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Ausgabe 02/04
4. Februar


Michael Saakaschwili hatte bei seinem Berlin-Besuch in der deutschen Presse einen guten Einstand. Er hat dabei aber auch Erwartungen an seine Amtsführung geweckt, an die er sich in ein paar Jahren schon wird erinnern lassen müssen. Als Beispiel stellen wir hier einen Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom30. Januar in Netz.

hoi./Lt. BERLIN, 30. Januar. Der neue georgische Präsident Saakaschwili hat am Freitag in Berlin für verstärkte Investitionen in seinem Land geworben. "Voraussetzungen dafür sind Stabilität, der Kampf gegen die Korruption und ein effizientes Steuersystem", sagte Saakaschwili im Gespräch mit dieser Zeitung. Von den georgischen Wählern, die bei der Abstimmung Anfang Januar zu mehr als neunzig Prozent für ihn stimmten, habe er den klaren Auftrag erhalten, im Land "aufzuräumen" und die Korruption und Mißwirtschaft zu beenden, die unter seinem Vorgänger Schewardnadse verbreitet waren. Als Beweis für sein rasches, hartes Vorgehen berichtete Saakaschwili unter anderem von dem stellvertretenden Vorsitzenden der Steuerbehörde, Chakanaschwili, der am Vortag von der Polizei wegen der Veruntreuung von umgerechnet rund 227 000 Euro verhaftet worden war. Der Vorsitzende des georgischen Fußballverbands, Schordania, sei nun hingegen wieder auf freien Fuß gesetzt worden - nachdem er jene mehr als 300 000 Euro, die er veruntreut hatte, in die Staatskasse zurückzahlte. Auch der ehemalige Energieminister Mirtschulawa und der Vorsitzende der staatlichen Bahn Tschkaidse seien in Haft. Mitte der Woche hatte Saakaschwili dem Parlament zudem einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die "Prozeduren für die Verhaftung jener Amtsträger, die der Korruption oder anderer Verbrechen verdächtigt sind, vereinfacht werden".

Saakaschwili gestand ein, daß die Bevölkerung hohe Erwartungen an seine Regierung habe. "Aber die Leute wissen: Die Dinge im Land liefen so schlecht, daß sie jetzt nur noch besser werden können." Wichtig sei, einen Stillstand der Reformen zu vermeiden und die Bevölkerung an den Veränderungen teilhaben zu lassen. Mit Zuversicht schaut Saakaschwili darum auch auf die Parlamentswahlen Ende März: "Die politische Elite unseres kleinen Landes ist völlig diskreditiert, sie genießt bei den Leuten kein Vertrauen mehr, so daß neue politische Kräfte entstehen können." Schon macht sich der georgische Präsident Sorgen darüber, die in jeder Demokratie wichtige Opposition könne im neuen Parlament zu schwach sein.

Mit Gesprächen, nicht mit Gewalt, will Saakschwili versuchen, die territoriale Integrität seines kleinen Landes im südlichen Kaukasus wiederherzustellen; dabei wünscht sich Saakaschwili stärkere internationale, auch europäische Unterstützung. Zugleich zeigte er sich dazu bereit, den abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien eine gewisse Autonomie zuzugestehen. "Aber es gibt eine Bedingung dafür: Sie müssen eingestehen, daß sie ein Teil Georgiens sind." Die Flüchtlinge müßten zurückkehren dürfen, der Schmuggel in den Gebieten unterbunden werden. Zu dem autonomen Gebiet Adscharien, das von dem moskautreuen Aslan Abaschidse beherrscht wird, äußerte Saakaschwili, auch dort werde er von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. So seien in der adscharischen Hauptstadt Batumi vor kurzem Zehntausende zu seiner Begrüßung auf die Straßen gegangen. Mit Abaschidse müsse freilich ein "Modus vivendi" gefunden werden. Schon gebe es erste Signale des Entgegenkommens aus Batumi: Die Kontrollpunkte an den Grenzen Adschariens würden entfernt und Steuern nach Tiflis überwiesen. Saakaschwili gab gleichwohl zu verstehen, daß er auf eine demokratische Abwahl Abaschidses hoffe.

Zur ersten Begegnung mit dem russischen Präsidenten Putin reist Saakaschwili am 11. Februar nach Moskau; die Unterredung wurde um vier Tage vorverlegt. Saakaschwili sagte, er sei sich wohl bewußt, daß Georgien für Rußland "eine Herzensangelegenheit" sei, er hoffe aber doch, "daß dabei auch der Verstand eine Rolle spielt". Er sieht Verhandlungsspielraum dort, wo auch die Russen Interesse an einem stabilen Georgien haben müßten, etwa bei der Sicherung der Grenze gegen terroristische Aktivitäten. Der georgische Präsident hält dabei fest an der Forderung, daß Rußland die beiden Militärbasen in Georgien zu räumen habe und dabei nicht auf materielle Entschädigung hoffen könne. Den Russen sei versichert worden, daß ihre Sorge gegenstandslos sei, dort könnten Nato-Truppen stationiert werden. Saakaschwili äußerte, die Basen seien militärisch ohne Bedeutung. Gegenwärtig stellten sie keine Bedrohung dar. Sie bedeuteten für Georgien aber eine Beschränkung der Souveränität, da sie generell als Fundament einer russischen Intervention dienen könnten. Daher müßten sie aufgegeben werden. Unterhalb dieser russischen Präsenz seien alle Formen der gemeinsamen Sicherheitskooperation denkbar, gemeinsame Patrouillen an den georgischen Grenzen etwa oder auch Informationsaustausch in Sicherheitsangelegenheiten.

Als dringende Aufgaben nannte Saakaschwili die Rückkehr Georgiens in die Programme des Internationalen Währungsfonds und die Aufnahme in das Nachbarschaftsprogramm der EU. Saakaschwili sagte, die georgische Wirtschaft könne ausländischen Investoren gut ausgebildete Arbeiter zu konkurrenzlos günstigen Löhnen bieten; auch auf dem Tourismus ruhten Hoffnungen. Die zügige Annäherung nicht nur an die Nato, sondern vor allem auch an die EU, verbunden mit der Aussicht auf Handelserleichterungen, sei für Georgien nötig, damit nicht die Handelsbeziehungen, die das Land jetzt schon zu mittel- und osteuropäischen EU-Beitrittsländern unterhalte, etwa zu den baltischen Staaten, nach deren Aufnahme in die Union im Mai unvermittelt abgeschnitten würden. Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul stellte dem georgischen Präsidenten am Freitag zur Stärkung der georgischen Wirtschaft und zur Korruptionsbekämpfung Mittel in Höhe von 26 Millionen Euro in Aussicht. Bundeskanzler Schröder versprach Saakaschwili zudem die Entsendung von Fachleuten zum Aufbau des Zollsystems und der Ausbildung von Diplomaten.

Auch wenn die Vereinigten Staaten die neue georgische Führung finanziell im großen Umfang unterstützen und militärische Berater in das Land entsandten, ist Saakaschwili überzeugt, daß die EU "der große Partner" Georgiens werden muß. Er sagte, es sei den besonderen Beziehungen Georgiens zu Deutschland geschuldet, daß er seinen ersten Auslandsbesuch in Berlin abstatte; das diene auch dem Zweck, der georgischen Bevölkerung zu zeigen, daß die bekannte Freundschaft zu Deutschland nicht von der Person des einstigen Staatspräsidenten Schewardnadse abhänge, wie dieser es oft weiszumachen versucht habe.


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