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Ausgabe 17/03
29. Oktober


Der georgische Wahlkampf hat viele Facetten. Da wird immer wieder mal heftig geprügelt wie jüngst in Adscharien, wo prominente Mitglieder der Nationalen Bewegung Michael Saakaschwilis zusammen gedroschen wurden. Da streitet man sich mehr um Wahlfälschungen und sucht vorsorgliche Schuldzuweisungen für die am Tage nach den Wahlen befürchteten Demonstrationen als dass man sich mit Inhalten und Programmen um Wählerstimmen bemühte.Da schüchtert man in der Provinz die Wählerinnen und Wähler mit nächtlichen Polizeibesuchen ein. Oder man pflegt mit kleinen Geschenken, die schon einmal zu einer großzügigen Dieselspende für die Landwirte eines ganzes Dorf gehen können, die Freundschaft seiner Stammwähler, gegen Registrierung der Personaldaten. Alternative Wählerlisten auf georgisch. Schlussendlich, wenn alles nichts nutzt, bechimpft den politischen Gegner und überzieht ihn mit Vorwürfen, deren Haltlosigkeit von vorneherein offenkundig ist. Der Staatsanwalt wird's schon richten, sprich nach entsprechend umfangreichen Untersuchungen zu den Akten legen, nach den Wahlen, versteht sich. Von politischer Kultur kaum eine Spur.

Wenigstens einen Hauch von dem, was man demokratisch sauberen Ideen-Wettbewerb nennen könnte, vermitteln die in Tbilissi überall dominierenden Großplakate der wichtigsten Parteien. Und sie vermitteln auch eine Idee von der gesellschaftliche Zielgruppe, um die sich die Parteien besonders bemühen. Keine Stadteinfahrt ohne Dutzende dieser Riesen-Poster, kein großer Verkehrskreisel, an dem sich nicht alle Matadore präsentierten, sofern sie sich überhaupt für präsentationswürdig halten. Der Regierungsblock "Für ein neues Georgien" verzichtet anscheinend mangels politischer Klasse auf das

Gesicht eines Spitzenkandidaten und zeigt eine farbenfrohe neue Stadtwelt, die so gar nicht zum tristen Einheitsgrau der meisten Plattenbauten der georgischen Hauptstadt passt. Oder die Werbestrategen des Regierungslagers zeigen einen Knaben vor dem Hintergrund der gerade entstehenden orthodoxen Kathedrale. So stellt sich die Regierung ihre Verantwortung für die Zukunft vor: Eine aufgeweckte, moderne Jugend, eingebettet in das Koordinatensystem des christlichen Glaubens, zwei Werte, die an jeder georgischen Tafel in unzähligen Trinksprüchen dekliniert werden, wolkig genug, um sich um konkrete Wahlaussagen herumdrücken zu können. Überhaupt hat Eduard Schewardnadse, politischer Drahtzieher des Regierungsblocks,

verlautbaren lassen, dass er und seine Minister sich kaum an Wahlkampfauftritten beteiligen könnten. Es sei wohl vordringlicher, sich um die rechtzeitige Auszahlung der Renten zu kümmern.

Mit der Kirche hat es auch Nino Burdschanadse, die die ganze Last der prominenten Leitfigur ihres politischen Lagers zu tragen hat, nachdem sich ihr Partner und Demokraten-Parteichef Surab Schwania bei dieser Wahl vorsorglich mal im Hintergrund hält. "Hier ist unser Haus" erklärt sie vor dem Hintergrund der Dschwari-Kirche und bietet gleich einen

Überblick über ihre politische Hausgemeinschaft: ordentliche Kinder, ein junges Hochzeitspaar, ein Bauarbeiter, der Drehorgelspieler eines bekannten Restaurants und ganz oben eine ordensgeschmückte Veteranin. Und alle, alle strahlen sie, als gäbe es den ganz normalen georgischen Alltag nicht.

Mit düsteren Bildergeschichten vermittelt Michael Saakaschwili, seinerseits etwas düster dreinblickend, seine Wahlbotschaft. Er wirft den Regierenden vor, so ziemlich alles geklaut zu haben, was das Leben in Georgien lebenswert gemacht hat: die Sparbücher, die Renten, die Arbeitsplätze und schließlich auch Abchasien. All das soll zurückgebracht werden, wenn Saakaschwilis Nationale Bewegung die Wahlen gewinnen

sollte, immerhin ein politisches Vollprogramm, plakativ dargeboten. Er selbst hat sich aber der politischen Verantwortung zunächst einmal entzogen, in dem er auf eine Parlamentskandidatur aus Pflichtbewusstsein verzichtet. Das Sprecheramt im Tbilisser Lokalparlament will er für einen Sitz im nationalen Parlament doch nicht dreingeben.

Blieben noch die beiden Unternehmerparteien, die voll und ganz auf ihre erfolgreichen Vorzeige-Chefs setzen. Gogi Topadse will gemeinsam einen georgischen Staat aufbauen, nachdem er kurz vor den Wahlen noch schnell ein Buch vorstellte und einen neuen Liefervertrag für seine Brauerei mit einem russischen Großhändler präsentierte. Dagegen behaupten David Gamkrelidse und Lewan Gachechiladse von sich, die einzigen zu sein, die dem Land Arbeitsplätze bringen können. In ihren Wahlversammlungen bleiben sie aber den Nachweis, wie sie bewerkstelligen wollen, schuldig.

Kaum in Erscheinung treten die beiden anderen Parteien, denen man einen Einzug ins georgische Parlament zutrauen kann: Aslan Abaschidses adscharische Wiedergeburt und Schalwa Natelaschwilis Arbeiterpartei. Letzterer verzichtet auf großflächige und teure Plakatierungen, versammelt dafür seine Anhänger auf den Plätzen der tristen Plattenbausiedlungen, wo er ihnen ein Ende des Dinosauriers

Schewardnadse und seiner Clans verkündet und sich gleichzeitig zum Präsidentschaftskandidaten in zwei Jahren ausrufen lässt. Natelaschwili kann es sich als einziger den Popularitätstest leisten, dem andere aus dem Wege gehen, denn seine Anhängerschaft, die sich aus den wirklich Betrogenen des Transitionsprozesses zusammensetzt, den Arbeitslosen und Geringverdienern, liebt und verehrt ihn offensichtlich. Natelaschwili ist ihr Hoffnungsträger. Wie breit diese Wählerschicht ist, wird man nach der Auszählung sehen. Umfragen und Prognosen von Kennern der politischen Szene führen die Arbeiterpartei ganz oben auf der Liste.

Bliebe noch Aslan Abaschidse und die Demokratische Wiedergeburt, die sich angesichts der zu erwartenden nahezu kommunistischen Wahlergebisse in Adscharien außerhalb ihrer autonomen Provinzheimat mit Werbung auffällig vornehm zurückhalten können.




































































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