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Ausgabe 01/04
21. Januar


Das waren noch Zeiten. Im vergangenen Sommer eröffnete die georgische Eisenbahn ausgerechnet im ziemlich heruntergekommenen Schwarzmeerbadeort Ureki einen futuristisch anmutenden neuen Bahnhof und Akaki Chkhaidze konnte den Staatspräsidenten persönlich zu diesem Ereignis begrüßen. Ureki, so Eduard Schewardnadse, sei "ein zentraler Bestandteil einer neuen, modernen Infrastruktur in Georgien". Gleich daneben hatte Finanz-Tycoon Badri Patarkatsischwili eine mittelgroße Freilichtkneipe gebaut, der er den Namen Imedi gab, Hoffnung. Akaki Chkhaidze war ein zentraler Bestandteil des Netzwerkes an Clans, das Eduard Schewardnadse getragen hatte. Heute, knapp ein halbes Jahr nach jener seltsamen Jubelfeier um potemkinsche Dörfer und Infrastrukturen, sitzt Akaki Chkhaidze in Haft. Unter der neuen Regierung hat die Generalstaatsanwaltschaft urplötzlich genügend belastbares Material in ihren Aktenschränken gefunden, um gegen den ehemaligen Eisenbahnboss zu ermitteln. Auch gegen einige andere wichtige Stützen des Schewardnadse-Systems sind Untersuchungsverfahren eröffnet worden. Der Kampf gegen die Korruption beginnt mit der Jagd auf prominente Vertreter der früheren Regierungsklasse. Chkhaidze, dem massive Steuerhinterziehungen vorgeworfen werden, wurde gar in der adsharischen Hauptstadt Batumi verhaftet, ohne dass Tbilissi zuvor die lokalen Behörden informiert hätte.

Das Thema georgische Eisenbahn hat aber auch eine politische Dimension, die in der aktuellen innenpolitischen Debatte kaum in Erscheinung tritt. Seit Jahren drängen Weltbank und Internationaler Währungsfond die georgische Regierung dazu, das Finanzgebaren der staatseigenen Eisenbahn einer internationalen Wirtschaftsprüfung zu unterziehen. Mit wenig Erfolg. Akaki Chkhaidze ist es immer wieder gelungen, dies zu verhindern. Dasselbe gilt auch für den Hafen in Poti und die Goldmine in Madneuli. Alle drei Unternehmen gelten als durchaus profitabel, sind aber im Staatshaushalt nicht unbedingt durch entsprechende Gewinnabführungen aufgefallen. Die internationalen Finanzinstitutionen und Donorstaaten haben schon vor einem Jahr weitere Finanzhilfen u.a. auch vom Ergebnis der Wirtschaftsprüfung dieser drei Staatsunternehmen abhängig gemacht. Die neuen Regierenden werden also noch etwas mehr zu leisten haben als nur Ermittlungen und Verhaftungen von Prominenten, wenn der Kampf gegen die Korruption von dauerhaftem Erfolg gekrönt sein soll.

Vorerst wurde das Management der georgischen Eisenbahn ausgetauscht und Akaki Chkhaidze durch einen jungen Juristen ersetzt, der aus dem engeren Umfeld DSaakaschwilis stammt. Er habe zwar keine Erfahrung im Transportgeschäft, sei allerdings stark genug, um sich gegen die alten Machtstrukturen innerhalb der georgischen Eisenbahn durchzusetzen, heißt es in Tbilissi. Unfreiwillige internationale Aufmerksamkeit hatte die Eisenbahn vor zwei Jahren erreicht, als in ihrem Fußballstadion beim EM-Qualifikationsspiel Georgien-Russland die Notstromanlage ausfiel und das Spiel zur Halbzeit unterbrochen werden musste. Das nagelneue Stadion, ein schmuckes Schatzkästchen, hatte die Staatliche Eisenbahn finanziert. Die Internationalen Wirtschaftsprüfer, die sich demnächst wohl in die Bücher der Staatsbahn vertiefen werden, müssen wohl auch eine Antwort auf die Frage finden, ob es Aufgabe einer staatlichen Eisenbahngesellschaft sein kann, Fußballstadien zu bauen und zu unterhalten. Auch zu der Frage Stromzahlungen besteht einiger Ermittlungsbedarf, denn die georgische Eisenbahn hatte bis zum Anfang des Jahres 2003 keine Stromrechnung an den Energie-Großmarkt bezahlen müssen. Ein nahezu undurchschaubares System an Inkasso- und Schachtelverträgen hat dazu geführt, dass die Eisenbahn im Gegenzug für die Übernahme von Forderungen des georgischen Staates an Dritte kostenfrei mit elektrischer Energie beliefert wurde. Zum Schaden vor allem für die Privatverbraucher und Unternehmen, die ehrliche Stromzahlen waren. Sie mussten für die Stromentnahme des Staatsunternehmen mit aufkommen. Erst mit der Übernahme wichtiger Management-Posten in der georgischen Stromwirtschaft durch internationale Consulting-Spezialisten konnte dem fröhlichen Treiben ein Ende gesetzt werden. Seit Frühjahr 2003 ist auch die georgische Eisenbahn ein pünktlicher Stromzahler geworden.

Neben den Eisenbahnchef sind auch der frühere Energieminister David Mirtschulawa und der Vorsitzende des georgischen Fußballverbandes Merab Dschordania inhaftiert, denen Veruntreuung von Geldern in Millionenhöhe vorgeworfen wird. Der Fußballmanager hat zwar schleunigst die Summe von 750.000 GEL an die Staatskasse überwiesen. Der Staatsanwalt will es dabei aber nicht bewenden lassen und ermittelt weiter. Dschordania bleibt vorerst in Haft.

Weniger Erfolg ist den Strafermittlern allerdings mit Lewan Mamaladze beschieden, dem früheren Gouverneur von Nieder-Kartli und ebenfalls engsten Vertrauten von Eduard Schewardnadse. Er hat sich nach der Rosen-Revolution sicherheitshalber nach Moskau abgesetzt, wo er angeblich an seiner Doktorarbeit in Sachen Jurisprudenz zu arbeiten gedenkt. In Georgien wird er wegen Unterschlagung im Zusammenhang mit der Goldmine Madneuli gesucht, die in seinem früheren Beritt liegt. Ein Auslieferungsersuchen an Russland soll gestellt werden, die Chancen erscheinen allerdings wenig aussichtsreich, da Russland im Gegenzug die Auslieferung von Badri Patarkatsischwili verlangt, der im Umfeld des Finanz-Jongleurs Beresowski ein Milliardenvermögen machte und sich unter dem Schutzschirm Eduard Schewardnadses in Georgien sicher wähnen konnte. Anlässlich der Eröffnung seines touristischen Hoffnungsdorfes in Ureki, bei dem auch der neue Bahnhof des heutigen Untersuchungshäftlings Chkhaidze eingeweiht wurde, feierte Eduard Schewardnadse Patarkatsischwili noch als ein leuchtendes Beispiel für Bürgersinn und Engagement in einer offenen Gesellschaft. Das waren noch Zeiten im Sommer vergangenen Jahres. Michael Saakaschwili und Surab Schwania haben sich, soweit erkennbar, zum Thema Patarkatsischwili bislang noch nicht geäussert.


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