|
|
|
|
|
|
|
|
The same procedure....
Es hat wieder mal nicht sollen sein. Oder: Das real existierende
georgische Chaos hat sich am Ende doch gegen alle wohlmeinenden
internationalen Ratschläge und technische Unterstützung
durchgesetzt. Die CEC - Central Election Commission - hat sich am
späten Sonntag Abend über alle gesetzlichen Vorschriften
hinweggesetzt und verfügt, dass bei den Parlamentswahlen am
2. November die Wählerlisten in jedem Wahllokal - wie bisher
üblich - von Hand geführt werden. Damit reagierte die
CEC auf die Tatsache, dass es ihm trotz der technischen Unterstützung
von IFES - International Foundation for Election Systems - (siehe:
Wie
sicher sind die Wählerlisten?) nicht gelungen war, rechtzeitig
endgültige Wählerlisten zu fertigen, die eine einigermaßen
vernünftige Durchführung dieser Wahlen ermöglichten.
Jetzt werden zunächst einmal die üblichen Schuldigen gesucht,
denn niemand will - the same procedure
. - Verantwortung für
das Debakel übernehmen. Und: Kaum jemand findet etwas dabei.
Jedenfalls waren sich nach Insider-Informationen, die GN gestern
erhielt, alle Parteien einig, es doch lieber noch einmal so zu machen
wie in den vergangenen Jahren und auf die feinen Mechanismen zu
verzichten, mit denen man doch Manipulationen vorzubeugen gedachte.
Am guten Willen hat`s ja nicht gemangelt, aber die Umstände
sind nun mal so
Das Hickhack begann mit der Veröffentlichung der vorläufigen
Wählerlisten. Mehrfach hatte die CEC den Stichtag für
Änderungsanträge verschoben, zuletzt bis zum 30. Oktober,
also drei Tage vor dem Urnengang. Trotzdem sprach Nana Devdariani,
die Vorsitzende der CEC in aller Öffentlichkeit davon, dass
man einen Ungenauigkeitsfaktor von bis zu 15 % einkalkulieren müsse.
Angesichts der Tatsache, etwa 15 % der Bürgern das ihnen verfassungsgemäß
zustehende Wahlrecht aus technischen Gründen versagen zu müssen,
hat man sich hinter den Kulissen wohl darauf verständigt, die
bisherigen vorläufigen Wählerverzeichnisse an die Wahllokale
auszuliefern und diesen dafür zu erlauben, Wählerinnen
und Wähler, die sich persönlich ausweisen können,
zusätzlich aufzunehmen. Die endgültigen Wählerverzeichnisse
müssen in den Wahllokalen von Hand geführt werden, die
vom Gesetz eigentlich vorgeschriebenen zentralen Wählerverzeichnisse
gibt es - zumindest für diesen Urnengang - nicht.
Der Hintergrund dieser Entscheidung ist darin zu suchen, dass in
den vorläufigen Wählerverzeichnissen einige Zehntausend
Wählerinnen und Wähler nicht aufgeführt wurden, während
gleichzeitig ebenso viele Menschen aufgeführt waren, die schon
längst gestorben sind. Ein Teil der fehlenden Wähler erklärt
sich auch mit der Diskrepanz zwischen Wohnort und polizeilicher
Registrierung. Viele, die schon seit Jahren in Tbilissi leben und
arbeiten, sind noch in ihren Dörfern in der Provinz registriert.
Bei den vergangenen Wahlen konnten sie am Wohnort unter Vorzeigen
eines gültigen Ausweises jederzeit in die handgeschriebene
Wählerliste aufgenommen werden. Dies hatte zu massiven Wahlfälschungen
geführt, da die Parteien ihre Wähler in Omnibussen von
Wahllokal zu Wahllokal gekarrt hatten, damit sie mehrfach abstimmen
konnten. Mit der Einführung des zentralisierten und computerisierten
Wählerverzeichnisses wollte man diesen Wahltourismus eigentlich
verhindern. Jetzt kann einzig und allein die Markierung der Daumennägel
mit einem Speziallack ein Mehrfach-Wählen verhindern, wenn
es den geübten georgischen Hintergrund-Regisseuren nicht doch
noch gelingt, auch diese Sicherheitssperre bis zum 2. November irgendwie
in Frage zu stellen.
Bei der Suche nach den Schuldigen wusch zunächst einmal der
Innenminister, aus dessen Haus die Wählerdaten für die
IFES-Computern stammen, seine Hände in Unschuld. Sein Ministerium
hätte der alten CEC, die erst im August diesen Jahres abgelöst
wurde, noch völlig akkurate Wählerlisten ausgehändigt.
Wie diese jetzt beim Übergang auf das neue CEC so fehlerhaft
geworden seien, entziehe sich seiner Kenntnis. Und außerdem
sei er für Fehler des alten CEC nicht verantwortlich. Die derzeitige
CEC-Vorsitzende Nana Devdariani schloss sich dem an und beklagte,
dass sie von ihrem Vorgänger jämmerlich im Stich gelassen
worden sei. Dieser wiederum wies ebenfalls jede Schuld von sich
und erklärte, der Innenminister sei wohl falsch interpretiert
worden. Der Vorgang liegt jetzt - the same procedure - beim Generalstaatsanwalt,
da unter anderem auch der Anti-Korruptionsrat Georgiens ein wohl
inszeniertes Täuschungsmanöver hinter der ganzen Geschichte
vermutet. Intensive Unersuchungen sind zugesagt, um den oder die
Schuldigen ausfindig zu machen. Votergate titeln die georgischen
Zeitungen, ob sie und die Öffentlichkeit jemals den Schuldigen
erfahren - the same procedure?
Mit dieser Entwicklung ist der von USAID mit rund 350.000 $ finanzierte
technische Service von IFES, ein zentrales Wählerregister aufzubauen,
nahezu wirkungslos geworden. Zumindest für diese Wahl. Bleibt
nur die Hoffnung, dass die Zeit bis zur Präsidentenwahl in
zwei Jahren ausreicht, die wesentlichen Fehlerquellen beim Erstellen
der Wählerlisten auszumerzen. Wenn nicht jetzt schon im Hintergrund
an den üblichen the-same-procedure-Szenarien gearbeitet wird.
Die amerikanische Botschaft, sonst immer am Ball, wenn es gilt,
demokratische Verfahren einzufordern oder undemokratische Auswüchse
zu kritisieren, hat sich zu dieser überraschenden Entwicklung
bisher offiziell noch nicht geäussert.
Silvana Puizina, die australische Chefin von IFES-Georgia, erklärte
- noch vor der jüngsten Entscheidung der CEC - einigermaßen
zufrieden: "Wir werden vielleicht nicht den Standard an Perfektion
erreichen, den die Bevölkerung für diese Wahlen erwartet.
Das ist ja ein langfristiges Projekt. Es war ein erster Schritt
und wir haben in der kurzen Zeit das Bestmögliche gemacht.
Ich hoffe, dass von Januar an eine sorgfältige Bereinigung
und Verifizierung der Wählerdaten erfolgt, die uns jetzt vorliegen."
Für den Urnengang am 2. November wurde IFES zunächst einmal
seiner Verantwortung für die technische Pflege und den Ausdruck
der Wählerlisten enthoben. Die Aufgabe hat das CEC direkt übernommen.
IFES denkt jetzt schon an die kommenden Präsidentenwahlen in
zwei Jahren. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|