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Ausgabe 03/04
18. Februar
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"Ich wäre glücklich, wenn die Leute in zwei Jahren sagen könnten, der Davitaschwili hat ja nur Blödsinn geredet." Dieses Fazit von Koba Davitaschwili nach einem knapp zweistündigen Gespräch gibt die allgemeine Stimmungslage unter den Intellektuellen des Landes wieder. Noch will niemand dem Rosen-Trio schlechte Absichten unterstellen. Aber die Verfassungsänderungen, am vergangenen Freitag in einer parlamentarischen Nacht- und Nebelaktion durchgepaukt, lassen viele Freunde von Michael Saakaschwili, Surab Schwania und Nino Burdschanadse nahezu verzweifeln. Dazu kommen die Vorgänge in den georgischen Fernseh-Programmen, wo zeitgleich eine ganze Reihe zeitkritischer Live-Diskussionen, zu Schewardnadse-Zeiten Tummelplatz von Opposition und NGO's, vom Bildschirm verschwanden. Und niemand will dazu den Befehl gegeben haben……

Koba Davitaschwili, der selbst urplötzlich aus einer Live-Sendung ausgeladen wurde, nachdem er seine Kritik an der Verfassungsreform öffentlich gemacht hatte, hat seine Konsequenzen gezogen. Der frühere politische Sekretär der Nationalen Bewegung und enger Mitstreiter Saakaschwilis hat den Bettel hingeworfen und die Nationale Bewegung verlassen. Kurz vor den Novemberwahlen hatte er für seinen Parteichef noch die Prügel der adscharischen Polizei auf sich gezogen. In den letzten Jahren hat er für die Ablösung der in Korruption und Unfähigkeit verkrusteten Schewardnadse-Regierung gekämpft. Jetzt befindet sich wieder in der Opposition.

Es gäbe zwei Gründe, die allerdings in engem Zusammenhang stehen, erklärt Koba, von Beruf Jurist, in einem Gespräch mit deutschen Journalisten: einmal die Änderung der Verfassung, dann der Versuch, die Nationale Bewegung und die Neuen Demokraten zu einer Partei zusammen zu legen. Letzteres ist vorerst einmal gescheitert ist, aber es bleibt die Verfassungsänderung, die nicht nur für Koba keinen Schritt in Richtung Demokratie bedeutet. Im Gegenteil: In seinen Augen ist dies eine Verfassung für ein autoritäres Regime, das sich jederzeit in eine Diktatur umwandeln kann. "Wir sind abhängig von der Vernunft bestimmter Personen" sagt Koba Davitaschwili und er sagt auch, dass es nicht gut sei für einen Mann, wenn ihm zuviel Rechte zugestanden würden. Ob er diese Position wegen seiner intimen Kenntnisse der handelnden Personen so klar formuliert, bleibt offen. Aber später sagt er, dass er bereits in den letzten Jahren intern nie ein Blatt vor den Mund genommen habe, was ihm nicht immer gut bekommen sei. Und er sagt auch noch, dass kaum eine Partei so einen wie ihn, so einen unbequemen, haben wolle. Und der Zuhörer kann sich aus all den Mosaiksteinchen sein eigenes Bild vom inneren Zustand der Demokratie in Georgien machen.

Die Verfassungsreform, über die seit Jahren diskutiert wird, sollte Georgien eine parlamentarische Demokratie bringen. Für Koba Davitaschwili ist jetzt das Gegenteil erreicht: "Das Parlament ist faktisch außer Kraft gesetzt, der Präsident kann ihm seinen Willen aufzwingen." Das mache auch die kommende Parlamentswahl mehr oder weniger fragwürdig. Auf die Frage, warum das Rosen-Trio vor diesen Wahlen, die ihm ohne jeden Zweifel einen überwältigenden Wahlsieg bescheren werden, diese Verfassungsänderung vorgenommen habe, weiß Koba keine Antwort. Es ist ohnehin schwer, jetzt so "über Freunde reden zu müssen". Zwar versichere die derzeitige Führung, die Verfassung orientiere sich am französischen Modell. Für Koba geht es aber nicht nur um den Buchstaben der Verfassung. "Frankreich hat eine große liberal-demokratische Tradition", die den Präsidenten ebenso verpflichte wie die Verfassung. In einem Land wie Georgien, das als einziges Regelwerk den gesetzlichen Nihilismus kenne, müssten liberal-demokratische Werte auch in den Text der Verfassung eingebaut sein, wenn sie sich im Alltag bewähren sollten. Nach der "Potemkinschen Demokratie des Eduard Schewardnadse" sieht Koba Davitaschwili das Land jetzt in eine autoritäres Regime a la Putin oder Zentralasien abdriften statt in eine parlamentarische Demokratie mit einem ausgewogenen System von "check and balances" der Gewalten. Nach dem jetzigen System bestehe der einzige Ausgleich der Mächte im Verhältnis des Präsidenten zum Premierminister.

Und daran will Davitaschwili nicht mitwirken. Im Gegenteil. Lieber will er sich später einmal vorwerfen lassen, zur Unzeit Blödsinn geredet als geschwiegen zu haben, wobei er insbesondere in Richtung Europa schaut. Diese Regierung brauche dringend Warnsignale aus dem Ausland, vor allem aus Europa. "Amerika geht mit solchen Fragen immer sehr pragmatisch um. Die Amerikaner haben ja auch keine Probleme mit einer Demokratie a la Alijew". Dass er deshalb so deutlich seine Stimme erhebt, kann man getrost auch mit dieser Motivation in Zusammenhang bringen. Während die Rosen-Revolutionäre weltweit wegen ihres gewaltlosen Umsturzes gefeiert werden, sind sie für Koba Davitaschwili zu Hause dabei, einen Teil ihrer früheren Ziele zu verraten. Natürlich hat Koba noch einige Hoffnung, dass bei den Regierenden die Vernunft der Selbstbeschränkung die Oberhand behält. Aber mit der kaukasischen genetischen Ausstattung der Spezies Politiker sieht er mit dieser Verfassung eben enorme Probleme auf das Land zukommen. Und niemand soll sagen, da war nicht einer, der rechtzeitig gewarnt hätte. Verständlich, dass kaum eine Partei solch einen Eigenbrötler verkraften kann. Dem georgischen Parlament aber wird er zumindest für die nächsten vier Jahre erhalten bleiben. Koba Davitaschwili gewann das Direktmandat in Gldani (Stadtteil und Wahlbezirk von Tbilissi).


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