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Ausgabe 17/03
29. Oktober


The same procedure....

Es hat wieder mal nicht sollen sein. Oder: Das real existierende georgische Chaos hat sich am Ende doch gegen alle wohlmeinenden internationalen Ratschläge und technische Unterstützung durchgesetzt. Die CEC - Central Election Commission - hat sich am späten Sonntag Abend über alle gesetzlichen Vorschriften hinweggesetzt und verfügt, dass bei den Parlamentswahlen am 2. November die Wählerlisten in jedem Wahllokal - wie bisher üblich - von Hand geführt werden. Damit reagierte die CEC auf die Tatsache, dass es ihm trotz der technischen Unterstützung von IFES - International Foundation for Election Systems - (siehe: Wie sicher sind die Wählerlisten?) nicht gelungen war, rechtzeitig endgültige Wählerlisten zu fertigen, die eine einigermaßen vernünftige Durchführung dieser Wahlen ermöglichten. Jetzt werden zunächst einmal die üblichen Schuldigen gesucht, denn niemand will - the same procedure …. - Verantwortung für das Debakel übernehmen. Und: Kaum jemand findet etwas dabei. Jedenfalls waren sich nach Insider-Informationen, die GN gestern erhielt, alle Parteien einig, es doch lieber noch einmal so zu machen wie in den vergangenen Jahren und auf die feinen Mechanismen zu verzichten, mit denen man doch Manipulationen vorzubeugen gedachte. Am guten Willen hat`s ja nicht gemangelt, aber die Umstände sind nun mal so……

Das Hickhack begann mit der Veröffentlichung der vorläufigen Wählerlisten. Mehrfach hatte die CEC den Stichtag für Änderungsanträge verschoben, zuletzt bis zum 30. Oktober, also drei Tage vor dem Urnengang. Trotzdem sprach Nana Devdariani, die Vorsitzende der CEC in aller Öffentlichkeit davon, dass man einen Ungenauigkeitsfaktor von bis zu 15 % einkalkulieren müsse. Angesichts der Tatsache, etwa 15 % der Bürgern das ihnen verfassungsgemäß zustehende Wahlrecht aus technischen Gründen versagen zu müssen, hat man sich hinter den Kulissen wohl darauf verständigt, die bisherigen vorläufigen Wählerverzeichnisse an die Wahllokale auszuliefern und diesen dafür zu erlauben, Wählerinnen und Wähler, die sich persönlich ausweisen können, zusätzlich aufzunehmen. Die endgültigen Wählerverzeichnisse müssen in den Wahllokalen von Hand geführt werden, die vom Gesetz eigentlich vorgeschriebenen zentralen Wählerverzeichnisse gibt es - zumindest für diesen Urnengang - nicht.

Der Hintergrund dieser Entscheidung ist darin zu suchen, dass in den vorläufigen Wählerverzeichnissen einige Zehntausend Wählerinnen und Wähler nicht aufgeführt wurden, während gleichzeitig ebenso viele Menschen aufgeführt waren, die schon längst gestorben sind. Ein Teil der fehlenden Wähler erklärt sich auch mit der Diskrepanz zwischen Wohnort und polizeilicher Registrierung. Viele, die schon seit Jahren in Tbilissi leben und arbeiten, sind noch in ihren Dörfern in der Provinz registriert. Bei den vergangenen Wahlen konnten sie am Wohnort unter Vorzeigen eines gültigen Ausweises jederzeit in die handgeschriebene Wählerliste aufgenommen werden. Dies hatte zu massiven Wahlfälschungen geführt, da die Parteien ihre Wähler in Omnibussen von Wahllokal zu Wahllokal gekarrt hatten, damit sie mehrfach abstimmen konnten. Mit der Einführung des zentralisierten und computerisierten Wählerverzeichnisses wollte man diesen Wahltourismus eigentlich verhindern. Jetzt kann einzig und allein die Markierung der Daumennägel mit einem Speziallack ein Mehrfach-Wählen verhindern, wenn es den geübten georgischen Hintergrund-Regisseuren nicht doch noch gelingt, auch diese Sicherheitssperre bis zum 2. November irgendwie in Frage zu stellen.

Bei der Suche nach den Schuldigen wusch zunächst einmal der Innenminister, aus dessen Haus die Wählerdaten für die IFES-Computern stammen, seine Hände in Unschuld. Sein Ministerium hätte der alten CEC, die erst im August diesen Jahres abgelöst wurde, noch völlig akkurate Wählerlisten ausgehändigt. Wie diese jetzt beim Übergang auf das neue CEC so fehlerhaft geworden seien, entziehe sich seiner Kenntnis. Und außerdem sei er für Fehler des alten CEC nicht verantwortlich. Die derzeitige CEC-Vorsitzende Nana Devdariani schloss sich dem an und beklagte, dass sie von ihrem Vorgänger jämmerlich im Stich gelassen worden sei. Dieser wiederum wies ebenfalls jede Schuld von sich und erklärte, der Innenminister sei wohl falsch interpretiert worden. Der Vorgang liegt jetzt - the same procedure - beim Generalstaatsanwalt, da unter anderem auch der Anti-Korruptionsrat Georgiens ein wohl inszeniertes Täuschungsmanöver hinter der ganzen Geschichte vermutet. Intensive Unersuchungen sind zugesagt, um den oder die Schuldigen ausfindig zu machen. Votergate titeln die georgischen Zeitungen, ob sie und die Öffentlichkeit jemals den Schuldigen erfahren - the same procedure?

Mit dieser Entwicklung ist der von USAID mit rund 350.000 $ finanzierte technische Service von IFES, ein zentrales Wählerregister aufzubauen, nahezu wirkungslos geworden. Zumindest für diese Wahl. Bleibt nur die Hoffnung, dass die Zeit bis zur Präsidentenwahl in zwei Jahren ausreicht, die wesentlichen Fehlerquellen beim Erstellen der Wählerlisten auszumerzen. Wenn nicht jetzt schon im Hintergrund an den üblichen the-same-procedure-Szenarien gearbeitet wird. Die amerikanische Botschaft, sonst immer am Ball, wenn es gilt, demokratische Verfahren einzufordern oder undemokratische Auswüchse zu kritisieren, hat sich zu dieser überraschenden Entwicklung bisher offiziell noch nicht geäussert.

Silvana Puizina, die australische Chefin von IFES-Georgia, erklärte - noch vor der jüngsten Entscheidung der CEC - einigermaßen zufrieden: "Wir werden vielleicht nicht den Standard an Perfektion erreichen, den die Bevölkerung für diese Wahlen erwartet. Das ist ja ein langfristiges Projekt. Es war ein erster Schritt und wir haben in der kurzen Zeit das Bestmögliche gemacht. Ich hoffe, dass von Januar an eine sorgfältige Bereinigung und Verifizierung der Wählerdaten erfolgt, die uns jetzt vorliegen." Für den Urnengang am 2. November wurde IFES zunächst einmal seiner Verantwortung für die technische Pflege und den Ausdruck der Wählerlisten enthoben. Die Aufgabe hat das CEC direkt übernommen. IFES denkt jetzt schon an die kommenden Präsidentenwahlen in zwei Jahren.

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