Politische
Erpressung
Der Airlinestreit geht weiter
"Jetzt reicht es wirklich" - erklärte der Präsident
der amerikanischen Handelskammer Fahdi Asly, als er auf einen
offenen Brief seiner Organisation an den georgischen Präsidenten
und das Parlament in Sachen British Mediterranean und Turkish
Airlines angesprochen wurde. Beiden Luftfahrtgesellschaften waren
die Landerechte in Tbilissi nach einer konzertierten Aktion von
Parlament, Steuerprüfung und Ziviler Luftfahrtverwaltung
nicht verlängert worden (siehe ...). Seither ist die georgische
Hauptstadt weder aus London noch aus Istanbul per Flugzeug direkt
erreichbar. Die georgische Seite, Präsident und Parlament
inbegriffen, verlangt von beiden Airlines direkte Kompensationszahlungen
an das "Flaggschiff der georgischen Luftfahrt" und garnierte
dieses Ansinnen mit nachträglichen Steuerforderungen in Millionenhöhe.
Gleichzeitig wurden die Anfang der 90-er Jahre abgeschlossenen
bilateralen Luftverkehrsabkommen infrage gestellt.
Die amerikanische Handelskammer bezeichnete diese Aktionen, die
zum Abbruch des Flugbetriebes beider internationaler Airlines
geführt haben, als eine "politische Erpressung"
und forderte den Präsidenten wie auch das Parlament auf,
dieser Erpressung Einhalt zu gebieten. Die Parlaments-Resolution
vom 27. Februar, auf deren Grundlage die Massnahmen georgischer
Behörden gegen die ausländischen Luftfahrtgesellschaften
eingeleitet wurden, bezeichnete die Handelskammer als "einen
klaren Beweis dafür, dass private Wirtschaftsinteressen Vorrang
haben vor der allgemeinen Entwicklung und der Wohlfahrt des Landes".
Das Aussetzen der Flüge der türkischen und britischen
Airliner habe nur dazu geführt, das Invstitions- und Geschäftsklima
in Georgien zu verschlechtern, die Glaubwürdigkeit Georgiens
bei internationalen Besuchern, Geschäftsleuten wie ernsthaft
interessierten Investoren, zu untergraben und das derzeit existierende
internationale Geschäft im Lande zu lähmen, das einen
regelmässigen Luftverkehr von und nach Georgien braucht.
Die Kammer mahnte in ihrem Schreiben die georgischen Behörden
an, internationale Geschäftspraktiken anzuwenden oder die
zuständigen Gerichtsbehörden anzurufen, sollten berechtigte
Klagen gegen die beiden Luftfahrtgesellschaften vorliegen.
Zur gleichen Zeit äusserte sich die türkische Botschafterin
Dicle Kopuz in Georgien in einem erstaunlich offenen Gespräch
vor dem Tbilisser Rotary Club zur Situation im Steit um die Landerechte.
Frau Kopuz erklärte, dass ihr Land an dem 1992 abgeschlossenen
Luftfahrtabkommen festhalten werde, das nach Austausch diplomatischer
Noten rechtskräftig geworden ist. Das Abkommen wurde vor
Verabschiedung der neuen georgischen Verfassung abgeschlossen,
auf die sich das georgische Parlament beruft, als es eine nachträgliche
Ratifizierung des Abkommens durch das Parlament forderte. Weil
diese Ratifizierung durch das Parlament nicht erfolgt sei, sei
das Abkommen null und nichtig, erklärten die georgischen
Parlamentarier.
Nach dem Abkommen von 1992 geniessen die Airlines beider Länder
im jeweiligen Gastland gewisse Steuerbefreiungen, wovon sowohl
die Türken in Georgien als auch eine frühere georgische
Luftlinie in der Türkei Gebrauch gemacht haben. Die Steuerbefreiuung
beruht demnach auf Gegenseitigkeit, weshalb nach türkischer
Ansicht die jetzt von der Steuerverwaltung aufgrund des Parlamentsentscheids
vom 27. Februar nachträglich erhobenen Steuerforderungen
rechtlich nicht haltbar sind. Diese Frage ist derzeit Gegenstand
eines Gerichtsverfahrens in Georgien, dessen Ausgang vor weiteren
Entscheidungen abgewartet werden muss. Die Botschafterin unterstrich,
dass die Verhandlungen auch zwischen den beiden betroffenen Airlines,
Turkish Airlines und Airzena, noch nicht endgültig gescheitert
seien. Es sei noch nicht klar, ob der türkische Carrier das
Land endgültig verlasse oder ob doch noch ein Weg gefunden
werde, den Markt mit AIRZENA vernünftig zu teilen. Sie unterstrich
allerdings auch, dass sie vor einem Monat in dieser Frage noch
optimistischer gewesen sei als heute. Die Türkei befinde
sich, auch was weitere Investitionen in Georgien angehe, in einer
Art Warteposition, bis die Probleme um die Landerechte endgültig
vom Tisch seien. Es sei höchste Zeit für Georgien, erklärte
die sichtlich frustrierte Diplomatin, dass sich das Land selbst
aufraffe und sich auf mehr Koooperation vorbereite. Der Streit
um die Landerechte für British Mediterranean und Turkish
Airlines hat anscheinend das internationale Geschäftsklima
und die diplomatischen Beziehungen Georgiens zu seinem wichtigsten
Nachbarn weitaus schwerer belastet, als bis heute öffentlich
bekannt wurde.
Unterdessen hat die private georgische Luftlinie AIRZENA ihre
dritte Boeing in Dienst gestellt. Sie wurde auf den Namen von
Kacha Asatiani getauft, den früheren Teilhaber der Gesellschaft,
der im vergangenen Jahr in Tbilissi auf offener Strasse ermordert
worden war.
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