"Ich wäre glücklich, wenn die Leute in zwei Jahren
sagen könnten, der Davitaschwili hat ja nur Blödsinn geredet."
Dieses Fazit von Koba Davitaschwili nach einem knapp zweistündigen
Gespräch gibt die allgemeine Stimmungslage unter den Intellektuellen
des Landes wieder. Noch will niemand dem Rosen-Trio schlechte Absichten
unterstellen. Aber die Verfassungsänderungen, am vergangenen
Freitag in einer parlamentarischen Nacht- und Nebelaktion durchgepaukt,
lassen viele Freunde von Michael Saakaschwili, Surab Schwania und
Nino Burdschanadse nahezu verzweifeln. Dazu kommen die Vorgänge
in den georgischen Fernseh-Programmen, wo zeitgleich eine ganze
Reihe zeitkritischer Live-Diskussionen, zu Schewardnadse-Zeiten
Tummelplatz von Opposition und NGO's, vom Bildschirm verschwanden.
Und niemand will dazu den Befehl gegeben haben
Koba Davitaschwili, der selbst urplötzlich aus einer Live-Sendung
ausgeladen wurde, nachdem er seine Kritik an der Verfassungsreform
öffentlich gemacht hatte, hat seine Konsequenzen gezogen.
Der frühere politische Sekretär der Nationalen Bewegung
und enger Mitstreiter Saakaschwilis hat den Bettel hingeworfen
und die Nationale Bewegung verlassen. Kurz vor den Novemberwahlen
hatte er für seinen Parteichef noch die Prügel der adscharischen
Polizei auf sich gezogen. In den letzten Jahren hat er für
die Ablösung der in Korruption und Unfähigkeit verkrusteten
Schewardnadse-Regierung gekämpft. Jetzt befindet sich wieder
in der Opposition.
Es gäbe zwei Gründe, die allerdings in engem Zusammenhang
stehen, erklärt Koba, von Beruf Jurist, in einem Gespräch
mit deutschen Journalisten: einmal die Änderung der Verfassung,
dann der Versuch, die Nationale Bewegung und die Neuen Demokraten
zu einer Partei zusammen zu legen. Letzteres ist vorerst einmal
gescheitert ist, aber es bleibt die Verfassungsänderung,
die nicht nur für Koba keinen Schritt in Richtung Demokratie
bedeutet. Im Gegenteil: In seinen Augen ist dies eine Verfassung
für ein autoritäres Regime, das sich jederzeit in eine
Diktatur umwandeln kann. "Wir sind abhängig von der
Vernunft bestimmter Personen" sagt Koba Davitaschwili und
er sagt auch, dass es nicht gut sei für einen Mann, wenn
ihm zuviel Rechte zugestanden würden. Ob er diese Position
wegen seiner intimen Kenntnisse der handelnden Personen so klar
formuliert, bleibt offen. Aber später sagt er, dass er bereits
in den letzten Jahren intern nie ein Blatt vor den Mund genommen
habe, was ihm nicht immer gut bekommen sei. Und er sagt auch noch,
dass kaum eine Partei so einen wie ihn, so einen unbequemen, haben
wolle. Und der Zuhörer kann sich aus all den Mosaiksteinchen
sein eigenes Bild vom inneren Zustand der Demokratie in Georgien
machen.
Die Verfassungsreform, über die seit Jahren diskutiert wird,
sollte Georgien eine parlamentarische Demokratie bringen. Für
Koba Davitaschwili ist jetzt das Gegenteil erreicht: "Das
Parlament ist faktisch außer Kraft gesetzt, der Präsident
kann ihm seinen Willen aufzwingen." Das mache auch die kommende
Parlamentswahl mehr oder weniger fragwürdig. Auf die Frage,
warum das Rosen-Trio vor diesen Wahlen, die ihm ohne jeden Zweifel
einen überwältigenden Wahlsieg bescheren werden, diese
Verfassungsänderung vorgenommen habe, weiß Koba keine
Antwort. Es ist ohnehin schwer, jetzt so "über Freunde
reden zu müssen". Zwar versichere die derzeitige Führung,
die Verfassung orientiere sich am französischen Modell. Für
Koba geht es aber nicht nur um den Buchstaben der Verfassung.
"Frankreich hat eine große liberal-demokratische Tradition",
die den Präsidenten ebenso verpflichte wie die Verfassung.
In einem Land wie Georgien, das als einziges Regelwerk den gesetzlichen
Nihilismus kenne, müssten liberal-demokratische Werte auch
in den Text der Verfassung eingebaut sein, wenn sie sich im Alltag
bewähren sollten. Nach der "Potemkinschen Demokratie
des Eduard Schewardnadse" sieht Koba Davitaschwili das Land
jetzt in eine autoritäres Regime a la Putin oder Zentralasien
abdriften statt in eine parlamentarische Demokratie mit einem
ausgewogenen System von "check and balances" der Gewalten.
Nach dem jetzigen System bestehe der einzige Ausgleich der Mächte
im Verhältnis des Präsidenten zum Premierminister.
Und daran will Davitaschwili nicht mitwirken. Im Gegenteil. Lieber
will er sich später einmal vorwerfen lassen, zur Unzeit Blödsinn
geredet als geschwiegen zu haben, wobei er insbesondere in Richtung
Europa schaut. Diese Regierung brauche dringend Warnsignale aus
dem Ausland, vor allem aus Europa. "Amerika geht mit solchen
Fragen immer sehr pragmatisch um. Die Amerikaner haben ja auch
keine Probleme mit einer Demokratie a la Alijew". Dass er
deshalb so deutlich seine Stimme erhebt, kann man getrost auch
mit dieser Motivation in Zusammenhang bringen. Während die
Rosen-Revolutionäre weltweit wegen ihres gewaltlosen Umsturzes
gefeiert werden, sind sie für Koba Davitaschwili zu Hause
dabei, einen Teil ihrer früheren Ziele zu verraten. Natürlich
hat Koba noch einige Hoffnung, dass bei den Regierenden die Vernunft
der Selbstbeschränkung die Oberhand behält. Aber mit
der kaukasischen genetischen Ausstattung der Spezies Politiker
sieht er mit dieser Verfassung eben enorme Probleme auf das Land
zukommen. Und niemand soll sagen, da war nicht einer, der rechtzeitig
gewarnt hätte. Verständlich, dass kaum eine Partei solch
einen Eigenbrötler verkraften kann. Dem georgischen Parlament
aber wird er zumindest für die nächsten vier Jahre erhalten
bleiben. Koba Davitaschwili gewann das Direktmandat in Gldani
(Stadtteil und Wahlbezirk von Tbilissi).
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