Während Michael Saakaschwili in Deutschland noch Befürchtungen
äußerte, im neuen Parlament Georgiens könnte die
für eine Demokratie dringend benötigte Opposition zu schwach
repräsentiert sein, hat das neue Regierungslager längst
eine innenpolitische Frontbegradigung vollzogen. Surab Schwania
und Michael Saakaschwili wollen ihre beiden Parteien - "Nationale
Bewegung" und "Vereinigte Demokraten" - zu einer
gemeinsamen Partei zusammenzuführen: Elefantenhochzeit. Einen
überwältigenden Erfolg bei den Parlamentswahlen im März
vorausgesetzt, woran kaum jemand zweifelt, hätten beide wieder
das parlamentarische Mehrheits- und Machtinstrument, das sie vor
drei Jahren schon einmal besaßen, diesmal aber ohne die alten
Betonköpfe und Apparatschicks der Schewardnadse-Fraktion.
Kritiker sprechen bereits davon, die Bürgerunion - "selbstgereinigt"
durch interne Machtkämpfe, Zerschlagung und revolutionären
Machtwechsel - feiere eine Art Wiederauferstehung in neuer Formation,
unter neuem Label und unter Ausschluss bzw. Wegschluss einiger
Leute, die, nach innen wie nach außen, niemandem mehr als
einigermaßen anständige Regierungsleute zu vermitteln
waren. Und die Revolution, die weltweit den Eindruck eines wirklichen
Machtwechsels zu vermitteln verstand, reduziere sich im Nachhinein
auf nichts anderes als eine mittlere Palastrevolution, blendend
inszeniert und exzellent verkauft.
Dass dieses Manöver nicht ganz ohne Verwerfungen abgehen
wird, zeigt sich an ersten Reaktionen aus dem neuen Regierungslager.
So hat Koba Davitaschwili, immerhin der politische Sekretär
von Saakaschwilis Nationaler Bewegung erklärt, er werde die
Partei verlassen, wenn diese Vereinigung mit Schwanias Demokraten
zustande käme. Schwania warf er vor, während der vergangenen
Jahre für viele Fehlentscheidungen im Lande verantwortlich
zu sein. Davitaschwili erklärte auch seinen Widerstand gegen
die zwischen Saakaschwili, Schwania und Nino Burdschanadse ausgehandelten
Verfassungsänderungen, die einzig und alleine den Zweck verfolgten,
Schwania zum Premierminister zu machen. Es sei für ihn nicht
akzeptabel, "Schwanias Partei-Knecht" zu sein.
Kritik an den geplanten Verfassungsänderungen, kam auch
von Co-Autorin Nino Burdschanadse persönlich, die mittlerweile
wieder ihren angestammten Platz als Parlamentspräsidentin
eingenommen hat. Für sie sind die Verfassungsänderungen
"nicht ideal" und unter anderen politischen Umständen
als den derzeitigen hätte sie diesem Gesetzesentwurf nie
zugestimmt. Soweit Saakaschwili und Schwania bislang durchblicken
ließen, sollen die Rechte und Pflichten von Regierung und
Parlament gleichzeitig gestärkt werden. Das Parlament erhält
das recht, die Regierung mit 3/5 seiner Stimmen jederzeit und
ohne Begründung entlassen zu können. Dafür erhält
die Regierung die zentrale exekutive Verantwortung. Trotzdem bleibe
die Haupt-Verantwortung für alle Entwicklungen im Lande beim
Präsidenten. Wie dies alles bewerkstelligt werden soll, ist
bislang nur den Autoren und damit dem Dreigestirn der Revolution
bekannt. In ein paar Tagen schon sollen die entsprechenden Gesetzesentwürfe
vom Präsidenten im Parlament eingebracht werden. Verfassungsänderungen
werden in Georgien wohl ebenso unkonventionell und rasch bewerkstelligt
wie die Einführung neuer Staatssymbole.
Ärger gibt es auch zwischen Nino Burdschanadse und dem neuen
stellvertretenden Innenminister Peter Tsiskarischwili (Nationale
Bewegung). Tsiskarischwili war jetzt auf Vorschlag Saakaschwilis
berufen worden, während seine Interims-Vorgängerin Nino
Burdschanadse eben jene Berufung zu Ihrer "Präsidialzeit"
nicht gegenzeichnen wollte, anscheinend um einen Verwandten auf
diesem Posten nicht zu gefährden. Tsiskarischwili rächte
sich denn jetzt auch mit massiven Vorwürfen gegen Burdschanadses
Mann, zu Schewardnadses Zeiten noch stellvertretender Generalstaatsanwalt.
Burdschanadse giftete dagegen und wurde prompt von Michael Saakaschwili
zurückgepfiffen, der sich hinter seinen Vertrauensmann im
Innenministerium stellte. Die Solidarität der Rosen-Revolutionäre
scheint die politische Existenz des gemeinsamen Feindbildes Schewardnadse
nicht lange zu überdauern.
Dafür fühlen sich neuerdings wieder Leute umworben,
die man längst auf dem politischen Altenteil vermutete. Nemo
Burchuladse, einer der Führer der "Nationalen Union
für Konsens und Gerechtigkeit" erklärte, seine
Partei werde die Einladung von "Nationaler Bewegung"
und "Vereinigten Demokraten" überlegen, bei den
kommenden Parlamentswahlen Vertreter auf der Regierungsliste kandidieren
zu lassen. Burchuladse war während der Gamsachurdiazeit Parlamentssprecher
und setzt sich jetzt vor allem für eine Amnestie für
noch inhaftierte Anhänger Gamsachurdias ein. Die Suche nach
sicheren neuen Wähler-Mehrheiten scheint in vollem Gange.
Und wieder ist es das gemeinsame Feindbild Schewardnadse, das
diese Gruppierungen einigt. Unter Schewardnadses Regierung, so
Burchuladse, sei eine Kandidatur seiner Leute auf einer Mehrheitswahlliste
der Regierung unmöglich gewesen. Jetzt aber
Noch
wenig Struktur ist bei den Oppositionsparteien zu erkennen, bei
denen noch immer um die richtige Formierung verhandelt wird. Aber
zu Hause wird sich Michael Saakaschwili wohl weniger Sorgen um
das Wohl der Opposition machen als bei den Freunden im fernen
Europa.
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