Petrus höchstpersönlich ist vom NATO-Himmel heruntergekommen
und zwar in Person von Generalsekretär Lord George Robertson,
um den kaukasischen Ländern das gewachsene atlantische Interesse
an einer regionalen Stabilität im Kaukasus mitzuteilen. Er
stärkte dabei auch den Optimismus der Offiziellen in Aserbaidschan
und Georgien hinsichtlich einer möglichen NATO-Mitgliedschaft
beider Länder, als er erklärte, dass die Türen der
NATO für beide Mitgliedskandidaten offen seien. Der georgische
Aussenminister Irakli Menagarischwili erklärte pflichtbewusst,
er sei hinsichtlich des NATO-Beitritts nach diesem Besuch optimistischer
als zuvor, während eine Parlamentarier-Delegation der Opposition,
die kurz zuvor in Brüssel weilte, erklärte, die Türen
der NATO könnten für Georgien möglicherweise rasch
geschlossen werden, wenn die Regierung die Vorgaben der NATO nicht
schneller erfülle. Diese Stereotypen werden sich wohl bis zu
den Wahlen im November wiederholen: Die Regierung macht auf NATO-Optimismus,
während die Opposition der Regierung unzulängliche Umsetzung
ihres hehren politischen Ziels vorwirft. An den nordatlantischen
Himmelspforten klopfen beide gleichermassen heftig.
Lord Robertson erklärte in allen drei Hauptstädten
das wachsende strategische Interesse der NATO an der Region Kaukasus.
Der Kaukasus als Energie-Transportsektor einerseits und seine
Bedrohung als Unterschlupf des internationalen Terrorismus andererseits
sind verantwortlich dafür, dass die NATO ihr Profil in der
Region stärkt. Zur gleichen Zeit erklärte Lord Robertson
aber, dass es Grenzen der NATO-Möglichkeiten gebe, einen
Sicherheitsschirm über der Region auszubreiten. Mit dieser
Bemerkung reagierte Lord Robertson auf vielerlei Spekulationen,
wonach die NATO bei der Lösung der territorialen Probleme
des Kaukasus eine aktive Rolle spielen könne. Die NATO sei
keine Wunderwaffe gegen alle geopolitischen Krankheiten dieser
Region. "Die NATO kann keine führende Rolle bei der
Beschleunigung der Friedensprozesse im Kaukasus spielen."
Die Verantwortung für einen Frieden liege zunächst einmal
bei den drei Ländern, wobei der NATO-Generalsekretär
auch besonders die Rolle Russlands hervorhob. Langfristige Erfolge
in der Lösung der Konflikte seien ohne auswärtige Kräfte,
allen voran Russland, nicht zu erzielen, erklärte Robertson.
Vorbehalte äusserte Robertson gegenüber Bedenken gegen
eine zu starke NATO-Präsenz im Kaukasus, die unter anderem
in Brüssel aufgetaucht waren. Demnach würde ein verstärktes
Engagement der NATO zu Spannungen mit Russland führen. Die
NATO werde keine Aktionen unternehmen, die in Russland als Provokation
angesehen werden könnten. "Lange Zeit war Russland unser
Feind. Die Situation hat sich aber radikal geändert",
erklärte Robertson in Armenien, dem engsten Freund Russlands
im Kaukasus. In Tbilissi kündigte Lord Robertson den Plan
der NATO an, in der georgischen Hauptstadt eine Koordinationsstelle
zu etablieren, die alle NATO-Aktivitäten im Südkaukasus
kooridieren soll. Hinsichtlich des Beitrittswunsches von Aserbaidschan
und Georgien erklärte Robertson allerdings auch sehr deutlich,
dass der Weg zu diesem Ziel lang und sehr schwer sei und es an
den beiden Ländern selbst liege, ihn zu bestreiten. Insbesondere
mahnte Lord Robertson demokratische Reformen in beiden Ländern
an und machte die für dieses Jahr anstehenden Wahlen in beiden
Ländern zu einem wichtigen Prüfstein.
Ähnlich äusserten sich auch einige georgische Parlamentarier,
die tags zuvor von ihrem Brüssel-Besuch berichteten. Mangelnde
Fortschritte in Fragen der Menschenrechte seien in Brüssel
ebenso moniert worden wie die katastrophale Energieversorgung
des Landes. Das Verhalten der georgischen Regierung, wonach die
Einladung zur NATO-Mitgliedschaft Georgiens bereits beschlossene
Sache sei, könne rasch dazu führen, dass die Tore der
NATO für immer verschlossen blieben. Dabei, so die Parlamentariergruppe,
sei das Thema demokratischer und fairer Wahlen weitaus wichtiger
als Fortschritte bei den Reformen des Militärbereichs.
Dass es im Verteidigungssektor nicht zum besten steht, ist in
Tbilissi allerseits bekannt. Zwar hat man dank des georgisch-amerikanischen
Trainingsprogramms jetzt die eine oder andere Vorzeigeeinheit
ausgebildet, der Zustand der übrigen Armee ist allerdings
mehr als bedenklich. Diese Diagnose können auch die 1.200
Mann, die von den US-Boys bisher ausgebildet wurden, nicht verhindern.
Weitere 1.200 Mann sollen bis zum Jahr 2004 folgen. Das Programm
lastet allerdings schwer auf dem georgischen Verteididungshaushalt.
Denn neben den 64 Millionen $, die Amerika investiert, liegt es
an den Georgiern, den Sold für diese Elitesoldaten bereitzustellen.
Der georgische Generalsstabschef Joni Pirtskhalaishvili musste
einräumen, dass sein Ministerium zwar den finanziellen Kraftakt
GTEP geschafft habe, dass dafür aber alle anderen Planungen
des Ministeriums zurückgestellt werden mussten, zumal der
Finanzminister bis jetzt nur 60 % der im Etat zugesagten Mittel
hat bereitstellen können. Wegen Geldmangels musster der Verteidigungsminister
sogar die traditionelle Militärparade am Nationalfeiertag,
dem Unabhängigkeitstag am 26. Mai, streichen.
Im NATO-Planungsstab in Brüssel kann man sich nicht vorstellen,
wie der georgische Verteidigungsminister unter diesen Umständen
seine Ziele, die gesamte Armee auf NATO-Standard zu trimmen, erreichen
soll. Ein georgischer Verteidigungsexperte warnt denn auch vor
grossen Spannungen innerhalb der Armee, die Gefahr laufe, sich
in zwei Armeen auzuspalten, einmal die von den Amerikanern gut
ausgerüstete und trainierte und von der georgischen Regierung
gut besoldeten Spezialeinheiten des GTEP-Programms, auf der anderen
Seite der Rest einer frustrierten und unterbezahlten Armee. Ein
Kandidat für die NATO-Mitgliedschaft kommt anders daher.
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