Ausgabe 12/03
23. Juli
Europarat-Beobachter:
Kaum Fortschritt im Wahlrecht

Die Berichterstatter des Europarates für Georgien, der Ungar Matyas Eorsi und der Bulgare Ewgeni Kirilow, attestierten nach ihrem Besuch in Georgien nur geringe Fortschritte bei der notwendigen Reform des Wahlrechts. Bei ihrem Routine-Besuch in Georgien stellten die Berichterstatter alle anderen Aufgaben, denen sich Georgien mit seiner Aufnahme in den Europarat zu stellen hat, in den Hintergrund, denn "alle anderen Themen wie auch das künftige Schicksal Georgiens hängen in erster Linie von demokratischen Wahlen im November ab". Die Zweimann-Delegation traf den Präsidenten, Fraktionen der Opposition und der Regierung des Parlaments, den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes sowie diplomatische Missionen und NGO`s. Schon im Februar hatte die Delegation erhebliche Mängel in der Wahlgesetzgebung kritisiert, jetzt erklärte sie, eine Fortführung des Status quo könne die Mitgliedschaft Georgiens im Europarat gefährden.

Die Kritik der Europarats-Berichterstatter beflügelte sowohl Opposition wie auch Regierungs-Kommissionen, die sich mit der Reform des Wahlrechts befassen. Beide Seiten nutzen die Empfehlungen der Delegation aus Straßbourg, um jeweils ihre Version eines neuen Wahlgesetzes zu begründen. Armaz Achvlediani, georgisches Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates erklärte denn auch überaus optimistisch, dass ein Ausschluss Georgiens aus dem Europarat nicht auf der Tagesordnung stehe. Im Gegenteil, mit einer demokratischen Wahl im November könne Georgien zum Modell für den gesamten postsowjetischen Raum werden.

Die Gäste bewerteten einen Gesetzesentwurf mit Änderungen in technischen Fragen und in der Transparenz als sehr fortschrittlich, monierten aber, dass selbst diese Gesetzesänderung bislang vom Parlament wegen des Streits um die Besetzung der Zentralen Wahlkommission nicht verabschiedet worden sei. Es sei wichtig, dass alle Parteien Vertrauen in die Wahlkommissionen hätten, denn sonst würde sich der Parteienstreit nach jedwedem Wahlausgang nur fortsetzen. Die georgische Politik habe nur noch wenig Zeit, dieses Problem zu lösen. Die Europarat-Delegation riet den georgischen Parteien, auf allen Ebenen der Wahlkommissionen auf gleichberechtigte Vertretung der Parteien zu achten, da ansonsten das Vertrauen in die ermittelten Wahlergebnisse fehle. Nur durch gegenseitige Kontrolle in den Wahlkommissionen sei dieses Vertrauen aufzubauen.

Nino Burdschanadse, georgische Parlamentspräsidentin und Kritikerin der Regierungspolitik in dieser Frage, ergänzte das Statement der beiden Gäste, die sich mit direkten Vorwürfen an eine der politischen Lager in Georgien diplomatisch geschickt zurückhielten, mit der Bemerkung, die Europaratesdelegation würde nur schwer verstehen, warum die Regierung Kompromissbereitschaft signalisiere, gleichzeitig aber auf der Hälfte der Sitze in den Wahlkommissionen bestehe.

Die Europaratsdelegation befürchtet, dass der Streit um die Besetzung der Zentralen Wahlkommission bereits Teil des Wahlkampfes ist und deshalb ein Kompromiss zwischen Regierung und Opposition unmöglich werde. "Die politischen Parteien in Georgien ergehen sich in gegenseitigen Beschuldigungen in dieser Frage, während es normal wäre, seine Aufmerksamkeit vor Wahlen auf soziologische, ökonomische, landwirtschaftliche oder andere wichtige Themen zu richten, schrieb Matyas Eorsi allen georgischen politischen Kombattanten dieser Tage ins Stammbuch.



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