Parlamentswahlen am 28. März
Droht ein Einparteien-Parlament?
Der Ausgang der Wiederholungswahl für das georgische Parlament
steht eine Woche vor dem Urnengang bereits fest. Etwas anderes
als ein überwältigender Erfolg der Rosen-Koalition Saakschwili-Schwania-Burdschanadse,
die in der Partei "Nationale Bewegung-Demokraten"
antritt, ist nicht zu erwarten. Ja es ist sogar fraglich, ob es
einer anderen Partei überhaupt gelingen wird, die 7-%-Barriere
zu überwinden.
Trotzdem wird es im Prinzip kein Ein-Parteien-Parlament geben,
da bereits 85 der 235 Abgeordneten über die gültigen
Direktwahlen in den 75 Wahlkreisen des Landes und zehn Plätzen
für die Exil-Abchasen feststehen. Unter ihnen befinden sich
Abgeordnete anderer Parteien, aber auch viele Unabhängige.
Sie werden jedoch, sollte das derzeitige Regierungsbündnis
am kommenden Sonntag alle noch ausstehenden 150 Sitze gewinnen,
kaum etwas an der Tatsache ändern können, dass die Regierung
über eine stabile Mehrheit von mehr als 2/3 der Parlamentsmitglieder
verfügen wird.
Die spannende Frage, wie lange diese große Koalition, die
in vielem an die frühere Bürgerunion Schewardnadses
erinnert, halten kann, wird sich dann in den nächsten Jahren
erst beantworten lassen. Im Vorfeld der Nominierungen zeigten
sich erhebliche Risse zwischen Saakaschwili und Schwania auf der
einen und Nino Burdschanadse auf der anderen Seite. Die Parlamentspräsidentin
muss sich angesichts der Dominanz der "Männerfreunde"
Mischa und Surab an den Rand der Ereignisse gedrängt fühlen.
Sie gilt als eine Ausstiegskandidatin aus der Dreier-Rosen-Koalition,
hat aber bisher jeden Eindruck, zur Opposition wechseln zu wollen,
vermieden. Allerdings fällt auf, dass bei der Vereinigung
der Parteien "Burschanadse-Demokraten" und der "Nationalen
Bewegung" Saakaschwilis zur neuen Partei :"Nationale
Bewegung - Demokraten" der Anteil Nino Burdschanadses
unter den Tisch fiel. Die Parlamentspräsidentin, die viel
zum Sympathiesieg der Rosenrevolution beigetragen hat, war mit
der Platzierung ihrer Kandidaten auf der Liste der neuen Partei
nicht zufrieden.
Vollkommen unvorhersehbar ist das Abschneiden der "Partei
der Nationalen Wiedergeburt", die Partei des adscharischen
Führers Aslan Abaschidse. War sie bisher durch die manipulierten
sozialistischen Wahlergebnisse aus Adscharien dank des Bevölkerungsanteils
Adschariens automatisch immer im Parlament, dürfte - einigermaßen
faire Wahlen in Adscharien vorausgesetzt - diese Position ins
Wanken geraten. Der Abschied der Aslan-Partei aus dem georgischen
Parlament erscheint nicht ausgeschlossen, was wirklich eine Zäsur
in der jungen georgischen Demokratie bedeutet. Denn Aslan hatte
sich zur Absicherung seiner feudalen Machtbasis am schwarzen Meer
stets eine Sperr-Minorität im georgischen Parlament zusammen
gemogelt. In Tbilissi regierte er damit immer irgendwie mit, obwohl
er - jeweils auf Platz eins seiner Liste gewählt - das georgische
Parlament niemals betreten hat.
Ein großes Fragezeichen steht auch hinter dem Abschneiden
der "Arbeiterpartei" Schalwa Natelaschwilis,
die lange Zeit als die einzige Oppositionspartei gegen die Schewardnadse-Administration
galt und bei den Kommunalwahlen im Mai 2002 in Tbilissi das georgische
Establishment mit einem Traumergebnis schockte. Im November galt
Natelaschwili noch als einer der Favoriten der Parlamentswahl
und wurde etwa gleichauf mit Saakaschwilis "Nationaler Bewegung"
geführt. Während der "Rosen-Revolution", bei
der Natelaschwili durch Abwesenheit glänzte, ist seine Partei
zweifelsohne ins Hintertreffen geraten. Natelaschwili hatte die
Revolution als ein abgekartetes Spiel der politischen Kräfte
um Schewardnadse gewertet und die Rechtmäßigkeit der
neuen Regierung bestritten. Langjährige Beobachter der politischen
Szene sehen in ihm den eigentlichen Verlierer der Entwicklung
der Parteien-Landschaft in den letzten drei Jahren. Hätte
die Bürgerunion Schewardnadses mit Saakaschwili und Schwania
als Reform orientierten Nachfolgern des alten Fuchses gehalten,
dann wäre ein Siegeszug Natelaschwilis kaum aufzuhalten gewesen.
Denn die Stimmung gegen die Schewardnadse-Regierung war dermaßen
massiv, dass kaum jemand aus dem Schatten des großen Meisters
heraus in der Lage gewesen wäre, Wahlen zu gewinnen. Am 28.
März wird sich entscheiden, ob Natelaschwili noch eine politische
Zukunft hat. Allzu groß sind seine Chancen nicht. Die Arbeiterpartei
ist auf dem populistischen linken Spektrum anzusiedeln.
Auf der rechten haben sich die beiden Wirtschaftsparteien "Industrialisten"
und "Neue Rechte" nach der Machtübernahme durch
Saakaschwili zu einem Wahlblock "Industrialisten-Novas"
zusammengeschlossen. Die beiden Frontmänner sind Gogi Topadse,
der Bierkönig, und Davit Gamkrelidse, Gründer der Versicherungsgesellschaft
"Aldagi". Beide stehen für einen wirtschaftsfreundlichen
Kurs, fordern schon seit Jahren eine Änderung der Steuergesetze
und haben die "revolutionären" Ereignisse des vergangenen
Winters mit einiger Distanz beobachtet. Bei den November-Wahlen
waren Topadses Industrialisten wie die Neuen Rechten von Davit
Gamkrelidse in den Umfragen bei 5 - 7 % gehandelt worden. An dieser
Einschätzung dürfte sich auch für diesen Urnengang
nicht viel geändert haben. Beobachter zweifeln, ob es den
vereinten Rechtsparteien gelingen wird, bei diesem Urnengang die
7-%-Hürde zu überwinden.
Den zahlreichen übrigen Parteien und Wählerblocks werden
kaum nennenswerte Chancen auf einen Einzug ins Parlament eingeräumt,
zumal die finanziellen Ressourcen nach dem Kraftakt des letzten
Novembers aufgebraucht sind. Die meisten Parteien finanzieren
sich von den Zuschüssen einzelner Sponsoren, eine staatliche
Parteien-Finanzierung oder ein starkes Beitragsaufkommen durch
Mitglieder gibt es in Georgien nicht. Die Parteien sind auch in
aller Regel mehr Netzwerk- oder Clan-Parteien, weniger Programm-Parteien.
Eine Materialschlacht, wie sie Georgien im November vergangenen
Jahres erlebt hatte, findet offensichtlich nicht statt.
Eine Parteien-Neugründung mit dem Namen "Freiheit"
machte in den letzten Tagen auf sich aufmerksam, wenngleich auch
dieser nur wenige Chancen eingeräumt werden, die 7-%-Barriere
zu überwinden. Der älteste Sohn des früheren Präsidenten
Gamsachurdia, Konstantin Gamsachurdia, steht an der Spitze dieser
Liste. Er lebte die letzten zehn Jahre im politischen Asyl in
der Schweiz und kam erst am Mittwoch in seine Heimat zurück,
um in einer Eineinhalb-Wochen-Kampagne für seinen Einzug
ins georgische Parlament zu kämpfen.
Alle anderen Parteien und Wählerblocks können unter
ferner liefen oder auch folkloristischen Aspekten abgelegt werden.
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