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Ausgabe 14/03
17. September


Thema Nr. 1 in Georgien ist nicht etwa die anstehende Parlamentswahl. Thema Nr. 1 ist und bleibt die unsichere Lage in der Stromversorgung. Da es in den vergangenen Wochen erstmals seit Jahren auch im Sommer zu erheblichen Stromsperren kam, ist die allgemeine Stimmung auch unter ausländischen Einwohnern auf dem Nullpunkt angelangt. Man rechnet deshalb mit einem besonders harten Winter nach der einfachen Gleichung, wenn die Regierung schon vor den Wahlen keinen Strom liefern kann, was wird sie dann erst nach den Wahlen mit uns machen. Dabei haben viele noch die Situation nach Wahlen der vergangenen Jahre im Gedächtnis, wo es tatsächlich bis zum Wahltag keine Stromsperren gab, das Land am Tag nach den Wahlen aber regelmässig zunächst einmal in tiefer Dunkelheit versank.

Diese Beurteilung der Lage übersieht, dass die Regierung so gut wie keinen Einfluss mehr auf das Tagesgeschäft der Stromversorger hat. Auf Druck internationaler Geldgeber wurden nahezu alle Schaltstellen der Stromwirtschaft vom Einfluss der Regierung abgenabelt und deshalb unter internationales Magement gestellt. Dieses wird weder von der georgischen Regierung noch von den georgischen Stromverbrauchern bezahlt, die Experten-Firmen aus dem Ausland werden von Weltbank, EBRD oder USAID direkt finanziert.

So wird das georgische Hochspannungs-Überlandnetz von einer irischen Consulting-Firma gemanagt, die kommunalen Stromverteiler (mit Ausnahme von Tbilissi und Kachetien) von einer amerikanischen und die nationale Energie-Börse, der sogenannte "Strom-Grossmarkt" (Georgian Wholesale Electricity Market - GWEM), von einer spanischen. Der Tbilisser Stromverteiler Telasi ging gerade von amerikanischem Mehrheitsbesitz in russischen über. Georgische Minister, mögen sie kommen oder gehen, haben im Tagesgeschäft dieses Energiesystems nichts mehr zu melden. Die Hintergründe für die Stromsperren liegen woanders.

Einer der Gründe ist zunächst einmal in technischem Versagen oder Sabotage zu suchen. So muss wegen kurzfristiger Reparaturarbeiten immer wieder eines der Kraftwerksaggregate des Inguri-Kraftwerks kurzfristig abgeschaltet werden. Das georgische Netz verfügt über keine weitergehenden Reserve-Kapazitätzen, um in solche Situationen anderweitige Energie zuschalten zu können. Darüberhinaus gab es in den vergangenen Wochen immer wieder Anschläge auf die Hochspannungs-Überlandleitung "Kavkasioni", die einen Großteil des Stroms aus dem Westen Georgiens, wo er produziert oder von Russland importiert wird, in den Osten des Landes, wo die größte Nachfrage herrscht, tansportiert. Auch für solche Fälle gibt es keine zusätzlichen Kapazitäten, die zugeschaltet werden können.

Noch komplizierter ist die Situation bei den kommunalen Stromverteilungsunternehmen, die wegen anhaltender Misswirtschaft vor einiger Zeit zu einem einzigen Unternehmen (UDC - United Distribution Companies) zusammengeschlossen wurden. Die Anteile des Unternehmens gehören noch immer dem Staat und dessen lokale Autoritäten, Gouverneure und Bürgermeister, benehmen sich gelegentlich so, als hätte sich in der Stromwirtschaft nicht viel geändert.

So hat zum Beispiel der Gouverneur von Imeretien, Temur Schaschiaschwili, eigenhändig in einem Umspannwerk die vom Strom-Grossmarkt verordnete Stromsperre für Imeretien mit einem Griff an den Hauptschalter rückgängig gemacht. Imeretien hatte wieder Strom, für einer Besserung der Zahlungsmoral sieht sich der eigenmächtige Gouverneur allerdings nicht zuständig. Der Grosmarkt (GN berichtete im Juni darüber) hatte in Absprache mit dem amerikanischen Management von UDC dieser und damit allen lokalen Stromvereilern mit Ausnahme von Tbilissi und Kachetien nur noch 30 % der angeforderten Strommenge geliefert, da UDC derzeit nur in der Lage ist, 30 % des bezogenenen Stroms zu bezahlen. Entweder wird der restliche Strom von den Verbrauchern nicht bezahlt oder die kassierten Beträge wandern in die Taschen lokaler Größen und nicht auf den Konten des Strommarktes. Die amerikanische Management-Firma muss im wesentlichen mit dem Führungspersonal vor Ort zurecht kommen, das dort schon seit Jahrzehnten tätig ist. Und das kennt halt zunächst einmal seine eigenen Spielregeln. Jetzt hat man es damit versucht, den säumigsten Niederlassungen nur noch gegen Vorauskasse Strom zu liefern. Von 22 gänzlich vom Strom abgeschnittenen Niederlassungen haben sich immerhin 13 auf dieses Spiel eingelassen und zahlen jetzt im Voraus.

Da auf der wichtigsten Überlandleitung von Sugdidi nach Tbilissi immer wieder illegal Strom abgezwackt wird, wird Telasi, der beste kommunale Stromzahler im Lande, immer wieder mit Stromabschaltugen bestraft, die andere durch ihre unberechtigte Stromentnahme verursacht haben. Ebenso ergeht es den großen industriellen Stromverbrauchern, die sich nach Aussage des Strom-Grossmarktes mittlerweile alle zu 100-%-Zahlern entwickelt haben. Eine gute Zahlungsmoral schützt also nicht vor Stromsperren, das ist das Paradoxum auch in der georgischen Hauptstadt, wo nahezu 70 % der Stromverbrauchern mit Stromzählern ausgestattet sind und eine Zahlungsmoral von nahezu 100 % aufweisen.

An dieser Situation kann auch der neue Mehrheitseigner von Tealsi, der russische Energiekonzern UES, nicht viel ändern. Mehrfach hat UES erklärt, angesichts der guten Zahlungsmoral in Tbilissi über die Kavkasioni-Linie genügend Strom aus Russland zu importieren, um Tbilissi den ganzen Winter über 24 Stunde lang mit Strom versorgen zu können. Allerdings fordern die russischen Manager vom georgischen Stromsystem eine Zahlungsgarantie für die Mengen an Strom, die lokale Gouverneure und Bürgermeister entlang der Überlandleitung abzapfen und nicht bezahlen. Man rechnet in der georgischen Hauptstadt damit, dass von 200 importieren KW lediglich 100 in Tbilissi ankommen. Der Rest sind technische und nicht-technische Verluste, sprich Diebstahl. Da niemand im Land bereit ist, diesen Zustand abzustellen oder dem Stromimporteuer gegenüber die Verantwortung zu übernehmen, wird es auch in diesem Winter wieder zu Stromsperren kommen.

Der georgische Präsident hat gegenüber dem Management von UDC und dem Strom-Grossmarkt immer wieder seine Unterstützung in deren Bemühen, Ordnung in den Strommarkt zu bringen, zugesagt. Bislang hat er es anscheinend versäumt, seine Gouverneure und Bürgermeister, die allesamt von ihm ernannt werden, in diese Zusage einzubinden. Insoweit liegt es doch an der Uneinsichtigkeit der georgischen Regierung und Verwaltung, für bezogenen Strom auch entsprechende Gebühren zu entrichten, wenn diejenigen, die ihren Strom ehrlich bezahlen, trotzdem immer wieder vom Netz abgeschaltet werden. Für alle, die ihren Strom zahlen, gäbe es sommers wie winters genügend elektrische Energie, sagen die internationalen Manager des Systems übereinstimmend. Es gibt aber unterwegs von der Erzeugung zum ehrlichen Verbraucher noch zuviele, die sich clever fühlen, wenn sie auf Kosten anderer leben.


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