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Ausgabe 21/03
24. Dezember


Georgien wählt wieder. Und während das Ergebnis bereits klar zu sein scheint, vorausgesetzt mehr als 50 % der registrierten Wählerinnen und Wähler erscheinen an den Wahlrunen, geht es auch bei dieser Wahl vor allem um die Frage der Glaubwürdigkeit des Wahlsystems an sich. Und da geht es jetzt im Vorfeld der Wahlen um genau dasselbe Problem wie am 2. November: Niemand weiß, wie viele Wahlberechtigten es im Lande wirklich gibt.

Der neue Chef der Zentralen Wahlkommission, Zurab Tschiaberaschwili, ist um seine Aufgabe wahrlich nicht zu beneiden. Nach dem 2. November hatte er als Präsident der Watchdog-NGO "Fair Elections" und heftigster Kritiker der manipulierten Parlamentswahlen noch vor dem Obersten Gerichtshof die Gültigkeit der Wahlen erfolgreich angefochten. Jetzt ist er selbst in der Verantwortung und kann beim besten Willen eine der zentralen Fragen dieser Wahlen nicht beantworten: Wie viele Wählerinnen und Wähler sind überhaupt wahlberechtigt? Da mindestens 50 % der Wahlberechtigten am Urnengang teilnehmen müssen, soll sein Ergebnis Rechtskraft erhalten, kommt dieser Frage eine zentrale Bedeutung zu.

Die alten Wählerlisten, die auf Dateien des Innenministeriums basieren, enthalten Hunderttausende "toter Seelen", während ebenfalls Hunderttausende von Bürgerinnen und Bürgern offensichtlich herausmanipuliert wurden. Ihnen konnte der neue Wahlorganisator nicht trauen. Neue amtliche Wählerverzeichnisse erstellen zu lassen, das war in der Kürze der Zeit unmöglich. Also verfiel die Zentrale Wahlkommission auf den Trick, die Wählerinnen und Wähler aufzufordern, sich noch in den letzten Tagen des vergangenen Jahres in den Wahllokalen selbst in die Wählerlisten einzuschreiben. 1,8 Millionen Menschen haben dies bis zum Stichtag getan. Bei der Novemberwahl war man anhand der offiziellen Wählerlisten von rund 3 Millionen Wahlberechtigten ausgegangen. Wer den Stichtag versäumt hat, kann sich am Wahltag noch mit einem gültigen Personaldokument im Wahllokal seines Wohnortes nachträglich registrieren lassen. Demnach kann der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission die genaue Zahl der Wahlberechtigten erst bekannt geben, wenn alle Wahllokale nach Schließen der Wahllokale die endgültige Zahl derer gemeldet haben, die sich registrieren ließen. Kein besonders sauberes Verfahren, aber, so die Zentrale Wahlkommission, das einzige, das in der Kürze der Zeit zu realisieren war, wenn man den verfassungsgemäßen Termin für die Neuwahl des Präsidenten einhalten wollte.

In der Zahl von rund 1,8 Millionen Wahlberechtigten ist allerdings die Schwarzmeerprovinz Adscharien nicht enthalten. Aslan Abaschidse, der zunächst die Wahlen gänzlich boykottieren wollte, hat sich vor allem auf Druck (oder soll man es Vermittlung nennen?) der USA zu spät dazu entschlossen, die Wahllokale doch öffnen zu lassen, als dass eine Registrierung der Wahlberechtigten möglich gewesen wäre. Somit wird das Ergebnis der Präsidentenwahl am 4. Januar wieder eine adscharische Spezialität aufweisen: Eine Wahlbeteiligung von nahezu 100 %, egal wie viele der Wählerinnen und Wähler tatsächlich zur Wahl gehen. Denn die Zentrale Wahlkommission kann entsprechend ihrem für diese Wahl angeordneten System nur die Wählerinnen und Wähler in Adscharien akzeptieren, die sich bis einschließlich Sonntag Abend registrieren lassen. Und das werden wohl nur diejenigen sein, die sich nicht um den Boykottaufruf der "Partei der demokratischen Wiedergeburt". Denn mit seiner Partei ist sich Aslan Abaschidse treu geblieben, sie nimmt an der Präsidentenwahl nicht teil.

Natürlich rechnet man damit, dass die Wiedergeburt versuchen wird, alle, die zur Wahl gehen wollen, irgendwie zu hindern oder unter Druck zu setzen. Somit kommt der adscharischen Wahlbeteiligung und dem Ergebnis eine besondere Bedeutung zu. Am adscharischen Wahlergebnis können Beobachter vor allem auch festmachen, wie stark die Opposition gegen den adscharischen Präsidenten Aslan Abaschidse und seinen Clan wirklich ist. Eine hohe Wahlbeteiligung wäre nichts anderes als eine schallende Ohrfeige für den selbstherrlichen Provinzherren.

So oder so: Das Wahlsystem, zu dem die Zentrale Wahlkommission keine Alternative sah, hat einen entscheidenden Haken: Wer sich nicht in das Wählerverzeichnis eintragen ließ, wird bei der Bestimmung der Zahl der Wahlberechtigten einfach nicht mitgezählt. Neben der Wiedergeburt hat auch die Arbeiterpartei dazu aufgerufen, die Wahlen zu boykottieren, insgesamt sind das - seriös geschätzt - alleine ein Drittel der Wählerinnen und Wähler vergangener Wahlen. Zusammen mit den ohnehin Politikverdrossenen und den überzeugten Anhängern der alten Regierung könnte das ausreichen, dem zu erwartenden Wahlsieg Michael Saakaschwilis einiges von dem Glanz zu nehmen, den er so gerne hätte. Das Erreichen einer Wahlbeteiligung von 50 % ist demnach das Hauptproblem des Kandidaten, wobei in einigen Wochen wohl niemand mehr über die Basis streiten wird, nach der diese Wahlbeteiligung berechnet wurde. Es sei denn, irgendjemand wird nach dem 4. Januar die Gerichte bemühen und diese Wahl anfechten. Denn so ganz nach den demokratischen Prinzipien, für die die Helden der Rosenrevolution eintreten, wird auch diese Wahl nicht ablaufen. Da aber alle, auch die ausländischen Wahlbeobachter, die wiederum zu Hunderten das Land überfallen, und vor allem die Donorstaaten Georgiens an einer endgültigen Bereinigung der georgischen Staatskrise und somit an einem legitim gewählten Präsidenten interessiert sind, wird man wohl oder übel alle Augen zudrücken, wenn es Saakaschwili tatsächlich schafft, eine Wahlbeteiligung von 50 % zu erreiche, wie auch immer diese errechnet wird.


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