Newsletter
Währungskurse
Wetterprognose
E-Mail an GN
Ausgabe 15/03
1. Oktober


Georgien ist in den vergangenen Jahren zu einer Art Eldorado für Ausgrabungen geworden. Am bekanntesten sind die paläontologischen Ausgrabungen von Dmanissi, wo man mittlerweile über die reichhaltigste Fundstädte vorzeitlicher Schädel und Knochen im ganzen eurasischen Raum verfügt. Wir haben über die senstionellen Funde dieser Ausgrabung berichtet. In diesem Jahr hat man in Dmanissi erstmals ein Schienbeinknochen gefunden, mit dem man jetzt untersuchen kann, ob es sich beim Menschen von Dmanissi bereits um einen Homo erectus gehandelt hat oder nicht, eine wichtige Erkenntnis für die zeitgeschichtliche Einordnung der Siedlung.

Es wird aber auch an vielen anderen Stellen im Land gegraben, unter anderem in der Steppe von David Garedschi. Dort sind hauptsächlich junge deutsche Archäologen tätig, die jetzt gerade ihre diesjährige Kampagne beendet haben. Das Projekt steht unter der Leitung des Tübinger Wissenschaftlers Dr. Janek Bertram, einem Schüler des weltweit als Troja-Papst bekannten deutschen Archäologen Prof. Manfred Korfmann. Beide präsentierten zusammen mit ihrem georgischen Kollegen Prof. Kiazo Pirzchalauri dieser Tage die Ergebnisse der vierten Grabungskampagne. GN schaute sich auf dem Grabungsgelände und im Basis-Camp in Sagaredscho um.

Bei dieser Grabung handelt es sich um drei vermutlich im Zusammenhang stehende Siedlungen auf einem Bergrücken der Steppenlandschaft von David Garedschi. Alle drei Siedlungen sind auf das späte zweite Jahrtausend vor Christus datiert. Da die drei Siedlungen vermutlich einer Feuersbrunst zum Opfer gefallen sind und danach verlasen wurden, bieten sie dem Archäologen eine einmalige Gelegenheit, Einblick in einen genau zu terminierendes Zeitfenster der Siedlungsgeschichte zu nehmen. Die Asche der Brandschicht hat nahezu den gesamten Hausrat konserviert und da es keine spätere Nutzung dieser Siedlungen mehr gab, konnten auch spätere Generationen nichts an Gebäuden ändern oder an Hausrat zufügen .

Bei den Udabno-Grabungen verwenden die Archäologen eine für Georgien revolutionäre Technologi: Magnetometerbilder. Diese auf Luftaufnahmen projizierten Messungen ergeben schon vor Beginn der Grabung ein ziemlich genaues Bild von der Siedlungsstruktur. Dabei macht man sich die unterschiedlichen Magnetstaerken zu Nutze, die verschiedene Materialien haben. Bei Eingriffen in den Boden, z. B. bei der Errichtung von Gebäuden, aendert sich die natürliche Geomagnetik. Diese Abweichungen werden vom Computer erfasst und graphisch dargestellt. So lassen sich die Baustrukturen erfassen, die unter der Grasnarbe zu erwarten sind, die Archäologen können mit ihren Grabungen chirurgisch genau an dem Platz ansetzen, der ihnen am interessantesten erscheint. Diese "Wunderstadtpläne" der drei Udabno-Dörfer sind derzeit noch nicht für eine Veröffentlichung freigegeben. Sie zeigen aber zum Beispiel, dass die Hauptsiedlung knapp einen Kilometer lang war, sich auch einem kleinen Bergrücken erstreckte und von bis zu 5 m starken Fortifikationen umwehrt war. Die Zitadelle der Siedlung erstreckt sich über eine Fläche von 30 x 40 m.

Für einen Laien ist es geradezu unglaublich und faszinierend, dass da im Hauptdorf Udabno I nur wenige Zentimeter unter der steppenartigen Grasnarbe bereits Siedlungsreste aus vorchristlicher Zeit freigelegt werden. Man kann, so erklären uns die Archäologen, sogar am Pflanzenwuchs den Verlauf von Mauerresten erkennen, da auf dem Mauerwerk die Wurzeltiefe nicht annähernd so groß ist wie auf dem übrigen Gelände. Udabno I war dicht bebaut, Haus an Haus. Die Größe der Einheiten von 18 auf 5 m lässt darauf schliessen, dass diese Gebäude sowohl zu Wohn- als auch zu Wirtschaftszwecken benutzt wurden.

Und da ist der Archöologe am eigentlichen Zweck seines Tuns angekommen. Janek Bertram will mit seinem Team in Udabno die wirtschaftliche Rolle des Kaukasus in diesen Zeiten erkunden. Verschiedene Modelle sind derzeit denkbar, erklärt er uns, keines jedoch schon absolut zweifelsfrei nachgewiesen. Einmal könnten sich die Udabno-Siedler mit Erzgewinnung und -veredelung beschäftigt haben. Darauf deuten gewisse Funde hin, aber auch die Vermutung, dass das einst durchaus bewaldete Gebiet von David Garedschi im 2. Jahrtausend v. Chr. zur Energiegewinnung abgeholzt worden ist. Demgegenüber stehen allerdings Knochenfunde von Tieren, die man eher einer Steppenlandschaft zuordnen kann. Diese Frage wäre also noch zu klären.

Eine weitere Möglichkeit besteht in der Gewinnung von Salz, damals ein begehrtes Gut. Rund um die drei Udabno-Dörfer - es sollen übrigens noch ein paar weitere Dörfer unter der Erdschicht existieren - gibt es ein paar Salzseen. Das Granulat, das man hier gewinnen konnte, war ganz leicht abzusetzen, liegt doch Udabno direkt an einem der wichtigsten Handelswege der damaligen Zeit, der vom Kaspischen Meer kommend über das Alasanital ins Iorital nach Mzcheta und von da in den Norden oder ans Schwarze Meer führte und damit direkt an Udabno vorbei. Vom kleinen Hügel des Dorfes Udabno III aus hat man einen ausgezeichneten Überblick über das ganze Iorital, konnte also ankommende Karawanen schon rechtzeitig erkennen. Die Siedlung war strategisch bestens gewählt.

Schliesslich gibt es auch jede Menge an Hinweisen, dass in Udabno Tierzucht und wohl auch Ackerbau getrieben wurde, Reste von Mühlsteinen oder Dreschschlitten deuten auf die Verarbeitung von Getreide hin. Bei Dreschschlitten handelt es sich um einfache Holzschlitten, an deren Unterseite man spitze Steine eingedrückt hat. Mit dieser fährt man dann über das ausgebreitete Getreide und trennt so die Körner von den sie umgebenden Spelzen. Eine Technologie, wie man sie im oberen Swanetien heute noch beobachten kann. Es kann sich bei Udabno also auch um eine Art Zentrum für eine nomadisierende Gesellschaft gehandelt haben, womit der Archäologe schon wieder ziemlich nahe an der Gegenwart angelangt ist. In der Nähe von udabno gibt es zum Beispiel ein paar Dörfer, von Azeris bewohnt, deren Menschen und Tierherden jedes Jahr im Sommer in die Berge rund um den Tabazkurisee ziehen, bevor sie im Winter wieder ins Iorital zurückkehren.

Archäologie ist eine Sache für gewissenhafte Menschen. Alle Grabungsschritte werden detailliert erfasst, vermessen und mit Zeichnungen belegt. Alle Fundstücke werden im Camp erst einmal gereinigt, Aufgabe der sogenannten "Scherbenfrau", dann numeriert und katalogisiert. Die Grabungskampagne vor Ort dauert nur ein paar Wochen, den Rest des Jahres verbringt vor allem Dr. Bertram damit, die Fundstücke wissenschaftlich auszuwerten. Für ihn, der in Troja unter Manfred Korfmann das Archäologen-Handwerk gelernt hat, dürfte Udabno so etwas wie eine Lebensaufgabe werden. Auf alle Fälle wird er in den nächsten Jahren den Sommer über in Georgien verbringen, um weitere Antworten zur Rolle des Kaukasus in der Bronzezeit zu finden.

Das Grabungscamp ist in einem Bauernhaus im Städtchen Sagaredscho. In diesem Jahr waren sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Uni Tübingen vor Ort, zwei freiwillige Helfer, beides Pensionäre, eine Schweizer Restauratorin, eine Armenierin und fünf Georgier, dazu eine ganze Reihe von örtlichen Hilfskräften. Im nächsten Jahr werden die Arbeiten weitergeführt.

























































































Copyright © 2003 ERKA-Verlag E-mail Impressum Kontakt Webmaster