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Ausgabe 04/04
17. März
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Burgfrieden in Batumi
Wie lange hält die Übereinkunft Saakschwili-Abaschidse?

So schnell lösen sich große Krisen in Georgien in Luft auf und in "volles gegenseitiges Verständnis", wie Michael Saakaschwili das Ergebnis seines vierstündigen Tete-a-tetes mit Aslan Abaschidse beurteilte. Am Tag zuvor hatte Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse noch in einem siebenstündigen Verhandlungs-Marathon den halsstarrigen Adscharen weich geknetet und die Voraussetzungen für ein Treffen des georgischen Präsidenten mit dem Regionalfürsten geschaffen. Ihre Ankündigung, die Gespräche zwischen den beiden Kontrahenten würden noch härter werden als die zwischen ihr und dem Adscharen haben sich anscheinend jedoch nicht bewahrheitet.

Nimmt man die offiziellen Ergebnisse 1:1, bleibt unverständlich, warum die beiden in der letzten Woche die Drohkulissen haben aufbauen müssen, mit denen sie das Land zumindest in den Augen internationaler Beobachter an den Rand einer bewaffneten Auseinandersetzung getrieben haben. Denn der eigentliche Konflikt zwischen Tbilissi und Batumi, zwischen Saakschwili und Abaschidse, der darin besteht, dass für Abaschidse kein Platz mehr ist, will Saakaschwili seine Versprechen nach Reformen im ganzen Land einlösen, ist nicht einmal ansatzweise geklärt, zumindest nicht in den Vereinbarungen, die Abaschidse und Saakaschwili der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben.

Trotzdem erklärte Saakaschwili in staatsmännischer Pose, die keine Frage nach dem eigentlichen Sieger des Tages aufkommen lassen sollte, alle wichtigen Fragen seien besprochen und einvernehmlich gelöst worden. Analysiert man die bekannt gegebenen Ergebnisse, so muss sich einem der Eindruck aufdrängen, dass die wahren Kontroversen hinter den Kulissen dieser Einigung weiter versteckt wurden und nicht mehr als ein Kompromiss mit kurzer Halbwertzeit und höchst möglichem Gesichtswahrungsfaktor für beide Seiten gefunden wurde, um zumindest die Wahlen am 28.3 unter einigermaßen akzeptablen Bedingungen abhalten zu können. Alles andere hätte die internationale Staatengemeinschaft nicht akzeptieren können.

Der georgische Präsident wird einen ständigen Vertreter in der Autonomen Republik Adscharien installieren, der zusammen mit den lokalen Behörden die Situation am georgisch-türkischen Zoll von Sarpi und im Hafen von Batumi kontrollieren soll. Er soll die Zentralregierung in Tbilissi mit Informationen über die Geschehnisse am Zoll versorgen und eine "volle Transparenz der Zolleinnahmen" garantieren. Vor dem Treffen mit Abaschidse hatte Saakaschwili noch die volle Kontrolle über die Operationen des Zolls in Sarpi und Batumi gefordert. Jetzt macht man das eben gemeinsam, und wie die Zolleinnahmen, über die der Adschare bisher nach Belieben verfügte, aufgeteilt werden, ist zumindest den offiziellen Statements nicht zu entnehmen.

Die ultimative Forderung Saakaschwilis nach einer Freilassung aller in Adscharien aus politischen Gründen Inhaftierten - darunter hauptsächlich Angehörige der Saakaschwili nahe stehenden Opposition "Unser Adschara" - wurde in der Übereinkunft aufgelöst, dass der Generalstaatsanwalt von Georgien eine Gruppe von Ermittlern nach Batumi entsendet, die zusammen mit den dortigen Kollegen die entsprechenden Fälle überprüfen.

Die von Abaschidse in den letzten Tagen mit Waffen versorgten Teile der adscharischen Bevölkerung sollen entwaffnet werden, um den Rechtsstaat in Georgien, vor allem auch auf dem Gebiet Adschariens, wieder herzustellen. Von der Auflösung der lokalen Sicherheitsministerien ist anscheinend keine Rede mehr.

Darüber hinaus versicherten sich beide Seiten, freie Wahlen durchführen zu wollen, die Bewegungsfreiheit der Menschen zu garantieren und allen Parteien die Chancen der Wahlwerbung.

Für diese Übereinkunft hob Saakaschwili noch in der Nacht verhängte Blockade über die Schwarzmeer-Provinz auf, ließ sich in den Tbilisser Medien als der große Sieger der Auseinandersetzung feiern, mischte sich noch schnell TV-gerecht unters adscharische Wählervolk, bevor er von Batumi aus direkt zu einer internationalen Konferenz nach Bratislava entschwand. Abaschidse verabschiedete seinen Präsidenten persönlich auf dem Flughafen, der von diesem wenige Tage zuvor noch geschlossen worden war. Saakaschwili hatte sich allerdings erst eine persönliche Geste abringen müssen und erklären, er habe keine persönliche Auseinandersetzung mit dem adscharischen Führer, den er am Vorabend noch als einen mittelalterlichen Feudalisten bezeichnet hatte. Über die vom georgischen Generalstaatsanwalt vorgelegte Liste von Gefolgsleuten Abaschidses, denen schwere Straftaten zur Last gelegt wurden, war in der plötzlichen Übereinkunft der beiden Matadore keine Rede mehr. Die "am meisten Gesuchten" Verdächtigen der adscharischen Administration entziehen sich unter dem Schutz Abaschidses anscheinend weiter jeglicher Strafverfolgung.

So kann man getrost davon ausgehen, dass die Konfrontation zwischen Abaschidse und der georgischen Regierung noch lange nicht beendet ist, wenngleich der Adschare durch den anscheinend wirksamen Wirtschaftsboykott und die internationalen Reaktionen erstmals zu Zugeständnissen gezwungen wurde. Vor allem die klare Aussage Russlands, sich nicht auf seine Seite zu schlagen und eine neutrale Position einzunehmen, dürfte den Ausschlag für ein Einlenken gegeben haben. Mit der russischen Garnison von Batumi als Drohpotential, unter Schewardnadse regelmäßig mit viel Erfolg eingesetzt, wird der Adschare künftig verzichten müssen. Zu Beginn der aktuellen Adscharienkrise hatten deutsche Kommentatoren noch darüber spekuliert, ob Moskau Batumi nicht nur mit Worten sondern auch mit Waffen helfen werde (Welt-Kommentar vom 17.3.).

An der Position Russlands hat auch die von vielen falsch eingeschätzte Mission des Moskauer Bürgermeisters wenig geändert. Klar wurde im Verlauf der Krise, dass es sich dabei um eine private Angelegenheit Juri Lutschkows handelte ohne jeden offiziellen Auftrag. Saakschwili hatte vor seiner Reise nach Adscharien eine Vermittlung durch Lutschkow mit brüsken Formulierungen abgelehnt, den Russen dann aber nach seinem Treffen mit Abaschidse doch noch zu einem Gespräch empfangen. Die Reaktion Saakaschwilis auf dieses Gespräch erhellt dabei einiges der Hintergründe seiner Batumi-Verhandlungen: Mit kaum unterdrücktem Sarkasmus erklärte der Präsident, er habe ein vergnügliches Gespräch mit dem Moskauer Politiker gehabt. Worum es in diesem vergnüglichen Gespräch gegangen ist, wurde nicht bekannt. Bekannt ist aber, dass dem Moskauer Kommunalpolitiker große wirtschaftliche Interessen in der Adscharien nachgesagt werden. Seine "Bruderschaft" mit Aslan Abaschids, deretwegen er dem Adscharen in seinen schwersten Stunden beistehen wollte, dürften somit durchaus handfeste Gründe haben, die fernab der offiziellen Moskauer Außenpolitik zu suchen sind. Lutschkow war in der Begleitung des ebenfalls mit Abaschidse befreundeten russischen Geschäftsmannes Gary Luchensky nach Adscharien gekommen, durfte aber - vor allem im von Aslan Abaschidse kontrollierten adscharischen TV - bedeutungsschwangere Statements über die Verantwortung Tbilissis für die Zuspitzung der Krise um Adscharien abgeben.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich Saakschwili vor seiner Reise in die adscharische Provinz noch mit Badri Patakatsischwili getroffen hatte, jenem georgisch-russischen Finanz-Tycoon, der in Russland steckbrieflich gesucht wird. Patakatsischwili hatte zwar zunächst erklärt, das Thema Adscharien nicht besprochen zu haben, er sei ja schließlich Geschäftsmann und kein Politiker. Kurze Zeit später wird er aber in den Agenturen mit der Forderung zitiert, die Adscharien-Krise so schnell als möglich zu beenden. Es waren an der Lösung dieser Krise anscheinend doch mehr Leute aus der georgisch-adscharisch-russischen Wirtschaftsszene beteiligt als in der öffentlichen Wahrnehmung erkennbar.

Die Frage bleibt allerdings, wie lange der Burgfrieden zwischen Tbilissi und Batumi halten kann, genauer gesagt, wann die Zeit Abaschidses endgültig abgelaufen sein wird. Premierminister Schwania erklärte denn auch in einem TV-Interview, die Zentralregierung habe keine Garantien bekommen, dass der adscharische Führer seinen totalitären Regierungsstil tatsächlich ändern wolle. Deshalb sehen politische Beobachter dem Wahlergebnis in Adscharien mit besondererm Interesse entgegen. Werden die Wahlen wirklich frei abgehalten und trauen sich die Adscharen, ihrem absolutistischen Fürsten an der Wahlurne zu zeigen, welchen Rückhalt er wirklich in der eigenen Bevölkerung hat, dann könnte es sein, dass das nächste und vielleicht abschließende Kapitel dieser unendlichen Geschichte bald geschrieben wird.

Michael Saakaschwili genoss zunächst einmal seinen Erfolg, der seinem Ruf als starkem und furchtlosen Mann sicherlich dient, und ließ sich - TV-gerecht, wie immer - an mehreren Plätzen Adschariens von seinen Anhängern feiern, die sich vor Wochen noch nicht in die Öffentlichkeit trauten. Das adscharische Fernsehen zeigte dagegen nur Aslan-treue Demonstranten, die Saakschwili bei seinem Eintreffen vor dem Obersten Rat der Autonomen Republik mit "Babu-Babu"-Rufen begrüßten. Die neue Freundschaft der beiden Rivalen hat sich noch nicht in allen TV-Stationen herumgesprochen.


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