Ausgabe 9/03
28. Mai
 TV-Termine:

 Schätze der Welt:
 Baku – Land des
 Feuers

 3sat: 11. Mai, 21.00 Uhr
 SWR: 18. Mai, 13.15 Uhr

 Schätze der Welt:
 Mzcheta – Wunder der
 Nino

 3sat: 18. Mai, 21.00 Uhr
 SWR: 25. Mai, 13.15



Es gibt unzählige Restaurants in Tbilissi, bei denen zunächst einmal Architekten und Designer ihren Job gemacht haben: edle Ausstattung, pfiffige Innenarchitekur, manchmal auch nur protzig und teuer. Wenn man aber Speisekarte und Service betrachtet, findet man nichts, was über den georgischen Durchschnitt hinausgeht, weder im Angebot, noch in der Qualität von Speisen und Service: die üblichen Vorspeisen aus Spinat, Gemüse, Huhn und Auberginen, der russische Mayonaise-Kartoffelsalat oder Caesars Salat, die unvermeidlichen Chatschapuri und Sulguni-Teller, Pilze im Tonpfännchen und Schaschlik, Schaschlik und nochmals Schaschlik.


Die Pizzeria mit Biergarten in der Barnovstrasse 32 gehört ganz sicher nicht zur Sorte von Edel-Restaurants in Tbilissi. Dier Biergarten ist ein relativ schmuckloser Schlauch von einem Innenhof, ausgestattet mit rustikalen Holztischen - und bänken, roher Putz an den Wänden, der teilweise abbröckelt. Nur ein einfaches, aber dichtes Naturdach an Weinreben gibt dem Ort seine Atmosphäre und wegen der hohen Bebauung rechts und links des Biergartens kommt selbst im Hochsommer die Sonne nur für eine Stunde in der Freiluftkneipe an, die irgendwie an Griechenland vor 20 Jahren erinnert. Der Innenraum, die Pizzeria, kann kaum verbergen, dass er vor der Entdeckung durch die Gastronomie nichts anderes war als eine simple Garage. Und trotzdem sind Pizzeria und Biergarten in der Barnovstrasse eines der beliebtesten Tbilisser Restaurants, vor allem unter Ausländern. Nach gängiger georgischer Idee von der Ausstattung eines guten Restaurants dürften beide Kneipen eigentlich nur leer stehen. Irgendetwas muss da nicht stimmen.


Ein Blick in die Restaurant-Kritiken der englisch-sprachigen Presse in Georgien zeigt, warum die Einfach-Restaurants in der Barnovstrasse so erfolgreich sind: "Definitely a competitor for the best pizza in town. Most expats turn up here sooner or later." (Georgia Today). Und der weit gereiste amerikanische Gourmet-Beobachter von "Tbilissi Past Times" verstieg sich vor ein paar Jahren, als die Pizzeria eröffnet worden war, gar zu der Bemerkung, in der Barnovstrasse gäbe es "die beste Pizza, die er östlich der Adria gegessen" habe.


Mittlerweile hat sich die Pizzeria, was das Menu betrifft, zu einem der wenigen echten internationalen Spezialitäten-Restaurants in Tbilissi entwickelt. Schwerpunkt sind italienische und deutsche Gerichte, man findet aber auch griechische Klassiker (Moussakas, Pastitsio, Gyros und Tsatsiki), Schweizer Wähen und einen exzellenten elsässischen

Flammkuchen, eine feurig-scharfe Ungarische Gulaschsuppe, diverse Grillplatten (Balkanteller, Schweizer Holzfällerteller, Schwäbischer Metzgerteller und Griechischer Hirtenteller), gelegentlich asiatische Spezialitäten (eine unvergleichlich gute Thai-Hühnersuppe zum Beispiel), Filet-Steaks, die nach Wunsch des Gastes in aller Regel auch wirklich english, medium oder well done auf den Tisch kommen. Und im Frühjahr gibt es den sicher besten Spargel in ganz Tbilissi (eine samtige Spargelcremesuppe, klassischen Stangenspargel mit frisch

aufgeschlagener Sauce Hollandaise, Spargel mit Lachs und Orangenbutter überbacken oder exotischen Spargelsalat mit Früchten und Currysauce). Schweizer Röschti oder deutsches Sauerkraut als Beilagen runden das Angebot ab, die Pommes frittes sind leider meist von minderer Qualität ebenso leiden die Salate (Salat Nicoise, Insalata Calabrese, Insalata Italiana oder frutti di mare) unter der minderen Qualität des georgischen Marktangebotes. Nur manchmal bringt ein georgischer Bauer einen guten Eisbergsalat oder Kopfsalat vorbei. Die georgische Küche steuert den berühmte Kösebrotfladen bei, allerdings nur in seiner fremdländische Machart, denn im Biergarten "geht der Chatschapuri international": griechisch, türkisch, französisch, deutsch, holländisch und italienisch - guten Käse für eine Chatschapuri gibt es nicht nur in Georgien.

Dominierend ist allerdings das Sortiment an italienischen Spezialitäten: 25 verschiedene, hauchdünn ausgewellte und knusprig gebackene Pizzen, die in zwei Grössen auch ausser Haus geliefert werden. Am beliebtesten sind Quattro staggione, Marinara, Caprizziosa, Hawai, Diavolo oder die freche Kinder-Kreation Pinocchio. Dazu italienische

Vorspeisen wie Foccacio, Pomodore Caprese, Carpaccio, Tomaten mit einer Thunfisch-Eier-Kapern-Masse gefüllt, oder hin und wieder Vitello tonnato, das gekochte Kalbfleisch mit einer Thunfisch-Sardellen-Kapern-Paste. Klassisch sind die Suppen wie Minestrone, Stracciatella oder Tortellini in Brodo. Das Pasta-Angebot lässt nichts aus, was ein Italien-Reisender so kennt und braucht: Spaghetti, Rigatoni und Tagliatelle in den Variationen Bolognese, Funghi, Napoli, Carbonara, pesto, Frutti di mare und Salmone. Überhaupt die Nudel: die Tagliatelle werden nach einem alten italienischen Hausrezept selbst gemacht, ebenso die Tortellini und Ravioli oder die Teigplatten für die Lasagnen. Und sie werden meist optimal gekocht, al dente, wie man es in Italien liebt und nicht weichgekocht zu einer matschigen undefinierbaren Masse.

Spitzenprodukt im Angebot: Tagliatelle tricolore alla casalinga, hausgemachte Nudeln in drei Farben mit einer Pilz-Spinat-Speck-Knoblauch-Sauce oder einem Ragout von Lachsfilet und Sahne. Da vergisst man schnell das Ambiente der Garagenkneipe, in der man sitzt. Gnocchi gibt es und die ganze Bandbreite italienischer Aufläufe: Pasta al forno. Fleischfresser können darüberhinaus zwischen Saltimbocca ala Romana und Piccate Milanese wählen. Bekannt ist die Pizzeria für ihre italienischen Desserts: Zabaglione und ein Tira mi su, für das man Mascarpone verwendet, der nach einem italienischen Originalrezept selbst hergestellt wird. Wenn die Zulieferung an Original-Zutaten nicht funktioniert, muss man manchmal eben etwas erfinderisch sein.

Angefangen hat das Restaurant vor einigen Jahren nur mit einem Sommer-Biergarten, woraus sich die reiche Palette an deutschen Fleisch- und Wurstspezialitäten erklärt: Nürnberger, Thüringer, Debrecziner, Bauernbratwürste und ein gegrillter Fleischkäse, Schnitzel, Steaks, Kassler, Sauerkraut, Kartoffelsuppe, Kartoffelbrei und Bratkartoffel, Apfelstrudel mit Vanillesauce - fast alles wie zu Hause bei Muttern. Nur drei Speisen fallen aus dem Rahmen: Pizza Alexander Orloff, Rigatoni a la Uli Schwagmeier und Ruud van Heels Dutch Outsnider Plate - allesamt Spezialkreationen langjähriger Stammkunden, die sich durch besonders häufige Frequenz der Lokalität das Recht erarbeitet haben, in der Speisekarte verewigt zu werden. Zur Nachahmung ruft die Restaurant-Leitung ausdrücklich auf.

Aprospos Restaurant-Leitung: Die beiden Restaurants, die zum Hotel Kartli gehören, gehen auf eine deutsche Gründung Mitte der 90-er Jahre zurück. Das Küchenpersonal, allesamt einheimische Frauen, wurden über Jahre hinweg in europäischer Küche geschult, der Service zählt nach Aussage der Kunden zu einem der besten und freundlichsten in der Stadt. Auf den Tischen stehen Olivenöl und Balsamico-Essig und auf Wunsch bringen die Kellnerinnen sogar eine Pfeffermühle. Es gibt nicht viele Restaurants in Tbilissi, die diesen Service bieten.

Seit mehr als einem Jahr ist das Restaurant wie auch das Hotel an eine georgische Betreiberfirma verpachtet, der deutsche Besitzer hat sich aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen. Und der georgische Pächter, Giorgi Tvalchrelidse, ist stolz darauf, mit seiner Mannschaft in dieser Zeit den Qualitätsstandard gehalten zu haben. Nach wie vor lebt das Restaurant von den vielen Stammkunden aus der internationalen Community von Tbilissi. Es wird aber zunehmend von immer mehr Georgiern besucht, mehr als ein Drittel der Stammgäste sind mittlerweile Einheimische. Daneben betreibt Giorgi Tvalchrelidse noch einen gut gehenden Partyservice und ist recht erfolgreich ins Catering-Geschäft eingestiegen. Ganz nebenbei: Im Kartli samt seinen beiden populären Restaurants haben rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Dauerarbeitsplatz gefunden.

Adresse:
Barnovstr. 32

Telefon für Home-Delivery, Partyservice oder Tischreservierungen: 982 982



























































































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