Newsletter
Währungskurse
Wetterprognose
E-Mail an GN
Ausgabe 15/03
1. Oktober


Die Szene hatte schon etwas Groteskes: Ausgerechnet mit einem Marienbild, wie bei einem Exorzismus gen Himmel gestreckt, protestierte eine aufgebrachte Georgierin vor den Stufen des Parlaments gegen einen Vertrag, den ihre Regierung mit dem Vatikan abzuzeichnen gedachte, mit jener Institution der römischen Weltkirche, deren Papst sich in unter seinen katholischen Schäfchen gerade wegen der aus seiner polnischen Tradition stammenden, inbrünstigen Marienverehrung, vorsichtig ausgedrückt, nicht nur Freunde gemacht hat. Ob die hohe Frau im Himmel diese menschliche Verwirrung um ihre Rolle unter den Christenmenschen irgendwann wird einmal schlichten können?


Worum geht es bei diesem neuen "Religionsskandal in Georgien"? Während eines dreitägigen Besuches des vatikanischen Aussenstaatssekretärs, Erzbischof Jean-Louis Tauran, sollte ein bilaterales Abkommen zwischen dem Vatikan und Georgien unterzeichnet werden, das von beiden Seiten unter strenger Geheimhaltung vorbereitet worden war. Während die georgische Regierung erklärte, in dem zwischenstaatlichen Vertrag würden nur die Rechte festgeschrieben, die nach georgischer Verfassung und geltendem Recht sowieso Gültigkeit hätten, klagte vor allem die Orthodoxie, dass der Vertrag weit über die Regelungen eines staatlichen Abkommens hinausginge, der katholischen Kirche Rechte verspräche, die den Interessen Georgiens und vor allem denen seiner orthodoxen Kirche zuwiderliefen. Sogar Katholikos-Patriarch Ilia II. suchte, was äusserst selten vorkommt, in einer Pressekonferenz den Weg in die Öffentlichkeit, wandte sich gegen diesen "Geheimvertrag" und erklärte, er habe in einem Schreiben an den Staatspräsidenten diesen gebeten, den Vertrag nicht unterzeichnen zu lassen. Schliesslich blockierten, anscheinend wohl organisiert vom fundamentalisitischen Flügel des georgischen Klerus, ein paar Hundert Studenten - das georgische Fernsehen hatte sie allerdings auf einige Tausend "hochgerechnet" - für ein paar Stunden den Rustaweli-Prospekt vor dem Parlament mit dem Erfolg, daß die georgische Regierung ihren Gast aus dem Vatikan unverrichteter Dinge wieder abziehen lassen mußte. Der Vertrag liegt vorerst auf Eis und die Frage, wie man hierzulande mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht orthodoxen Glaubens umgeht, scheint einer Lösung ferner denn je.


Ein Blick in eine Arbeitsversion dieses Vertrages, die GN vorliegt, zeigt, dass das Papier keineswegs so harmlos ist, wie die georgische Regierung der Öffentlichkeit glauben machen wollte. Schon in der Präambel wird der eigentliche Zweck des Vertrags, "den rechtlichen Status der katolische Kirche in Georgien zu definieren" deutlich beschrieben. Es hat demnach den Anschein, als habe der Vatikan seine Rolle als Staat dazu benutzt, um seiner katholischen Kirche mit diesem Vertrag eine rechtliche Basis in Georgien zu schaffen, nachdem sich das Parlament bislang geweigert hat, in einem Religionsgesetz die juristische Basis für alle Religionen und Glaubensgemeinschaften zu regulieren. Nur die Orthodoxie hat im vergangenen Jahr mit einem Konkordat ihre besondere Rolle innerhalb des georgischen Staates unterstreichen können und damit als einzige Kirche eine Rechtsbasis erhalten, obwohl die Verfassung Religionsfreiheit vorsieht und der Orthodoxie die Rolle einer Staatskirche eindeutig nicht zuweist. Alle anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften schweben derzeit im rechtsfreien Raum. GN berichtete darüber.

Nach dem GN vorliegenden Vertragsentwurf sollte die Katholische Kirche vom georgischen Staat als juristische Person mit dem Recht auf Selbstorganisation anerkannt werden und das Recht bekommen, Bistümer, Diözesen und Pfarreien zu gründen. Der georgische Staat garantiert der katholischen Kirche Steuerfreiheit für kirchliche und soziale Tätigkeit, die Unversehrtheit ihres Besitzes, sofern er kirchlichen und sozialen Zwecken dient, und die Unantastbarkeit des Beichtgeheimnisses. Überdies darf die katholische Kirche nach dem Vertragsentwurf eigene Schulen gründen und erhält das Recht auf katholischen Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen, wobei explizit erklärt wird, das Studium der katholischen Religion habe das Ziel, "den ökumenischen Geist zu verstärken und die Vertiefung des Respekts gegenüber anderen Religionen, was gleichzeitig die Anerkennung der Rolle der orthodoxen Kirche in der georgischen Geschichte und und Kultur bedeutet." Alles Regelungen, die normalerweise in einem Religionsgesetz für alle Religionen bindend festgeschrieben sein sollten. Ein solcher Gesetzesentwurf, abgesprochen mit allen Kirchen und Religionsgemeinschaften, liegt dem Parlament bereits vor, es ist einer Lobby an ultraorthodoxen Politikern jedoch bislang gelungen, eine Behandlung dieses Gesetzes zu verhindern. Der Vatikan wollte mit seinem Vertrag anscheinend vorpreschen und ein Exempel statuieren.

Dass es in dem strittigen Vertrag nicht um einen normalen zwischenstaatlichen Vertrag sondern um die Festschreibung der Rechte der rund 50.000 Seelen starken katholischen Kirche in Georgien ging, zeigt sich vor allem auch an den vatikanischen Reaktionen nach dem Abbruch des offiziellen Besuchs von Jean-Louis Tauran. Dieser erklärte kurz vor seinem vorzeitigen Abflug, dass die katholische Gemeinschaft Georgiens unter diesem Vorgang zu leiden habe, da sie jetzt nach wie vor völlig rechtlos sei. Erzbischof Tauran erklärte auch, dass Informationen des orthodoxen Patriarchats nicht der Wahrheit entsprächen, insbesondere die, über den Fortgang der Gespräche nicht unterrichtet worden zu sein. Es habe immer die Bereitschaft des Vatikans gegeben, das Patriarchat über den Inhalt der Verhandlungen mit dem georgischen Staat zu informieren. Wenige Tage vor der geplatzen Unterzeichnung des Vertrages fand auch ein Treffen eines Vatikan-Vertreters mit dem georgischen Patriarchat statt.

Der georgische Staatspräsident, der während des Besuchs des Vatikan-Aussenministers gerade beim GUS-Gipfel in Jalta weilte, bedauerte auf einer Pressekonferenz das Scheitern der Unterzeichnung dieses Vertrags und erklärte, sich im neuen Parlament für eine baldige Verabschiedung eines Religionsgesetzes einsetzen zu wollen. Unter der Hand erklärten Insider der georgischen Regierung, dass einflussreiche Regierungsmitglieder den Präsidenten angesichts des massiven Widerstands des Patriarchats gegen diesen Vertrag telefonisch gebeten hätten, die Unterzeichnung abzusagen. Man befürchtete erhebliche Stimmenverluste, wenn man kurz vor den Wahlen die Orthodoxie als Wahlkampfgegner aufbaue. Gleichzeitig erklärten Insider, dass man die Unterzeichnung des Vertrages eigentlich erst nach den Wahlen habe vornehmen wollen, jedoch vom Vatikan mehr oder weniger deutlich gebeten worden sei, diesen Akt jetzt bei der Kaukasus-Dreiländerreise des päpstlichen Aussenministers auf alle Fälle vorzunehmen. Mit etwas diplomatischem Geschick hätte der Eklat zumindest aus dem Umfeld der Wahlen herausgehalten werden können.

Was bleibt, ist die Tatsache, dass die Orthodoxie wieder einmal allen gezeigt hat, wer in Georgien der Herr im Hause Gottes ist. Der Patriarch erklärte ohne Umschweife, die georgische Kirche existiere jetzt 2.000 Jahre und sei in dieser Zeit immer der Hauptfaktor georgischer Integration gewesen. Das werde auch in Zukunft so sein. Und Bischof Zenon aus Dmanissi gab dem vatikanischen Abgesandten mit auf seinen Heimweg, dass die Orthodoxie die eigentliche Basis der europäischen Kultur sei, da es ja unmöglich sei, zu leugnen, daß die katholische Kultur sich von der Byzantinischen entfernt habe. Alle römischen Kirchen seien nach byzantinischen Regeln gebaut und ausgemalt und alle römischen Reliquien habe die katholische Kirche aus Byzanz, mitgebracht von ihren Kreuzrittern. Der Vatikan sollte dies anerkennen, erklärte der Bischof in einem Zeitungsinterview und zur Kenntnis nehmen, dass niemand die Macht habe, anderer Leute Interessen zu tangieren unter dem Vorwand der Demokratie.


Das Problem des legalen Status der Katholiken in Georgien sei ein künstliches, da diese schon seit Jahrhunderten ungehindert in Georgien leben würden. Das Problem habe mit einer massiven Kampagne des Vatikan zur Ausbreitung seines Glaubens in Georgien begonnen. Der Vatikan sei eher an einer massiven Stärkung seiner Stellung interessiert als an einem guten Verhältnis zur Orthodoxie. Demgegenüber haben Vertreter des Vatikans wie auch Beobachter der letzten Jahre immer wieder festgestellt, dass die Katholische Kirche in Georgien gerade nicht missionarisch auftrete sondern sich vor allem im sozialen Bereich engagiere, ungeachtet der Religionszugehörigkeit derer, die einer Betreuung bedürfen. In Georgien leben rund 50.000 Katholiken, ein Großteil davon in Südgeorgien in der Nähe der georgisch-türkischen Grenze bei Vale und Achalziche. In Tbilissi gibt es zwei katholische Kirchen.


















Copyright © 2003 ERKA-Verlag E-mail Impressum Kontakt Webmaster