Ausländische Fluggesellschaften haben es in Georgien besonders
schwer, klagen derzeit die Manager zweier nicht-georgischer Carrier:
British Mediterranean (BM) und Turkish Airlines (TA). Sie haben
ihre liebe Mühe und Not und zwar gleichzeitig mit der georgischen
zivilen Luftfahrtbehörde, den georgischen Steuerbehörden
und dem georgischen Parlament. Dagegen behauptet man in Georgien,
dass man nichts als Ärger habe mit den ausländischen Airlinern
und überdies auch daran denken müsse, die Interessen des
nationalen Carriers AIRZENA gegen die übermächtige ausländische
Konkurrenz zu schützen. Dabei werden, wieder einmal, alle Register
gezogen, um Druck auf die ausländischen Fluggesellschaften
auszuüben. Beiden Airlines wurde zwischenzeitlich einer von
drei wöchentlichen Flügen nach Tbilissi gestrichen und
Türken wie Briten rückte das Finanzministerium mit nachträglich
ermittelten Steuerforderungen in Millionenhöhe zu Leibe. Alle
Seiten wollen zwar ein gutes Ende der Streitigkeiten, möglicherweise
droht aber für BM und TA das endgültige Aus über
dem Himmel von Georgien, wenn nicht noch in letzer Minute ein Kompromiss
gefunden wird. Denn am gestrigen 15. April liefen die aktuellen
Landerechte aus und bis Redaktionsschluss wurde beiden Airlines
keine neuen in Tbilissi Landerechte gewährt. Unter dem Streit
leidet wieder einmal das eh schon angegratzte Image Georgiens als
Investitionsstandort. BM, das unter der Lizenz von British Airways
operiert, hat bereits deutlich gemacht, dass man sich überlege,
ob Georgien in die langfristige Strategie des Unternehmens passe.
Werden die Flüge mit dem heutigen Tag unterbrochen, sei dies
das Ende. Ein Unding, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das
Flugaufkommen auf der Strecke London-Tbilissi mit Beginn des von
British Petroleum geführten Baus der Pipeline Baku-Tbilissi-Ceyhan
mit Sicherheit steigen wird.
Lizenzzahlungen an georgischen Airliner gefordert
Die Situation ist, wie immer, reichlich kompliziert, denn es
wird gleichzeitig auf drei Ebenen gestritten, auf der Ebene der
Steuerverwaltung, der Ebene zwischenstaatlicher Regierungsverhandlungen
und auf der Ebene von Gesprächen zwischen privaten Fluggesellschaften
der betreffenden Länder. Letzteres, weil nach einem Dekret
des georgischen Staatspräsidenten aus dem Jahr 1999 jede
ausländische Fluggesellschaft, die Tbilissi anfliegen will,
gezwungen ist, vorab ein sogenanntes "kommerzielles Abkommen"
mit der führenden georgischen Airline abzuschliessen. Dabei
geht es im wesentlichen um einen finanziellen Ausgleich, den die
georgische Airline dafür verlangt, dass sie - aus welchen
Günden auch immer - ihren Anteil am bilateralen Luftverkehr
nicht wahrnimmt. Nach internationalem Luftverkehrsrecht müssen
sich Fluggesellschaften der jeweiligen Länder das Verkehrsaufkommen
teilen. Deshalb ist im britisch-georgischen Luftverkehrsabkommen
festgelegt, dass jede Seite auf der Strecke Tbilissi-London jeweils
drei Flüge pro Woche durchführen kann.
Während BM diese Flüge seit 1997 regelmässig anbietet,
hat sich bislang noch keine georgische Airline gefunden, die London
anfliegen möchte. Dies wird in Georgien damit erklärt,
dass man auf dem überlasteten Londoner Flughafen keine wettbewerbsfähigen
Slots erhalte. Dagegen verlautet auf britischer Seite, dass bislang
noch keine georgischer Antrag auf Landerechte in London eingegangen
sei, sodass diese Behauptung jeglicher Grundlage entbehre. Und
die BM-Manager, die in der vergangenen Woche in Tbilissi zu Krisenverhandlungen
weilten, nahmen nicht unbedingt den Eindruck mit nach Hause, als
ob die georgische Luftlinie ernsthaft daran interessiert wäre,
London regelmässig anzufliegen. AIRZENA, so der Eindruck
der Briten, bevorzuge stattdessen ein direktes kommerzielles Abkommen
mit BM und damit einen direkten finanziellen Ausgleich für
ihren Verzicht auf Flüge nach London.
Daran wiederum haben die Briten wenig Interesse. Wenn die georgische
Seite von sich aus darauf verzichte, die ihr zustehenden Flüge
nach London aufzunehmen, warum müsse dann die britische Airline
"Royalties" an ihren georgischen Wettbewerber bezahlen.
Trotzdem schliesst man auf britischer Seite ein privatwirtschaftliches
Abkommen zwischen BM und AIRZENA nicht grundsätzlich aus.
Es müsse nur, so verlautet aus britischen Verhandlungskreisen,
beiden Seiten Vorteile bringen und nicht nur einer. Einseitige
Lizenzgebühren an einen georgischen Wettbewerber werden grundsätzlich
abgelehnt. Ein enstsprechender Vertragsentwurf liege AIRZENA vor,
bis gestern habe die georgische Linie darauf nicht reagiert.
Zwischenstaatliche Luftfahrtabkommen
Die zweite Ebene, auf der gestritten wird, ist die der bilateralen
staatlichen Verhandlungen und Abkommen. Es gibt zwar ein georgisch-britisches
Luftverkehrsabkommen, das von beiden Regierungen unterschrieben
wurde, jedoch bislang von den Parlamenten nicht ratifiziert wurde.
Der Entwurf für ein neues Abkommen liegt bereits vor. Er
wird von der britischen Regierung akzeptiert, allerdings hat die
georgische Seite anscheinend noch nachträglichen Korrekturbedarf.
Und dabei geht es wieder um die Frage der direkten Kompensation
an eine georgische Fluggesellschaft. In der britischen Botschaft
wird jeder Gedanke an eine regierungsamtlich verordnete Pflicht
der Airliner, gegenseitige Lizenzabkommen abzuschliessen, abgelehnt.
Es sei nicht Sache der Regierungen, der privaten Wirtschaft Vorschriften
zu machen. Wenn die Airliner dies freiwillig täten, sei nichts
dagegen einzuwenden. Nur könne man nicht damit rechnen, dass
die britische Regierung diese Pflicht in einen Vertrag mit der
georgischen Regierung aufnehme. Das entsprechende Dekret des georgischen
Präsidenten wird von britischer Seite als international nicht
rechtskräftig bezeichnet.
Die Tatsache, dass das bisherige Luftverkehrsabkommen zwischen
London und Tbilissi noch nicht ratifiziert wurde, hat zu einer
weiteren Eskalation im Kampf um die Lufthoheit über dem Kaukasus
geführt. Gegen alle internationalen Regeln hat sich im Februar
das georgische Parlament in den Streit eingeschaltet und - wie
auch im Falle des georgisch-türkischen Luftverkehrsabkommens
- dieses einfach für ungültig erklärt, da es dem
Parlament nie zur Ratifizuerng vorgelgen hätte. Das Parlament
forderte die Zivile Luftfahrtverwaltung Georgiens auf, beiden
ausländischen Airlinern die Verlängerung der Flugrechte
über den 15. April hinaus nur dann zu genehmigen, wenn diese
zuvor ein Lizenzabkommen mit AIRZENA, dem Flaggschiff der georgischen
zivilen Luftfahrt, abgeschlossen hätten. Über einen
derartigen direkten Eingriff eines Parlaments in Vorgänge
der Wirtschaft rümpfen sich nicht nur in London und Ankara
Wirtschaftsexperten und Diplomaten die Nase. Beide Partnerländer
gehen davon aus, dass nach internationalem Recht beide Verträge
auch ohne parlamentarische Ratifizierung gültig sind, entsprechende
Noten wurden zwischen den Regierungen schon vor Jahren ausgetauscht.
Nachträgliche Steuerforderungen
Mit Rückendeckung des Parlaments eröffneten dann die
georgischen Steuerbehörden eine weitere Front gegen TA und
BM. Weil die in den früheren Luftverkehrsabkommen zugesagten
Steuerpriviliegien beim Verkauf von Tickets in Georgien wegen
der fehlenden parlamentarischen Ratifizierung der Abkommen nicht
rechtens seien, wurden die Bücher beider Airlines für
den gesamten Zeitrum ihrer Operationen in Georgien noch einmal
nachträglich geprüft, obwohl die Steuerverwaltung in
beiden Fällen regelmässig jährliche Steuerprüfungen
vorgenommen und dabei keine Steuernachzahlungen gefordert hatte.
Bei BM wurde jetzt eine Nachforderung von 13 Millionen GEL aufaddiert,
bei TA sind es sogar 17 Millionen GEL. In beiden Fällen wird
die Berechtigung der Forderungen bestritten. TA hat bereits Klage
gegen die georgische Steuerverwaltung eingereicht.
Während die Briten eine Lizenzahlung an AIRZENA ablehnen,
hat TA anscheinend über viele Jahre hinweg diese Zahlungen
geleistet. Man spricht auf türkischer Seite von rund 3 Millionen
$, die in den vergangenen Jahren an die georgische Linie geflossen
seien. Nachdem im vergangenen Jahr eine weiter Luftlinie nach
Georgien kam und ihre Landerechte durchsetzte, ohne das Präsidialdekret
nach direkter Subventionierung des georgischen Luftfahrtflaggschiffs
zu erfüllen, wurden anscheinend auch die Türken hellhörig
und stellten ihrerseits die Zahlungen ein. Jetzt sollen sie angeblich
bereit sein, anstelle von Lizenzzahlungen einen der drei wöchentlichen
Flüge an die AIRZENA abzutreten. Eine ähnliche Regelung
hat AIRZENA bereits mit der österreichischen Luftlinie AUA,
in deren Namen sie einen Flug pro Woche nach Wien operiert.
Sind ausländische Carrier unerwünscht?
Der massive Angriff verschiedener georgischer Behörden auf
die internationalen Fluglinien und deren Landerechte für
den Sommerflugplan 2003 erscheint Beobachtern als eine Art konzertierte
Aktion, um von ausländischen Fluggesellschaften eine direkte
Subvention der privaten georgischen zivilen Luftfahrt zu erreichen.
Dabei wird von georgischer Seite übersehen, welcher fast
irreparable Schaden für das internationale Renomee des Landes
bereits jetzt entstanden ist. Dicle Kopuz, türkische Botschafterin
in Tbilissi, erklärte, dass die Behandlung dieser Frage nicht
den ansonsten konstruktiven und partnerschaftlichen Beziehungen
der beiden Länder entspreche. Auch in Georgien wird das konzertierte
Vorgehen der Behörden kritisiert. "Klar wird",
schreibt Civil Georgia, "dass am georgischen Himmel die grossen
ausländischen Carrier nicht erwünscht sind." Dies,
so Civil Georgia weiter, würde die Glaubwürdigkeit des
Landes untergraben, dessen offizielle Politik darin besteht, sich
als Transit-Land zwischen Europa und Asien zu profilieren.
Auch zwischen der deutschen Linie Germania und georgischen Behörden
tobte in den letzten Wochen ein heftiger Kampf. Während die
georgische Linie AIRZENA zweimal in der Woche Frankfurt anfliegt,
bedient Germania ebenfalls zweimal in der Woche die Strecke Düsseldorf-Tbilissi.
Germanias Antrag auf zwei weitere Flüge von Frankfurt nach
Tbilissi wurden von der georgischen Seite abgelehnt mit der Begründung,
bei jeweils zwei Flügen pro Linie nach Deutschland sei die
Parität zwischen den Fluglinien beider Länder gewährleistet.
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