Ausgabe 7/03
30. April
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In der Sioni-Kathedrale ging nichts mehr, als Katholikos Patriarch Ilia II. in der Nacht des Oster-samstags den Ostergot-tesdienst im Beisein des georgischen Staats-präsidenten Eduard Schewardnadse zelebrie-rte. Es brauchte einen mindestens halbstündigen Kampf, um in die völlig überfüllte Kathedrale hineinzukommen. Heraus-zukommen war nicht weniger anstrengend, denn auf dem Platz rund um die Hauptkirche von Tbilissi hatten sich mehr als Tausend Gläubige versammelt, von denen sich Hunderte ebenfalls in die enge Kirche zwängen wollten. Unter ihnen und nicht zu übersehen die lederbejackten Vertreter der Staatsmacht, die dem Festgottesdienst mit Patriarch und Staats-oberhaupt die notwendige Sicherheit verliehen. Ein paar Abgeordnete waren vertreten, der eine oder andere Minister und Tedo Tschaparidse, der Vorsit-zende des Nationalen Sicherheitskomitees. Die politische Prominenz war eher spärlich vertreten, verglichen mit früheren Jahren.

Zu Beginn der Osternacht wurde eine Botschaft des Patriarchen verlesen, die auch politische Inhalte hatte. Angesichts der bevorstehenden Parla-mentswahlen erklärte Illia II. die orthodoxe Kirche Georgiens zur einzigen Kraft, die das Volk ver-eine. Nach einem Be-schluss des heiligen Synods darf kein Geist-licher in den Wahlkampf eingreifen oder von Wahl-kämpfern vereinnahmt werden. Trotzdem werde es sich die Kirche nicht nehmen lassen, zu Fragen nationaler Bedeutung ihre Stimme zu erheben. Dies seien die territoriale Ein-heit, Unabhängigkeit, Auf-bau einer nationalen Wirt-schaft und soziale Pro-bleme.

Der Patriarch forderte von den Politikern den Aufbau eines freien, humanitären und demokratischen Staa-tes, erteilte aber Pseudo-freiheit, Chaos und Zer-störung eine deutliche Ab-sage. Die wirkliche Frei-heit dürfe nicht gegen Mo-ral und ethische Normen verstossen.

Kritik übte das Kirchen-oberhaupt an den Medien, die die Situation oft nega-tiver darstellten als sie sei. Strom- und Gaspro-bleme, niedrige Renten und Löhne, zu wenig Arbeitsplätze, dies alles sei Realität. Es bedeute aber nicht, dass die Lage auswegslos sei. Probleme verschiedener Art hätten schon immer existiert, es habe schon schwerere Zeit gegeben als diese. Die Dramatisierung der Situation durch die Medien und das Propagieren moralischer Liderlichkeit verschärften die Lage. Im Anschluss an diese Bot-schaft, die von einem Diakon verlesen wurde, zelebrierte der Patriarch einen feierlichen Oster-gottesdienst.

Am Ostersonntag waren alle Kirchen Georgiens überfüllt mit Gläubigen, die vor den Ikonen ihre traditionellen Kerzchen anzündeten. Vor den Kirchen machten Kerzen-verkäufer und die bei solchen Anlässen anschei-nend wohl organisiert auf-tretenden Bettler darauf aufmerksam, dass die georgischen Christen den höchsten Feiertag des Jahres begangen. Die fol-gende Fotostrecke soll einen Eindruck vom Ostergeschehen in der georgischen Hauptstadt vermitteln.

Am Freitag schon hatten die baptistische, katho-lische, protestantische und armenisch apostolische Kirche in einem gemein-samen Kreuzzug, der zu allen vier Kirchen führte, des Todestages Christis gedacht. Auch diese Zelebration war begleitet von einem nicht über-sehbaren Aufgebot an Sicherheitskräften, die sich nach Auskunft der Prozessionsteilnehmer diesen gegenüber auffällig freundlich und respektvoll verhielten. Im Januar, als ein ökumenischer Gottes-dienst noch von einer ultraorthodoxen Meute gesprengt wurde, hatten die Sicherheitskräfte eher mit den Aggressoren sym-patiert als mit den Ange-griffenen (siehe Bericht über die Baptistenkirche in der letzten Ausgabe von georgien-news). Das Hauptgebet im Schluss-gottesdienst in der bap-tistischen Kathedrale hielt ein orthodoxer Priester, der an der gesamten Pro-zession, die über sechs Stunden dauerte, teil-nahm. Das georgische Fernsehen berichtete aus-führlich und mit überaus positiven Kommentaren von diesem Ereignis der religiösen Minderheiten in Georgien. Vor ein paar Monaten wäre dies noch nahezu unmöglich erschienen.

Wie georgien-news vom Bischof der Georgischen Baptistischen Kirche, Malchaz Songulaschwili, erfuhr, suchte die hierar-chische Nummer zwei der georgischen Orthodoxie, Metropolit Athanase von Rustawi, nach dem ökumenischen Gottes-dienst am Karfreitag persönlich die baptistische Kathedrale auf, um einen Brief an den Baptisten-bischof zu überreichen. In diesem Brief entschuldigte sich der orthodoxe Kir-chenmann dafür, dass er in einem TV-Interview im Februar letzten Jahres allen Baptisten, Angli-kanern und Protestanten den Tod gewünscht hatte. Er sei nie gegen die heili-ge Kirche der Baptisten gewesen und bereue, wenn er sie nebenbei attackiert haben sollte. "Hiermit entschuldige ich mich vor Ihnen" endet der bemerkenswerte Brief.

Den Wortlaut des Briefes in einer englischen Über-setzung sowie Ausschnitte einer Mitschrift des Inter-views in Rustawi 2 vom Februar 2002 ebenfalls in einer englischen Über-setzung veröffentlichen wir im Background-Fenster von georgien-news.


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