Das waren noch Zeiten. Im vergangenen Sommer eröffnete die
georgische Eisenbahn ausgerechnet im ziemlich heruntergekommenen
Schwarzmeerbadeort Ureki einen futuristisch anmutenden neuen Bahnhof
und Akaki Chkhaidze konnte den Staatspräsidenten persönlich
zu diesem Ereignis begrüßen. Ureki, so Eduard Schewardnadse,
sei "ein zentraler Bestandteil einer neuen, modernen Infrastruktur
in Georgien". Gleich daneben hatte Finanz-Tycoon Badri Patarkatsischwili
eine mittelgroße Freilichtkneipe gebaut, der er den Namen
Imedi gab, Hoffnung. Akaki Chkhaidze war ein zentraler Bestandteil
des Netzwerkes an Clans, das Eduard Schewardnadse getragen hatte.
Heute, knapp ein halbes Jahr nach jener seltsamen Jubelfeier um
potemkinsche Dörfer und Infrastrukturen, sitzt Akaki Chkhaidze
in Haft. Unter der neuen Regierung hat die Generalstaatsanwaltschaft
urplötzlich genügend belastbares Material in ihren Aktenschränken
gefunden, um gegen den ehemaligen Eisenbahnboss zu ermitteln. Auch
gegen einige andere wichtige Stützen des Schewardnadse-Systems
sind Untersuchungsverfahren eröffnet worden. Der Kampf gegen
die Korruption beginnt mit der Jagd auf prominente Vertreter der
früheren Regierungsklasse. Chkhaidze, dem massive Steuerhinterziehungen
vorgeworfen werden, wurde gar in der adsharischen Hauptstadt Batumi
verhaftet, ohne dass Tbilissi zuvor die lokalen Behörden informiert
hätte.
Das Thema georgische Eisenbahn hat aber auch eine politische
Dimension, die in der aktuellen innenpolitischen Debatte kaum
in Erscheinung tritt. Seit Jahren drängen Weltbank und Internationaler
Währungsfond die georgische Regierung dazu, das Finanzgebaren
der staatseigenen Eisenbahn einer internationalen Wirtschaftsprüfung
zu unterziehen. Mit wenig Erfolg. Akaki Chkhaidze ist es immer
wieder gelungen, dies zu verhindern. Dasselbe gilt auch für
den Hafen in Poti und die Goldmine in Madneuli. Alle drei Unternehmen
gelten als durchaus profitabel, sind aber im Staatshaushalt nicht
unbedingt durch entsprechende Gewinnabführungen aufgefallen.
Die internationalen Finanzinstitutionen und Donorstaaten haben
schon vor einem Jahr weitere Finanzhilfen u.a. auch vom Ergebnis
der Wirtschaftsprüfung dieser drei Staatsunternehmen abhängig
gemacht. Die neuen Regierenden werden also noch etwas mehr zu
leisten haben als nur Ermittlungen und Verhaftungen von Prominenten,
wenn der Kampf gegen die Korruption von dauerhaftem Erfolg gekrönt
sein soll.
Vorerst wurde das Management der georgischen Eisenbahn ausgetauscht
und Akaki Chkhaidze durch einen jungen Juristen ersetzt, der aus
dem engeren Umfeld DSaakaschwilis stammt. Er habe zwar keine Erfahrung
im Transportgeschäft, sei allerdings stark genug, um sich
gegen die alten Machtstrukturen innerhalb der georgischen Eisenbahn
durchzusetzen, heißt es in Tbilissi. Unfreiwillige internationale
Aufmerksamkeit hatte die Eisenbahn vor zwei Jahren erreicht, als
in ihrem Fußballstadion beim EM-Qualifikationsspiel Georgien-Russland
die Notstromanlage ausfiel und das Spiel zur Halbzeit unterbrochen
werden musste. Das nagelneue Stadion, ein schmuckes Schatzkästchen,
hatte die Staatliche Eisenbahn finanziert. Die Internationalen
Wirtschaftsprüfer, die sich demnächst wohl in die Bücher
der Staatsbahn vertiefen werden, müssen wohl auch eine Antwort
auf die Frage finden, ob es Aufgabe einer staatlichen Eisenbahngesellschaft
sein kann, Fußballstadien zu bauen und zu unterhalten. Auch
zu der Frage Stromzahlungen besteht einiger Ermittlungsbedarf,
denn die georgische Eisenbahn hatte bis zum Anfang des Jahres
2003 keine Stromrechnung an den Energie-Großmarkt bezahlen
müssen. Ein nahezu undurchschaubares System an Inkasso- und
Schachtelverträgen hat dazu geführt, dass die Eisenbahn
im Gegenzug für die Übernahme von Forderungen des georgischen
Staates an Dritte kostenfrei mit elektrischer Energie beliefert
wurde. Zum Schaden vor allem für die Privatverbraucher und
Unternehmen, die ehrliche Stromzahlen waren. Sie mussten für
die Stromentnahme des Staatsunternehmen mit aufkommen. Erst mit
der Übernahme wichtiger Management-Posten in der georgischen
Stromwirtschaft durch internationale Consulting-Spezialisten konnte
dem fröhlichen Treiben ein Ende gesetzt werden. Seit Frühjahr
2003 ist auch die georgische Eisenbahn ein pünktlicher Stromzahler
geworden.
Neben den Eisenbahnchef sind auch der frühere Energieminister
David Mirtschulawa und der Vorsitzende des georgischen Fußballverbandes
Merab Dschordania inhaftiert, denen Veruntreuung von Geldern in
Millionenhöhe vorgeworfen wird. Der Fußballmanager
hat zwar schleunigst die Summe von 750.000 GEL an die Staatskasse
überwiesen. Der Staatsanwalt will es dabei aber nicht bewenden
lassen und ermittelt weiter. Dschordania bleibt vorerst in Haft.
Weniger Erfolg ist den Strafermittlern allerdings mit Lewan Mamaladze
beschieden, dem früheren Gouverneur von Nieder-Kartli und
ebenfalls engsten Vertrauten von Eduard Schewardnadse. Er hat
sich nach der Rosen-Revolution sicherheitshalber nach Moskau abgesetzt,
wo er angeblich an seiner Doktorarbeit in Sachen Jurisprudenz
zu arbeiten gedenkt. In Georgien wird er wegen Unterschlagung
im Zusammenhang mit der Goldmine Madneuli gesucht, die in seinem
früheren Beritt liegt. Ein Auslieferungsersuchen an Russland
soll gestellt werden, die Chancen erscheinen allerdings wenig
aussichtsreich, da Russland im Gegenzug die Auslieferung von Badri
Patarkatsischwili verlangt, der im Umfeld des Finanz-Jongleurs
Beresowski ein Milliardenvermögen machte und sich unter dem
Schutzschirm Eduard Schewardnadses in Georgien sicher wähnen
konnte. Anlässlich der Eröffnung seines touristischen
Hoffnungsdorfes in Ureki, bei dem auch der neue Bahnhof des heutigen
Untersuchungshäftlings Chkhaidze eingeweiht wurde, feierte
Eduard Schewardnadse Patarkatsischwili noch als ein leuchtendes
Beispiel für Bürgersinn und Engagement in einer offenen
Gesellschaft. Das waren noch Zeiten im Sommer vergangenen Jahres.
Michael Saakaschwili und Surab Schwania haben sich, soweit erkennbar,
zum Thema Patarkatsischwili bislang noch nicht geäussert.
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