Michael Saakaschwili hatte bei seinem Berlin-Besuch in der deutschen
Presse einen guten Einstand. Er hat dabei aber auch Erwartungen
an seine Amtsführung geweckt, an die er sich in ein paar Jahren
schon wird erinnern lassen müssen. Als Beispiel stellen wir
hier einen Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom30.
Januar in Netz.
hoi./Lt. BERLIN, 30. Januar. Der neue georgische Präsident
Saakaschwili hat am Freitag in Berlin für verstärkte
Investitionen in seinem Land geworben. "Voraussetzungen dafür
sind Stabilität, der Kampf gegen die Korruption und ein effizientes
Steuersystem", sagte Saakaschwili im Gespräch mit dieser
Zeitung. Von den georgischen Wählern, die bei der Abstimmung
Anfang Januar zu mehr als neunzig Prozent für ihn stimmten,
habe er den klaren Auftrag erhalten, im Land "aufzuräumen"
und die Korruption und Mißwirtschaft zu beenden, die unter
seinem Vorgänger Schewardnadse verbreitet waren. Als Beweis
für sein rasches, hartes Vorgehen berichtete Saakaschwili
unter anderem von dem stellvertretenden Vorsitzenden der Steuerbehörde,
Chakanaschwili, der am Vortag von der Polizei wegen der Veruntreuung
von umgerechnet rund 227 000 Euro verhaftet worden war. Der Vorsitzende
des georgischen Fußballverbands, Schordania, sei nun hingegen
wieder auf freien Fuß gesetzt worden - nachdem er jene mehr
als 300 000 Euro, die er veruntreut hatte, in die Staatskasse
zurückzahlte. Auch der ehemalige Energieminister Mirtschulawa
und der Vorsitzende der staatlichen Bahn Tschkaidse seien in Haft.
Mitte der Woche hatte Saakaschwili dem Parlament zudem einen Gesetzentwurf
vorgelegt, mit dem die "Prozeduren für die Verhaftung
jener Amtsträger, die der Korruption oder anderer Verbrechen
verdächtigt sind, vereinfacht werden".
Saakaschwili gestand ein, daß die Bevölkerung hohe
Erwartungen an seine Regierung habe. "Aber die Leute wissen:
Die Dinge im Land liefen so schlecht, daß sie jetzt nur
noch besser werden können." Wichtig sei, einen Stillstand
der Reformen zu vermeiden und die Bevölkerung an den Veränderungen
teilhaben zu lassen. Mit Zuversicht schaut Saakaschwili darum
auch auf die Parlamentswahlen Ende März: "Die politische
Elite unseres kleinen Landes ist völlig diskreditiert, sie
genießt bei den Leuten kein Vertrauen mehr, so daß
neue politische Kräfte entstehen können." Schon
macht sich der georgische Präsident Sorgen darüber,
die in jeder Demokratie wichtige Opposition könne im neuen
Parlament zu schwach sein.
Mit Gesprächen, nicht mit Gewalt, will Saakschwili versuchen,
die territoriale Integrität seines kleinen Landes im südlichen
Kaukasus wiederherzustellen; dabei wünscht sich Saakaschwili
stärkere internationale, auch europäische Unterstützung.
Zugleich zeigte er sich dazu bereit, den abtrünnigen Regionen
Abchasien und Südossetien eine gewisse Autonomie zuzugestehen.
"Aber es gibt eine Bedingung dafür: Sie müssen
eingestehen, daß sie ein Teil Georgiens sind." Die
Flüchtlinge müßten zurückkehren dürfen,
der Schmuggel in den Gebieten unterbunden werden. Zu dem autonomen
Gebiet Adscharien, das von dem moskautreuen Aslan Abaschidse beherrscht
wird, äußerte Saakaschwili, auch dort werde er von
der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. So seien in
der adscharischen Hauptstadt Batumi vor kurzem Zehntausende zu
seiner Begrüßung auf die Straßen gegangen. Mit
Abaschidse müsse freilich ein "Modus vivendi" gefunden
werden. Schon gebe es erste Signale des Entgegenkommens aus Batumi:
Die Kontrollpunkte an den Grenzen Adschariens würden entfernt
und Steuern nach Tiflis überwiesen. Saakaschwili gab gleichwohl
zu verstehen, daß er auf eine demokratische Abwahl Abaschidses
hoffe.
Zur ersten Begegnung mit dem russischen Präsidenten Putin
reist Saakaschwili am 11. Februar nach Moskau; die Unterredung
wurde um vier Tage vorverlegt. Saakaschwili sagte, er sei sich
wohl bewußt, daß Georgien für Rußland "eine
Herzensangelegenheit" sei, er hoffe aber doch, "daß
dabei auch der Verstand eine Rolle spielt". Er sieht Verhandlungsspielraum
dort, wo auch die Russen Interesse an einem stabilen Georgien
haben müßten, etwa bei der Sicherung der Grenze gegen
terroristische Aktivitäten. Der georgische Präsident
hält dabei fest an der Forderung, daß Rußland
die beiden Militärbasen in Georgien zu räumen habe und
dabei nicht auf materielle Entschädigung hoffen könne.
Den Russen sei versichert worden, daß ihre Sorge gegenstandslos
sei, dort könnten Nato-Truppen stationiert werden. Saakaschwili
äußerte, die Basen seien militärisch ohne Bedeutung.
Gegenwärtig stellten sie keine Bedrohung dar. Sie bedeuteten
für Georgien aber eine Beschränkung der Souveränität,
da sie generell als Fundament einer russischen Intervention dienen
könnten. Daher müßten sie aufgegeben werden. Unterhalb
dieser russischen Präsenz seien alle Formen der gemeinsamen
Sicherheitskooperation denkbar, gemeinsame Patrouillen an den
georgischen Grenzen etwa oder auch Informationsaustausch in Sicherheitsangelegenheiten.
Als dringende Aufgaben nannte Saakaschwili die Rückkehr
Georgiens in die Programme des Internationalen Währungsfonds
und die Aufnahme in das Nachbarschaftsprogramm der EU. Saakaschwili
sagte, die georgische Wirtschaft könne ausländischen
Investoren gut ausgebildete Arbeiter zu konkurrenzlos günstigen
Löhnen bieten; auch auf dem Tourismus ruhten Hoffnungen.
Die zügige Annäherung nicht nur an die Nato, sondern
vor allem auch an die EU, verbunden mit der Aussicht auf Handelserleichterungen,
sei für Georgien nötig, damit nicht die Handelsbeziehungen,
die das Land jetzt schon zu mittel- und osteuropäischen EU-Beitrittsländern
unterhalte, etwa zu den baltischen Staaten, nach deren Aufnahme
in die Union im Mai unvermittelt abgeschnitten würden. Entwicklungsministerin
Wieczorek-Zeul stellte dem georgischen Präsidenten am Freitag
zur Stärkung der georgischen Wirtschaft und zur Korruptionsbekämpfung
Mittel in Höhe von 26 Millionen Euro in Aussicht. Bundeskanzler
Schröder versprach Saakaschwili zudem die Entsendung von
Fachleuten zum Aufbau des Zollsystems und der Ausbildung von Diplomaten.
Auch wenn die Vereinigten Staaten die neue georgische Führung
finanziell im großen Umfang unterstützen und militärische
Berater in das Land entsandten, ist Saakaschwili überzeugt,
daß die EU "der große Partner" Georgiens
werden muß. Er sagte, es sei den besonderen Beziehungen
Georgiens zu Deutschland geschuldet, daß er seinen ersten
Auslandsbesuch in Berlin abstatte; das diene auch dem Zweck, der
georgischen Bevölkerung zu zeigen, daß die bekannte
Freundschaft zu Deutschland nicht von der Person des einstigen
Staatspräsidenten Schewardnadse abhänge, wie dieser
es oft weiszumachen versucht habe.
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