Großer Bahnhof in einer Seitenstraße in Achalziche.
Thorben Holtze, Botschafter der Europäischen Kommission in
Georgien, eröffnete ein neues Jugendzentrum, das mit Mitteln
der EU finanziert wurde und von World Vision, einer internationalen
Hilfsorganisation, organisiert und betreut wird. Nach Achalziche
sollen in drei weiteren Städten Südgeorgiens - voraussichtlich
Achalkalaki, Marneuli und Gardabani/Rustawi - weitere Jugendzentren
dieser Art entstehen. Zielgruppe sind Jugendliche zwischen 12 und
20 Jahren.
Die Konzentration auf Südgeorgien hat vor allem mit der ethnischen
Situation dieser Region zu tun, denn eine der Hauptaufgaben der
Zentren ist die Integration verschiedener Volksgruppen und die Überwindung
von ethnischen Vorurteilen und Spannungen. In Achalziche, Achalkalaki
und Marneuli leben neben Georgiern viele Armenier und Azeris, denen
ein wesentlicher Teil der Aufmerksamkeit der Jugendzentren gewidmet
sein wird.
Daneben geht es in Achalziche, einer Grenzstadt der früheren
UdSSR, die ihre Funktion als Militärbasis völlig verloren
hat, auch darum, der Jugend Beschäftigung und Perspektiven
zu bieten, die das öffentliche Schulsystem und die Gesellschaft
derzeit nicht bieten. Einen Tag vor der Eröffnung fand deshalb
eine Podiumsdiskussion mit Vertretern lokaler Organisationen statt,
in der die künftige Rolle des Jugendzentrums besprochen wurde.
Geleitet wird das Zentrum von Lela Bekauri, einer Lehrerin aus
Achalziche. Ihr zur Seite stehen weitere Lehrer und Sportrainer,
denn auch das Thema Sport spielt im Konzept des Jugendzentrums
eine große Rolle. Organisiert werden alle Jugendzentren
von World Vision Deutschland und Oliver Reisner, der eigens für
dieses Projekt angeheuert wurde. Reisner, der vor Jahren in Georgien
die Landessprache und Geschichte studiert hatte, spricht zeichnet
georgisch und überraschte viele der Besucher am Eröffnungstag
mit einer Rede in der Landessprache.
Georgisch wird auch im Mittelpunkt des Unterrichts vor allem für
die armenische Minderheit stehen. Zur Sowjetzeit war russisch
die alle Ethnien des Riesenreiches verbindende gemeinsame Sprache,
jetzt ist Georgisch alleinige Staatssprache. In Achalziche ist
das kein allzu großes Problem, da die meisten der armenischen
Schüler in Georgisch unterrichtet werden. In einigen der
ausschließlich von Armeniern bewohnten Dörfer rund
um Achalziche hat das World-Vision-Team bei seiner Werbe-Tournee
für das Jugendzentrum aber auch Jugendliche angetroffen,
die weder Georgisch noch russisch verstanden. Sie zu motivieren,
im Jugendzentrum Georgisch zu lernen, wird eine der Hauptaufgaben
sein. In der ersten Woche haben sich bereits 50 Jugendliche für
den Nachmittagsunterricht in Georgisch eingetragen.
Für viele Jugendliche aus den Dörfern wird es aber schwer
sein, das Angebot des Jugendzentrums zu nutzen. Die nur auf Subsistenzlandwirtschaft
ausgerichteten Familien haben oft genug nicht das nötige
Kleingeld, um ihre Kinder zwei oder drei Mal pro Woche mit öffentlichen
Verkehrsmitteln nach Achalziche fahren lassen zu können.
Das Jugendzentrum sucht deshalb nach Sponsoren, die für interessierte
Kinder aus finanzschwachen Familien diese Fahrtkosten übernehmen.
Mit nur 15 GEL im Monat kann ein Kind drei Mal in der Woche einen
Kurs im Jugendzentrum besuchen.
Ein weiterer Schwerpunkt ist der Computerunterricht. Ein knappes
Dutzend an PC`s stehen im Computerraum des Zentrums, an denen
Jugendliche in die Grundfunktionen moderner Informationstechnologie
und deren Nutzung eingeführt werden. Ziel ist es, die Kommunikationsdefizite
der Provinz-Regionen auszugleichen und junge Menschen an die Chancen
der Informationsgesellschaft heranzuführen. Über 150
Jugendliche aus Achalziche und Umgebung haben sich in der ersten
Woche für den dreimonatigen Grundkurs eingeschrieben. Das
Jugendzentrum wird also angenommen.
Auf dem sportlichen Sektor hat sich das Zentrum schwerpunktmäßig
an den Rugby-Verband angelehnt, der eine beispielhafte Breitenarbeit
aufgezogen hat und in der Region einige Jugend-Rugby-Teams aufgebaut
hat. Beim sportlichen Programm der Eröffnung stand demnach
auch ein Rugby-Turnier mit Jugend-Mannschaften aus Tbilissi und
anderen Städten Georgiens im Mittelpunkt des Geschehens.
GN wird in Kürze über die Aktivitäten der Rugby-Jugend
in Georgien berichten. Daneben wird vor allem Volleyball angeboten.
Das Sport-Programm wurde im städtischen Sportzentrum von
Achalziche aufgezogen, einem Platz, der den diplomatischen Besuch
aus Tbilissi in Erstaunen versetzte. Die Stadion-Tribünen
sind aufgebrochen und die Beton-Armierung herausgerissen. Die
Sporthalle bietet ein Bild der Verwüstung. Das Jugendzentrum
will seinen Budget-Anteil für Sport in eine gemeinsame Anstrengung
einbringen und mithelfen, Teile des Sportzentrums zu sanieren,
wenn georgische Partner, die Kommune und die staatliche Schulverwaltung,
ihren Anteil an der Sanierung erbringen.
Die Region rund um Achalziche ist selbst im wirtschaftsschwachen
Georgien noch deutlich schwächer strukturiert als der Rest
des Landes. Die Armee, die dem Landstrich während der Sowjetzeit
Funktion und Einkommen gesichert hat, ist abgezogen. Industrie
gibt es wenig, die Landwirtschaft kommt vom Kartoffelanbau abgesehen
über die Subsistenzwirtschaft kaum hinaus. Der Pipelinebau
spült jetzt zwar vorübergehend einiges an Geld in die
Region, ein dauerhaftes Einkommen ist für die Region mit
der Pipeline aber nicht zu erwarten. Deshalb kommt es für
World Vision darauf an, Jugendlichen neben Sprache und Sport auch
möglichst viele Informationen im Bereich Wirtschaft und Gesellschaft
mitzugeben. Auch darum will man sich in Achalziche kümmern.
Vielleicht, das ist das Ziel von World Vision, schält sich
aus der älteren Gruppe der betreuten Teenager dann der eine
oder andere Kandidat heraus, der geeignet ist, einen Mikro-Kredit
aus dem World-Vision-Programm aufzunehmen und damit in jungen
Jahren schon eine eigene geschäftliche Existenz aufzubauen.
Möglichkeiten bietet die Region ihrer Strukturschwäche
zum Trotz allemal. Neben dem Jugendzentrum und dem Kleinkredit-Programm
betreut World Vision in der Gegend von Achalziche auch ein Food-for-Work-Programm,
in dem dörfliche Gemeinschaften mit Lebensmitteln entlohnt
werden, wenn sie in Eigenarbeit die dörfliche Infrastruktur
im Straßenbau oder der Bewässerung verbessern. Im Zusammenspiel
der drei Programm erhofft sich World Vision einen effektiven Einsatz
der Hilfsgelder, die teilweise aus eigenen Mitteln, also Spendengeldern,
stammen oder aus öffentlichen Programmen wie dem der Europäischen
Kommission, für die World Vision als Implementierungs-Organisation
auftritt. Nach dem erfolgreichen Start des Jugendzentrums Achalziche
sollen die drei anderen jetzt zügig in Angriff genommen werden.
|