Es gibt unzählige Restaurants in Tbilissi, bei denen zunächst
einmal Architekten und Designer ihren Job gemacht haben: edle Ausstattung,
pfiffige Innenarchitekur, manchmal auch nur protzig und teuer. Wenn
man aber Speisekarte und Service betrachtet, findet man nichts,
was über den georgischen Durchschnitt hinausgeht, weder im
Angebot, noch in der Qualität von Speisen und Service: die
üblichen Vorspeisen aus Spinat, Gemüse, Huhn und Auberginen,
der russische Mayonaise-Kartoffelsalat oder Caesars Salat, die unvermeidlichen
Chatschapuri und Sulguni-Teller, Pilze im Tonpfännchen und
Schaschlik, Schaschlik und nochmals Schaschlik.
Die Pizzeria mit Biergarten in der Barnovstrasse 32 gehört
ganz sicher nicht zur Sorte von Edel-Restaurants in Tbilissi.
Dier Biergarten ist ein relativ schmuckloser Schlauch von einem
Innenhof, ausgestattet mit rustikalen Holztischen - und bänken,
roher Putz an den Wänden, der teilweise abbröckelt.
Nur ein einfaches, aber dichtes Naturdach an Weinreben gibt dem
Ort seine Atmosphäre und wegen der hohen Bebauung rechts
und links des Biergartens kommt selbst im Hochsommer die Sonne
nur für eine Stunde in der Freiluftkneipe an, die irgendwie
an Griechenland vor 20 Jahren erinnert. Der Innenraum, die Pizzeria,
kann kaum verbergen, dass er vor der Entdeckung durch die Gastronomie
nichts anderes war als eine simple Garage. Und trotzdem sind Pizzeria
und Biergarten in der Barnovstrasse eines der beliebtesten Tbilisser
Restaurants, vor allem unter Ausländern. Nach gängiger
georgischer Idee von der Ausstattung eines guten Restaurants dürften
beide Kneipen eigentlich nur leer stehen. Irgendetwas muss da
nicht stimmen.
Ein Blick in die Restaurant-Kritiken der englisch-sprachigen
Presse in Georgien zeigt, warum die Einfach-Restaurants in der
Barnovstrasse so erfolgreich sind: "Definitely a competitor
for the best pizza in town. Most expats turn up here sooner or
later." (Georgia Today). Und der weit gereiste amerikanische
Gourmet-Beobachter von "Tbilissi Past Times" verstieg
sich vor ein paar Jahren, als die Pizzeria eröffnet worden
war, gar zu der Bemerkung, in der Barnovstrasse gäbe es "die
beste Pizza, die er östlich der Adria gegessen" habe.
Mittlerweile hat sich die Pizzeria, was das Menu betrifft, zu
einem der wenigen echten internationalen Spezialitäten-Restaurants
in Tbilissi entwickelt. Schwerpunkt sind italienische und deutsche
Gerichte, man findet aber auch griechische Klassiker (Moussakas,
Pastitsio, Gyros und Tsatsiki), Schweizer Wähen und einen
exzellenten elsässischen
Flammkuchen, eine feurig-scharfe Ungarische Gulaschsuppe, diverse
Grillplatten (Balkanteller, Schweizer Holzfällerteller, Schwäbischer
Metzgerteller und Griechischer Hirtenteller), gelegentlich asiatische
Spezialitäten (eine unvergleichlich gute Thai-Hühnersuppe
zum Beispiel), Filet-Steaks, die nach Wunsch des Gastes in aller
Regel auch wirklich english, medium oder well done auf den Tisch
kommen. Und im Frühjahr gibt es den sicher besten Spargel
in ganz Tbilissi (eine samtige Spargelcremesuppe, klassischen
Stangenspargel mit frisch
aufgeschlagener Sauce Hollandaise, Spargel mit Lachs und Orangenbutter
überbacken oder exotischen Spargelsalat mit Früchten
und Currysauce). Schweizer Röschti oder deutsches Sauerkraut
als Beilagen runden das Angebot ab, die Pommes frittes sind leider
meist von minderer Qualität ebenso leiden die Salate (Salat
Nicoise, Insalata Calabrese, Insalata Italiana oder frutti di
mare) unter der minderen Qualität des georgischen Marktangebotes.
Nur manchmal bringt ein georgischer Bauer einen guten Eisbergsalat
oder Kopfsalat vorbei. Die georgische Küche steuert den berühmte
Kösebrotfladen bei, allerdings nur in seiner fremdländische
Machart, denn im Biergarten "geht der Chatschapuri international":
griechisch, türkisch, französisch, deutsch, holländisch
und italienisch - guten Käse für eine Chatschapuri gibt
es nicht nur in Georgien.
Dominierend ist allerdings das Sortiment an italienischen Spezialitäten:
25 verschiedene, hauchdünn ausgewellte und knusprig gebackene
Pizzen, die in zwei Grössen auch ausser Haus geliefert werden.
Am beliebtesten sind Quattro staggione, Marinara, Caprizziosa,
Hawai, Diavolo oder die freche Kinder-Kreation Pinocchio. Dazu
italienische
Vorspeisen wie Foccacio, Pomodore Caprese, Carpaccio, Tomaten
mit einer Thunfisch-Eier-Kapern-Masse gefüllt, oder hin und
wieder Vitello tonnato, das gekochte Kalbfleisch mit einer Thunfisch-Sardellen-Kapern-Paste.
Klassisch sind die Suppen wie Minestrone, Stracciatella oder Tortellini
in Brodo. Das Pasta-Angebot lässt nichts aus, was ein Italien-Reisender
so kennt und braucht: Spaghetti, Rigatoni und Tagliatelle in den
Variationen Bolognese, Funghi, Napoli, Carbonara, pesto, Frutti
di mare und Salmone. Überhaupt die Nudel: die Tagliatelle
werden nach einem alten italienischen Hausrezept selbst gemacht,
ebenso die Tortellini und Ravioli oder die Teigplatten für
die Lasagnen. Und sie werden meist optimal gekocht, al dente,
wie man es in Italien liebt und nicht weichgekocht zu einer matschigen
undefinierbaren Masse.
Spitzenprodukt im Angebot: Tagliatelle tricolore alla casalinga,
hausgemachte Nudeln in drei Farben mit einer Pilz-Spinat-Speck-Knoblauch-Sauce
oder einem Ragout von Lachsfilet und Sahne. Da vergisst man schnell
das Ambiente der Garagenkneipe, in der man sitzt. Gnocchi gibt
es und die ganze Bandbreite italienischer Aufläufe: Pasta
al forno. Fleischfresser können darüberhinaus zwischen
Saltimbocca ala Romana und Piccate Milanese wählen. Bekannt
ist die Pizzeria für ihre italienischen Desserts: Zabaglione
und ein Tira mi su, für das man Mascarpone verwendet, der
nach einem italienischen Originalrezept selbst hergestellt wird.
Wenn die Zulieferung an Original-Zutaten nicht funktioniert, muss
man manchmal eben etwas erfinderisch sein.
Angefangen hat das Restaurant vor einigen Jahren nur mit einem
Sommer-Biergarten, woraus sich die reiche Palette an deutschen
Fleisch- und Wurstspezialitäten erklärt: Nürnberger,
Thüringer, Debrecziner, Bauernbratwürste und ein gegrillter
Fleischkäse, Schnitzel, Steaks, Kassler, Sauerkraut, Kartoffelsuppe,
Kartoffelbrei und Bratkartoffel, Apfelstrudel mit Vanillesauce
- fast alles wie zu Hause bei Muttern. Nur drei Speisen fallen
aus dem Rahmen: Pizza Alexander Orloff, Rigatoni a la Uli Schwagmeier
und Ruud van Heels Dutch Outsnider Plate - allesamt Spezialkreationen
langjähriger Stammkunden, die sich durch besonders häufige
Frequenz der Lokalität das Recht erarbeitet haben, in der
Speisekarte verewigt zu werden. Zur Nachahmung ruft die Restaurant-Leitung
ausdrücklich auf.
Aprospos Restaurant-Leitung: Die beiden Restaurants, die zum
Hotel Kartli gehören, gehen auf eine deutsche Gründung
Mitte der 90-er Jahre zurück. Das Küchenpersonal, allesamt
einheimische Frauen, wurden über Jahre hinweg in europäischer
Küche geschult, der Service zählt nach Aussage der Kunden
zu einem der besten und freundlichsten in der Stadt. Auf den Tischen
stehen Olivenöl und Balsamico-Essig und auf Wunsch bringen
die Kellnerinnen sogar eine Pfeffermühle. Es gibt nicht viele
Restaurants in Tbilissi, die diesen Service bieten.
Seit mehr als einem Jahr ist das Restaurant wie auch das Hotel
an eine georgische Betreiberfirma verpachtet, der deutsche Besitzer
hat sich aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen. Und
der georgische Pächter, Giorgi Tvalchrelidse, ist stolz darauf,
mit seiner Mannschaft in dieser Zeit den Qualitätsstandard
gehalten zu haben. Nach wie vor lebt das Restaurant von den vielen
Stammkunden aus der internationalen Community von Tbilissi. Es
wird aber zunehmend von immer mehr Georgiern besucht, mehr als
ein Drittel der Stammgäste sind mittlerweile Einheimische.
Daneben betreibt Giorgi Tvalchrelidse noch einen gut gehenden
Partyservice und ist recht erfolgreich ins Catering-Geschäft
eingestiegen. Ganz nebenbei: Im Kartli samt seinen beiden populären
Restaurants haben rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen
Dauerarbeitsplatz gefunden.
Adresse:
Barnovstr. 32
Telefon für Home-Delivery, Partyservice oder Tischreservierungen:
982 982
|