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Ausgabe 15/03
1. Oktober
Wahlkampf auf georgisch: Prügelei in Bolnisi

Mit politischen Aussagen tun sich die georgischen Parteien im Wahlkampf recht schwer. Dafür sind sie aber allemal in der Lage, aus nahezu Nichts einen großen Skandal zu inszenieren, der dann die Schlagzeilen über Tage beherrscht und die Kommentatoren aller Lager zu ausführlichen Analysen anregt. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen der jüngsten Tage standen mit Michael Saakaschwili und Lewan Mamaladze, die heftig aneinander gerieten, zwei Polit-Promis aus Opposition und Regierung.

Der Vorfall ereignete sich in Bolnisi, als Saakaschwili, Führer der Nationalen Bewegung, mit seinen Anhängern auf Wahlkampftour war. Nach Aussage des Oppositionspolitikers sei es zu Handgreiflichkeiten mit Polizei und regierungsfreundlichen Kräften gekommen, die ihn mit Waffengewalt und Steinwürfen daran hindern wollten, nach Bolnisi zu kommen. Es gab Verletzte auf beiden Seiten.

Lewan Mamaladze, früherer Gouverneur von Nieder-Kartli und jetzt Direktkandidat für den Regierungsblock "Für ein neues Georgien" in Bolnisi, warf der Nationalen Bewegung vor, den Zusammenstoss provoziert zu haben und beschuldigte Saakaschwili, eine eigene Kampftruppe mitzuführen, die er sich in seiner Zeit als Justizminister aufgebaut habe. Denselben Vorwurf erhebt Saakaschwili seit einiger Zeit gegen die Regierung, der er nachzuweisen glaubt, sie habe einige illegale Einheiten zur physischen Bekämpfung der Opposition aufgebaut. Für den Vorfall in Bolnisi machte Saakaschwili deshalb Staatspräsident Eduard Schewardnadse persönlich verantwortlich.

Dem Zusamenstoss vorausgegangen war die Verhaftung des Direktkandidaten der Nationalen Bewegung in Bolnissi, Kamal Muradchanow. Bei seiner Verhaftung führte er 385 Pässe seiner Anhänger mit sich, deren Inhaber nach Aussage der Polizei teilweise bereits gestorben seien. Die Regierung warf der Opposition deshalb vor, die Wahlen in Bolnisi fälschen zu wollen.

Tage später wurde die Konfrontation während eines Live-Fernseh-Interviews mit Michael Saakaschwili fortgesetzt. Ohne eingeladen worden zu sein, betrat Lewan Mamaladse das TV-Studio, um direkt mit Saakaschwili zu diskutieren. Angeblich hat ihn die Geschäftsführung des Sender Zugang zum Studio verschafft, was Michael Saakaschwili zum sofortigen Auszug aus dem Fernsehgebäude veranlasste mit der Bemerkung, der richtige Platz für Mamaladse sei ein Gefängnis.

Während Mamaladse das Interview an sich riss, meldete sich dessen Gegenkandidat um das Direktmandat, Muradchanow, per Telefon, um Mamaladse der Lüge und Korruption zu beschuldigen. Mamaladse habe über neun Jahre seiner Zeit als Gouverneuer von Nieder-Kartli Wahlen gefälscht, ausgerechnet er habe keinen Grund, anderen Vorwürfe zu machen.

Nach dem mehr oder weniger erzwungenen Spontan-Interview mit Mamaladse fuhr das Kamerateam zum Büro Saakaschwilis, um das mit ihm angefangene Interview mit den bekannten Beschuldigungen dort fortzusetzen. Saakaschwili erklärte, daß unter seiner Führung kein Regierungsmitglied mit Banditen, Kriminellen oder Dieben unter einer Decke stecken würde, wie es derzeit in Georgien der Fall sei. Es störe ihn, daß die Bevölkerung jeden Tag auf dem Bildschirm Banditen wie Mamaladse ertragen müsse. Wahlkampfargumente in Georgien.

Staatsanwaltschaft wie Regierung haben zugesichert, die Vorfälle von Bolnisi restlos aufzuklären und alle Schuldigen, auch wenn es sich um Regierungsbeamte handele, zu bestrafen. Der stellvertretende Innenminister Ruben Asanidse stellte unterdessen allerdings klar, daß die Polizei die meisten Verletzten zu beklagen habe und deshalb die eigentlichen Leidtragenden des Zusammenstosses seien.

Es sind noch genau 33 Tage bis zum Urnengang in Georgien und Beobachter der Szene ergehen sich in allerlei Spekulationen, ob die Regierung bei Wiederholung solcher Vorgänge nicht den nationalen Notstand ausrufen und die Wahlen insgesamt aussetzen könne. Staatspräsident Eduard Schewardnadse wird unterdessen nicht müde, immer wieder zu betonen, dass das Land am 2. November faire und sauber organisierte Wahlen erleben werde.



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