Der georgische Wahlkampf hat viele Facetten. Da wird immer wieder
mal heftig geprügelt wie jüngst in Adscharien, wo prominente
Mitglieder der Nationalen Bewegung Michael Saakaschwilis zusammen
gedroschen wurden. Da streitet man sich mehr um Wahlfälschungen
und sucht vorsorgliche Schuldzuweisungen für die am Tage nach
den Wahlen befürchteten Demonstrationen als dass man sich mit
Inhalten und Programmen um Wählerstimmen bemühte.Da schüchtert
man in der Provinz die Wählerinnen und Wähler mit nächtlichen
Polizeibesuchen ein. Oder man pflegt mit kleinen Geschenken, die
schon einmal zu einer großzügigen Dieselspende für
die Landwirte eines ganzes Dorf gehen können, die Freundschaft
seiner Stammwähler, gegen Registrierung der Personaldaten.
Alternative Wählerlisten auf georgisch. Schlussendlich, wenn
alles nichts nutzt, bechimpft den politischen Gegner und überzieht
ihn mit Vorwürfen, deren Haltlosigkeit von vorneherein offenkundig
ist. Der Staatsanwalt wird's schon richten, sprich nach entsprechend
umfangreichen Untersuchungen zu den Akten legen, nach den Wahlen,
versteht sich. Von politischer Kultur kaum eine Spur.
Wenigstens einen Hauch von dem, was man demokratisch sauberen
Ideen-Wettbewerb nennen könnte, vermitteln die in Tbilissi
überall dominierenden Großplakate der wichtigsten Parteien.
Und sie vermitteln auch eine Idee von der gesellschaftliche Zielgruppe,
um die sich die Parteien besonders bemühen. Keine Stadteinfahrt
ohne Dutzende dieser Riesen-Poster, kein großer Verkehrskreisel,
an dem sich nicht alle Matadore präsentierten, sofern sie
sich überhaupt für präsentationswürdig halten.
Der Regierungsblock "Für ein neues Georgien" verzichtet
anscheinend mangels politischer Klasse auf das
Gesicht eines Spitzenkandidaten und zeigt eine farbenfrohe neue
Stadtwelt, die so gar nicht zum tristen Einheitsgrau der meisten
Plattenbauten der georgischen Hauptstadt passt. Oder die Werbestrategen
des Regierungslagers zeigen einen Knaben vor dem Hintergrund der
gerade entstehenden orthodoxen Kathedrale. So stellt sich die
Regierung ihre Verantwortung für die Zukunft vor: Eine aufgeweckte,
moderne Jugend, eingebettet in das Koordinatensystem des christlichen
Glaubens, zwei Werte, die an jeder georgischen Tafel in unzähligen
Trinksprüchen dekliniert werden, wolkig genug, um sich um
konkrete Wahlaussagen herumdrücken zu können. Überhaupt
hat Eduard Schewardnadse, politischer Drahtzieher des Regierungsblocks,
verlautbaren lassen, dass er und seine Minister sich kaum an
Wahlkampfauftritten beteiligen könnten. Es sei wohl vordringlicher,
sich um die rechtzeitige Auszahlung der Renten zu kümmern.
Mit der Kirche hat es auch Nino Burdschanadse, die die ganze
Last der prominenten Leitfigur ihres politischen Lagers zu tragen
hat, nachdem sich ihr Partner und Demokraten-Parteichef Surab
Schwania bei dieser Wahl vorsorglich mal im Hintergrund hält.
"Hier ist unser Haus" erklärt sie vor dem Hintergrund
der Dschwari-Kirche und bietet gleich einen
Überblick über ihre politische Hausgemeinschaft: ordentliche
Kinder, ein junges Hochzeitspaar, ein Bauarbeiter, der Drehorgelspieler
eines bekannten Restaurants und ganz oben eine ordensgeschmückte
Veteranin. Und alle, alle strahlen sie, als gäbe es den ganz
normalen georgischen Alltag nicht.
Mit düsteren Bildergeschichten vermittelt Michael Saakaschwili,
seinerseits etwas düster dreinblickend, seine Wahlbotschaft.
Er wirft den Regierenden vor, so ziemlich alles geklaut zu haben,
was das Leben in Georgien lebenswert gemacht hat: die Sparbücher,
die Renten, die Arbeitsplätze und schließlich auch
Abchasien. All das soll zurückgebracht werden, wenn Saakaschwilis
Nationale Bewegung die Wahlen gewinnen
sollte, immerhin ein politisches Vollprogramm, plakativ dargeboten.
Er selbst hat sich aber der politischen Verantwortung zunächst
einmal entzogen, in dem er auf eine Parlamentskandidatur aus Pflichtbewusstsein
verzichtet. Das Sprecheramt im Tbilisser Lokalparlament will er
für einen Sitz im nationalen Parlament doch nicht dreingeben.
Blieben noch die beiden Unternehmerparteien, die voll und ganz
auf ihre erfolgreichen Vorzeige-Chefs setzen. Gogi Topadse will
gemeinsam einen georgischen Staat aufbauen, nachdem er kurz vor
den Wahlen noch schnell ein Buch vorstellte und einen neuen Liefervertrag
für seine Brauerei mit einem russischen Großhändler
präsentierte. Dagegen behaupten David Gamkrelidse und Lewan
Gachechiladse von sich, die einzigen zu sein, die dem Land Arbeitsplätze
bringen können. In ihren Wahlversammlungen bleiben sie aber
den Nachweis, wie sie bewerkstelligen wollen, schuldig.
Kaum in Erscheinung treten die beiden anderen Parteien, denen
man einen Einzug ins georgische Parlament zutrauen kann: Aslan
Abaschidses adscharische Wiedergeburt und Schalwa Natelaschwilis
Arbeiterpartei. Letzterer verzichtet auf großflächige
und teure Plakatierungen, versammelt dafür seine Anhänger
auf den Plätzen der tristen Plattenbausiedlungen, wo er ihnen
ein Ende des Dinosauriers
Schewardnadse und seiner Clans verkündet und sich gleichzeitig
zum Präsidentschaftskandidaten in zwei Jahren ausrufen lässt.
Natelaschwili kann es sich als einziger den Popularitätstest
leisten, dem andere aus dem Wege gehen, denn seine Anhängerschaft,
die sich aus den wirklich Betrogenen des Transitionsprozesses
zusammensetzt, den Arbeitslosen und Geringverdienern, liebt und
verehrt ihn offensichtlich. Natelaschwili ist ihr Hoffnungsträger.
Wie breit diese Wählerschicht ist, wird man nach der Auszählung
sehen. Umfragen und Prognosen von Kennern der politischen Szene
führen die Arbeiterpartei ganz oben auf der Liste.
Bliebe noch Aslan Abaschidse und die Demokratische Wiedergeburt,
die sich angesichts der zu erwartenden nahezu kommunistischen
Wahlergebisse in Adscharien außerhalb ihrer autonomen Provinzheimat
mit Werbung auffällig vornehm zurückhalten können.
|