Ausgabe 7/03
30. April
 TV-Termine:

 Schätze der Welt:
 Baku – Land des
 Feuers

 3sat: 11. Mai, 21.00 Uhr
 SWR: 18. Mai, 13.15 Uhr

 Schätze der Welt:
 Mzcheta – Wunder der
 Nino

 3sat: 18. Mai, 21.00 Uhr
 SWR: 25. Mai, 13.15

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Acht Tage lang ausver-kauftes Haus. Das geor-gische Nationalballett Su-khishvili gastierte wieder einmal in der Heimat und Tbilissi war begeistert. Zu Recht. Denn was das 70-köpfige Ensemble auf die Bühne der Philharmonie wirbelte, war allererste Sahne, insbesondere im zweiten Teil des Pro-gramms, in dem die tradi-tionsreiche Volkstanzkom-panie den Beweis antrat, dass man durchaus geor-gische Überlieferungen mit modernen Ausdrucks-formen verknüpfen kann. Chefchoreograph Iliko Sukhishvili jr., Enkel der Ballettgründer Iliko Sukhi-shvili und Nino Rami-schwili, hat in den letzten Jahren mit seinen neuen Choreographien das geor-gische Nationalballett fast revolutioniert. Er hat es gewagt, das ansonsten in Georgien so vehement verteidigte Konservieren tradierter Tanzmuster, Formen und Rollenver-teilungen zu brechen und hat seinen Tänzerinnen und Tänzern den Weg zum Tanzthater der Ge-genwart aufgezeigt - den Weg, noch nicht das Ziel. Aber manchmal ist ja der Weg schon ein Teil des Zieles.

Plötzlich stehen nicht mehr die Männer im Mit-telpunkt der Choreogra-phie, plötzlich spielen die Frauen die Hauptrolle. Im traditionellen georgischen Volkstanz werden die Frauen fast nur als hübsch aufgemachte Kulisse für die extatischen Selbstdar-stellungen der kaukasi-schen Art der Spezies Mann eingesetzt.

Seine neuen Choreogra-phien hätten, wie Iliko Sukhishvili in einem Gespräch mit georgien-news erklärte, nicht allen hierzulande gefallen. Aber der tradierte Volks-Kunst-Tanz ist ja auch nichts anderes als eine ästheti-sche Erfindung, die sei-nerzeit, vor fast 60 Jah-ren, von seinen Großel-tern aus den Dörfern des Kaukasus auf die Bühne gebracht wurde. Bühnen-werke sind immer Kunst-werke, auch wenn es sich um die überlieferten nati-onalen Tanzformen Geor-giens handelte. Seine Großeltern hätten zum Beispiel Aufsehen damit erregt, dass sie Männer in roten Kostümen auf die Bühne schickten, damals eine Revolution, heute würden das alle Tanz-gruppen fast als eine Tradition betrachten.

Er schickt dafür heute seine Tänzerinnen in einer Tschocha, der männlichen Nationaltracht Georgiens, auf die Bühne und lässt sie Tanzfiguren ausführen, die im traditionellen ge-orgischen Tanz nur den Männern vorbehalten sind. In den Dörfern des Kau-kasus spielen die Frauen eine viel stärkere Rolle als in der Stadt, erklärt der Choreograph, und über-dies hätten schon immer die Frauen auch Männer-rollen getanzt, dann näm-lich, wenn diese in den Krieg gezogen waren. Warum sollte er dann im Zeitalter weltweiter Eman-zipation nicht auch die Frauen auf der georgi-schen Tanzbühne zu gleichberechtigten Part-nern der Männer machen? Der Versuch ist gelungen und zwar eindrucksvoll. Dabei wird der Choreo-graph ebenso eindrucks-voll von seiner Schwester Nino, der Kostümbildnerin des Ensembles, unter-stützt. Was sie für den zweiten Teil des Pro-gramms an modernen Kostümen - alle basierend auf der traditionellen Kleidung des Kaukasus - kreierte, ist alleine einen Besuch dieser Tanzauf-führung wert.

Dazu die Musik:klassische kaukasische Instrumente: Duduki, Salamuri, Tschon-guri, Akkordeon und Trommeln. Einmal erlaubt die Dramaturgie des Abends dem 14-köpfigen Orchester einen Soloauf-tritt. "Gadi-Gamodi" heißt das mitreissende Stück, mit dem die georgische Folklore-Musik den An-schluss an das gefunden hat, was man weltweit "Worldmusic" nennt. Da harmonieren kaukasische Melodien mit Samba-rhytmen, da klingt es orientalisch und westlich zugleich, da hämmert das Ensemble ein Percussion-Intermezzo in den Saal, das einfach umwerfend ist. Auch in der georgi-schen Folkloremusik ist die Zeit des reinen Kon-servierens und Reprodu-zierens althergebrachter Muster vorbei, dem Su-khishvili-Orchester sei`s gedankt. Die kaukasische Musik sei schon immer von vielen Einflüssen beseelt gewesen, sagt der Iliko Sukhischvili, höchste Zeit, sie jetzt wieder ein-mal zur Musik der übrigen Welt zu führen. Man dürfe nicht darauf warten, bis die Musikentwicklung in der Welt sich der geor-gischen Musik widmen und diese in ihre modernen Strömungen aufnehmen werde. Die georgische Musik müsse zur Welt gebracht werden.

Der erste Teil des Pro-gramms war dagegen voll in der Tradition georgi-scher Tanzkunst. Die meisten Choreografien vor der Pause haben die Gründer des Ensembles, Ilikos Großeltern, noch selbst entworfen. Seit Jahrzehnten wurden sie nicht verändert. Dieser Kontrast zwischen den hinreichend bekannten artistischen Säbeltänzen, den geräuschlos über die Bühne dahinschwebenden Schönheiten und den Männlichkeits-Ekstasen wild dreinschauender Kaukasier vor der Pause und den modernen Tanz-formen nach der Pause erzeugt eine Spannung, die interessanter nicht sein könnte. Da wird ein Stück Tanzgeschichte vorgeführt, da sieht man in einem Zweistunden-programm gleich drei Generationen georgischer Tanzkunst, ihre Vergan-genheit und ihre Zukunft zugleich. Das Publikum dankte zu Recht mit ste-henden Ovationen.

Das Sukhishvili-Tanz-ensemble gastiert im Sommer in Italien, dann in Moskau und im Herbst in Großbritannien und Australien. Neben den beiden Enkeln Iliko und Nino sind auch deren Eltern Tengis Sukhishvili als Generaldirektor und Inga Tewsadse als Ballett-meisterin im Familien-unternehmen tätig.

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