Der Besuch des georgischen Staatspräsidenten Saakaschwili in
Moskau wird nicht nur in den georgischen Medien als überwiegend
positiv bewertet. Auch in Moskau, wo man der Rosen-Revolution und
ihren Machern eher reserviert gegenüber stand, hat der neue
Mann von der Kura anscheinend einen guten Eindruck hinterlassen.
Jedenfalls sprach Putins außenpolitischer Berater Sergej Prichodko
nach dem außergewöhnlich langen Vieraugengespräch
zwischen den beiden Präsidenten von Saakaschwili als "einem
Partner, mit dem man offen und an der Sache orientiert reden kann."
Fürs erste, so lassen alle Auguren durchscheinen, hat sich
Saakaschwili in Moskau wohl bestens eingeführt. Ob und wie
lange diese positive Stimmung anhält, wird sich zeigen. Beim
ersten Treffen Putin-Saakschwili wurde naturgemäß keines
der Probleme zwischen den beiden Ländern gelöst. Offensichtlich
ist jedoch, dass sich die Atmosphäre zwischen den beiden Ländern
spürbar entspannt hat. Putin will schon im Herbst nach Georgien
kommen und dann den seit langer Zeit ausstehenden Rahmenvertrag
über die Beziehungen der beiden Länder unterschreiben.
Geschickt hat Saakaschwili den Gesprächen jegliche Spitze
genommen, als er ankündigte, das Reizthema Nr. 1, der Rückzug
der russischen Truppen aus den georgischen Stützpunkten,
müsse nicht sofort gelöst werden. Klar sei, dass diese
Militärstützpunkte auch für Russland keinen militärischen
Nutzen brächten und nur der Psychologie wegen aufrecht gehalten
würden. Deshalb könne man sich ganz sicher zu einem
späteren Zeitpunkt über den Rückzug einigen. Keinen
Zweifel ließ Saakaschwili allerdings an der Tatsache, dass
Russland seine Istanbuler OSZE-Verpflichtungen erfüllen und
die Militärbasen abziehen müsse. Als Hintergrund der
neuen georgischen Geschmeidigkeit in dieser Frage kann auch vermutet
werden, dass dieses Thema bereits im Vorfeld des Treffens von
Außenministern Powell und Iwanow übernommen wurde.
Russland fordert für seinen Rückzug finanzielle Entschädigungen,
die vom klammen georgischen Finanzminister ohnehin nicht aufzubringen
sind. Da wird schon Amerika einspringen müssen, was ja bereits
angekündigt wurde. Und damit, so scheint es, sind die Georgier
in dieser Frage kaum mehr als Zuschauer. So muss es Saakaschwili
nicht allzu schwer gefallen sein, die Luft aus diesem Ballon abzulassen,
wobei er seinen Gastgebern zusicherte, dass nach Verlassen der
Militärbasen kein neuer ausländischer Nutzer dort einziehen
werde. Ähnliches muss auch Colin Powell wenige Tage zuvor
in Moskau versichert haben, womit eine der größten
Befürchtungen Russlands ausgeräumt werden konnte. Dort
sah man nämlich schon jede Menge an US-Boys in den Startlöchern
sitzen, sollten Moskau seine Mannen zurückgeholt haben.
Geschickt zeigte sich Saakaschwili als ein Freund des großen
Bruders im Norden des Kaukasus: "Ich sage es ganz offen,
ich bin hierher gekommen, um Freundschaft zu schließen",
sagte er jedem, der es vernehmen wollte, und löste damit
eine von Stunde zu Stunde spürbar positivere Berichterstattung
in den russischen Medien aus. Russland sei eine große Macht,
gab er zunächst einmal artig zu Protokoll, und Georgien ein
kleines Land. "Aber wir haben unsere eigenen Interessen,
unseren Stolz und unsere Geschichte", fügte er zur Warnung
vor allzu nostalgischem russischen Großmachtgehabe hinzu.
Putin gab die Druschba-Beschwörungen mit der Bemerkung zurück,
Rußland sei bereit, Georgien "praktisch in allen Fragen
entgegenzukommen". Das gelte sowohl für die Schulden
Georgiens, die man restrukturieren wolle, als auch in der Frage
der Energieversorgung. Ein dezenter Wink mit dem Zaunpfahl, denn
Putin weiß zu gut, auf welchen Feldern der Georgier mangels
eigener Stärke kaum auftrumpfen kann. Putin erinnerte seinen
Gast daran, dass Moskau die Energielieferungen fortgesetzt habe,
obwohl 160 Millionen $ offen stünden, und auch daran, dass
Russland Handelspartner Nr. 1 des Kaukasus-Landes sei.
Geschickt warb Saakaschwili deshalb um russische Investitionen
in Georgien. Das Land brauche dringend russisches Kapital und
Management, wenn es wirtschaftlich gesunden wolle. Dabei versprach
der Präsident, sich persönlich für die Sicherheit
russischer Investitionen einzusetzen und jedes einzelne Investment
genau zu verfolgen.
Um all diese Probleme zu lösen, dürfe man sich nicht
von den Konflikt-Themen Abchasien und Süd-Ossetien zu sehr
beeinflussen lassen, erklärte Saakaschwili diplomatisch,
ließ sich aber vom Standpunkt, dass beide Gebiete unverzichtbarer
Bestandteil Georgiens seien nicht abbringen. Beide Präsidenten
beschlossen, das Suchumi-Abkommen von Schewardnadse und Putin
mit seinen verschiedenen Arbeitsgruppen wieder in Gang zu setzen.
Dabei geht es um die Rückführung georgischer Flüchtlinge
in die Gali-Region im Gegenzug für eine Wiederbelebung des
Eisenbahnverkehrs zwischen Russland und Georgien. Ob damit auch
wirklich realistische Ansätze zur Lösung des Abchasienproblems
gefunden wurden, wird sich erst zeigen. Auch Schewardnadse war
nach seinem Sotschi-Treffen mit Putin guter Dinge, musste sich
später dann aber eines besseren belehren lassen.
Auch beim Thema tschetschenische Grenze kam Saakaschwili seinen
russischen Gesprächspartnern verbal entgegen. Beide Länder
hätten dieselben Interessen an sicheren Grenzen, die nicht
von bewaffneten Gruppen ständig verletzt würden. Gemeinsame
Grenzkontrollen sollen das Problem lösen. In diesem Bereich
habe sein Vorgänger schwere Fehler begangen, räumte
Saakaschwili auch in öffentlichen Interviews und Stellungnahmen
ein. Natürlich konnte es Saakaschwili in diesem Zusammenhang
nicht lassen, sich deutlich von Eduard Schewardnadse zu distanzieren,
den man in Moskau wegen seiner Verantwortung für die Auflösung
des Warschauer Paktes ohnehin kaum leiden konnte. Er sei nicht
wie sein Vorgänger, erklärte er, der eines sagte, das
andere dachte und ein drittes schließlich machte.
Auch in der russischen Öffentlichkeit machte Saakaschwili
eindeutig Punkte gut. Während eines Radio-Interviews erklärten
70 % der Zuhörer, die sich an einer Befragung beteiligten,
sie glaubten, dass der neue georgische Präsident ernsthaft
an einer Verbesserung der Beziehungen zu Russland interessiert
sei. Den Menschen in Russland hatte er vorher schon mitgeteilt,
ihr meist kritisches Bild vom heutigen Georgien entspringe nicht
der Realität sondern vielmehr der einseitigen Darstellung
in den russischen Medien.
Die erste Hürde im langen Rennen um eine Verbesserung der
georgisch-russischen Beziehungen hat Saakaschwili mit Bravour
genommen. Bis zum Ziel, einer wirklichen Freundschaft zwischen
Moskau und Tbilissi stehen allerdings noch viele weiteren Hürden
auf der Strecke. Es wird wohl mehr an Putin und an der politischen
Großwetterlage zwischen den USA und Russland liegen, ob
der sportliche Draufgänger von der Kura, der sich in Moskau
durchaus diplomatisch geschickt präsentierte, noch weitere
Hürden wird nehmen können.
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