher, mit einem Super-Ergebnis am 2. November seine Chancen um die Nachfolge Schewardnadses untermauern zu können. Es ist, wie hinlänglich bekannt, anders gekommen. Und mit bescheidenen 6 % werden er und seinen Parteifreunde erneut zu einer Zuschauerrolle im großen politischen Leben Georgiens verurteilt. Nichts hat sich geändert.

Der zweite Verlierer heißt Aslan Abaschidse. Selbst wenn seine Wiedergeburtspartei die 7-%-Hürde gerade noch so eben überspringen sollte, ist die Zeit des absolutistischen Fürsten von Batumi mit dieser Wahl endgültig abgelaufen. Während Michael Saakaschwili am Wahlabend noch tönte, seine Partei habe etwa zweimal soviel Stimmen in Adscharien erhalten wie Abaschidse, dürfte Abaschidse aber nach den bisher vorliegenden Informationen in seiner Autonomen Provinz die absolute Mehrheit der Stimmen gerade noch einmal verteidigt haben. Im November vergangenen Jahres hatte sich Abaschidse noch mit fast 100 % der abgegebenen Stimmen in Adscharien zum Neben-Präsidenten Georgiens aufschwingen wollen.

Will man der Medien-Hysterie im In- und Ausland Glauben schenken, die bis kurz vor den Wahltag anhielt, so stand die Durchführung der Wahlen in Adscharien bis zu letzt auf Messers Schneide. Der georgische Präsident schickte seinen Premierminister eigens zur Beobachtung der Wahlen nach Batumi, wo sich am Wahltag bis in den Abend hinein die Gerüchte hielten, dass es doch noch zu gewaltsamen Provokationen kommen würde. Nichts davon sollte sich bewahrheiten, die georgischen Medien hatten aber während des Wahltages genügend Gesprächsstoff für ihre permanenten Live-Schaltungen nach Batumi. Der Rest der Wahl war, zumindest im Vergleich zum offenen Rennen am 2. November vergangenen Jahres, eher langweilig. Das Ergebnis, ein haushoher Sieg Saakaschwilis und Schwanias, stand eh von vorneherein fest.

Journalisten und internationale Wahl-Beobachter konzentrierten ihre Aufmerksamkeit daher auf die Schwarzmeer-Provinz, deren Wahlergebnisse der letzten Jahre zweifelsohne einzig und allein dem politischen Willen ihres Führers entsprachen und nicht dem der Bevölkerung. Auch bei den jetzigen 50 % für Abaschidse haben Insider erhebliche Zweifel, ob vor allem die Auszählung der Stimmen internationalen Anforderungen entsprach. Die Gerüchte, dass sich Schwania und Abaschidse in ihren langen Verhandlungen am Wahltag auch auf eine Toleranzgrenze des Wiedergeburt-Stimmenanteils geeinigt haben könnten, die beiden Seiten helfen würde, das Gesicht zu wahren, halten sich in Tbilissi mehr als hartnäckig. Egal, ob das Ergebnis ein wenig zurecht gemogelt wurde oder tatsächlich dem Wählerwillen entspricht: Mit den 50 % für Abaschidse können beide Seiten vorerst einmal leben. Der Adschare ist zu Hause wenigstens optisch noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen, im georgischen Parlament hat er nichts mehr zu suchen. Und der Kampf um die politische und wirtschaftliche Führung Adschariens kann damit in seine letzte Runde gehen. Es geht in den Verhandlungen, so hört man in Tbilissi in den berühmten gut unterrichteten Kreisen, vornehmlich um Sicherheitsgarantien, die Aslan Abaschidse als Gegenleistung für einen Rückzug aus der Politik für sich und seinen Familienclan von der Zentralregierung fordert. Mit dem Wahlergebnis vom 28. März dürften wohl auch alle Legenden über die "Rebellen-Hochburg Batumi" und bevorstehende "bewaffnete Auseinandersetzungen an der NATO-Grenze" (siehe "Der Spiegel vom 22.3.) widerlegt sein.

Wie bei der letzten Parlamentswahl scheinen sich die Industrialisten um Gogi Topadse - erst seit kurzem vereint mit DavidGamkrelidses "Neuen Rechten" - gerade noch einmal über die 7-%-Hürde hangeln zu können. Auch dazu halten sich in Tbilissi schon seit Tagen die Gerüchte, dass sich beide Seiten, Regierung und Topadse, rechtzeitig auf diesen Deal geeinigt hätten, wobei man dann aber angesichts der durchaus verbesserten Wahl-Organisation davon ausgehen muss, dass das Regierungslager den Industrialisten mit einer gewissen Zahl an Leihstimmen ausgeholfen haben muss, ein Vorgehen, das man auch aus anderen Demokratien kennt. Die "Rechte Opposition" ist der politische Zusammenschluss vieler erfolgreicher Privatunternehmer, auf deren ökonomischen Sachverstand, unabhängig von der Interessenslage, die sie vertreten, Parlament und Regierung angewiesen sind.

Alle anderen Parteien rangieren abgeschlagen, wobei der Newcomer "Freiheit" mit dem Gamsachurdia-Sohn Konstantin an der Spitze mit knapp 4,5 % doch noch ein achtbares Ergebnis erzielte. Allerdings heißt es auch für diese Gruppierung: Nichts hat sich geändert. Auch unter Schewardnadse spielten die Anhänger des ersten Präsidenten Georgiens nur eine untergeordnete Rolle. Immerhin, bei einer 5-%-Sperrhürde hätte es der jungen Partei vielleicht sogar gelingen können, ihr Potential auszureisen und das Klassenziel Parlament zu erreichen.

Übereinstimmend berichten internationale und lokale Wahlbeobachter, dass sich die Organisation der Wahlen erheblich verbessert hat, wenngleich noch immer einige Unregelmäßigkeiten - vor allem in den notorischen Trickser-Provinzen Adscharien und Nieder-Kartli - berichtet wurden. Flächendeckende Wahlfälschungen, wie sie am 2. November offensichtlich waren, sollen allerdings nicht mehr vorgekommen sein. Dennoch monierte vor allem die Beobachter von OSZE und Europarat, dass die Wählerverzeichnisse noch immer nicht auf dem Stand sind, dass man auf Ad-hoc-Registrierungen am Wahltag verzichten könnte. Außerdem gab man der georgischen Regierung zu bedenken, die 7-%-Hürde für den Einzug ins Parlament doch auf 5 % oder gar 4 % zu senken, um wenigstens einigen oppositionellen Kräften den Einzug ins Parlament zu ermöglichen. Die Rosen-Regierung hat jetzt vier Jahre Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, ob sie eine Opposition braucht oder nicht. Michael Saakaschwili hat die Forderung nach einer Senkung der 7-%-Hürde mit der Bemerkung abgetan, er brauche keine Opposition. Vielleicht wird er sich nach Erledigung des Themas Abaschidse und "Wiedergeburt" auch in dieser Frage noch einmal ein paar Nachhilfe-Stunden aus Europa antun.

Keine vier Jahre Zeit hat die Regierung, um die hochgestellten Erwartungen in sie zu erfüllen. Mit dem 28. März sind jetzt alle Regularien der Machtübergabe von Schewardnadse auf Saakaschwili und Schwania erledigt. Jetzt muss das neue Team seine Wahlerfolge mit Sacharbeit rechtfertigen.


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