Ausgabe 4/03
19. März
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Schätze aus dem Land des Goldenen Vlies werden seit November 2002 und bis 1. Juni 2003 im Museum Wiesbaden in einer Sonderschau gezeigt. Dabei handelt es sich um die Ausstellung, die bereits vom Oktober 2001 bis Mai 2002 im Deutschen Bergbaumuseum in Bochum großes Interesse gefunden hatte. Diese Information zur Genese der Ausstellung ist wichtig, um zu verstehen, warum in Wiesbaden nicht nur herrliche Exponate aus dem schier unermesslichen Bestand georgischer Schatzkammern gezeigt werden. Das Konzept, das diese Ausstellung mit rund 700 Exponaten aus 90 Fundorten Georgiens so informativ macht, liegt in der Darstellung des handwerklichen Hintergrundes dieses immensen Reichtums an uralten Kunstgegenständen. Gezeigt wird für alle Werkstoffe der gesamte Vorgang vom Gewinnen der Erze über die Veredelung der Rohstoffe zu gebrauchsfähigen Metallen bis hin zur Nutzanwendung, zu Werkzeugen also, zu Waffen und zu filigranem Goldschmuck, dessen Prachtstücke zweifelsohne den Höhepunkt dieser Schau darstellen und den Titel von den georgischen Schätzen rechtfertigen.


Die Macher der Ausstellung spannen daneben einen großen Informationsbogen von den großen Mythen der Antike, die im Land zwischen Großem und Kleinen Kaukasus spielen, bis hin zur Aktualität unserer Tage, wobei die Informationen über die politische Gegenwart und jüngere Vergangenheit teilweise mehr als fragwürdig erscheinen. Davon später mehr, bleiben wir zunächst einmal beim archäologischen Kern der Schau.


Das Museum Wiesbaden schreibt in seiner Internet-Seite (www.museum-wiesbaden.de ) zum prähistorischen Hintergrund: Das alte Georgien liegt am Fuße des Kaukasus-Gebirges und an der östlichen Küste des Schwarzmeeres. Zahlreiche Legenden der Antike spielen in dieser Region: Prometheus, in der griechischen Überlieferung Schöpfer des Menschen, war dort an den Felsen geschmiedet. Andere Mythen, wie etwa derjenige um Jason und die Argonauten, die mit Hilfe der des Heilens kundigen Medea das sagenhafte Goldene Vlies entführen wollten, erinnern daran, dass der Reichtum des wegen seiner besonders günstigen natürlichen Bedingungen früh besiedelten Landes schon in der Antike immer wieder Eroberer anlockte (Das goldene Vlies war ein Lammfell, welches anstelle eines Siebes zum Auswaschen von Flussgold benutzt wurde).


Die Ausstellung macht mittels Nachbauten antiker Schiffsarchitekturen, großformatiger Bildtafeln und Videos aber auch die Legendenbildungen um diese Region und eine bis ins 10. Jahrtausend vor Christus zurückreichende Geschichte der Kultur und der Lebensweise dieses Landes lebendig. Das älteste in der Ausstellung gezeigte Fundstück wird in das 5. vorchristliche Jahrtausend datiert. Nach jüngsten Erkenntnissen haben bereits vor mehr als 1,75 Millionen Jahren Menschen in Georgien gelebt. Der bekannte Schädelfund von Dmanisi stammt vermutlich sogar vom ältesten Menschen des gesamten westlichen Eurasiens. Primitive Steinwerkzeuge lassen Rückschlüsse auf seine Lebensweise zu. (Siehe auch: Vierter Urzeitschädel in Dmanissi gefunden in georgien-news vom August 2002).


Intensive archäologische Forschungen haben in den vergangenen Jahren reiches Material zur Entwicklung Georgiens von der frühen Steinzeit bis zum späten Mittelalter erbracht. Die Erkenntnis, dass Gold, Silber, Kupfer, Eisen und andere Metalle hier bereits in sehr früher Zeit bergmännisch abgebaut, bearbeitet und gehandelt worden sind, erhellt einen wesentlichen Hintergrund früher gesellschaftlicher Entwicklungen, verweist aber auch auf die engen Beziehungen Georgiens zu den Hochkulturen der Antike in Mesopotamien, Anatolien und der Ägäis. Das "goldreiche Kolchis", dessen Blüte in die Zeit vom 7. - 4. Jahrhundert vor Christus fällt, wird schon bei Herodot, Aristoteles, Plinius und anderen griechischen und römischen Autoren erwähnt.

  

Besonders eindrucksvoll sind die beiden Säle mit den wichtigsten Kunstschätzen aus dieser Zeit. Einmal der Saal, in der Stelen artigen kleinen Vitrinen zu einer Installation angeordnet sind, die der Architektur des Jason-Schiffs „Argo“ nachempfunden ist - eine Hommage an den ersten Touristen Georgiens. Oder der erste Saal, in dem unter anderen die Grabfunde aus dem westgeorgischen Wani ausgestellt sind: Wunderschöne Goldarbeiten, Diademe, Ketten und Armreife, die normalerweise in der Schatzkammer des Historischen Museums in Tbilissi oder (in Kopie) im Museum bei dem auf alle Fälle sehenswerten Ausgrabungsgelände in Wani zu sehen sind (siehe auch: Die Schatzkammer des Historischen Museums in Tbilissi, GN vom 6. November 2002). In diesem wesentlichen Teil besticht



die Ausstellung durch die Qualität der Exponate und deren Präsentation: unbedingt und uneingeschränkt sehenswert. Die Bilder, die GN mit einer Sondergenehmigung der Museumsleitung in Wiesbaden hat machen dürfen, sprechen für sich. Natürlich weiß jeder, der die Museen der georgischen Hauptstadt Tbilissi gesehen hat, dass da nicht viel mehr als ein paar Appetithappen den Weg ins alte Europa gefunden haben. Die Schatzkammern in Georgien quellen über von Grabungsfunden dieser Qualität.

  

Umso unverständlicher sind dafür die Schwächen des aktuellen Informationsteils, zumal diesem mit einem großen halbrunden Saal und gut einem Dutzend Vitrinen reichlicher und prominenter Platz gewidmet wurde. Man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass da noch zuviel des alten sozialistischen Museumsgeistes waltete, zumindest bei den Vorgaben der georgischen Macher der Ausstellung. Da werden Farbdias von Georgien in durchaus bescheidener Qualität gezeigt, also ob es in den Spezial-Archiven des Landes nicht wirklich brillantes Zelluloid-Material gäbe. Da wird noch immer die Legende vom größten Teeproduzenten der ehemaligen Sowjetunion transportiert, als ob der Weltmarkt, dem sich Georgien nach der politischen Wende stellen musste, nicht schon längst die Antwort gegeben hätte: kaum konkurrenzfähig. Und da zeigt man in einer Vitrine mit dem Thema „Gegenwart und politisches System“ ausgerechnet eine Handvoll georgischer Landser auf ein paar Panzern, als ob das allseits bekannte völlig unterfinanzierte und heruntergekommene Militär Georgiens tatsächlich der Nabel der modernen Demokratie im Lande sei. Und die deutsche Museums-Führerin stellt die leider ebenso bekannten wie undifferenzierten Klischees von der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage im Lande in direkten Kontrast zur Armee, als ob es dieser wesentlich besser ginge als dem Rest der angeblich völlig verarmten Gesellschaft. Das Gegenteil von allem stimmt, wie jeder weiß, der einmal einen Blick hinter die Verteidigungskulisse des selbsternannten NATO-Beitrittskandidaten hat werfen können und um die in den letzten Jahren durchaus gestiegene Kaufkraft, die der prosperierenden georgischen Schattenwirtschaft zu verdanken ist, weiß.


Völlig unverständlich und eher peinlich wird dann, wie mit einem Foto vom historischen Strickjacken-Treffen von Kohl und Gorbatschow im (Nord!!)-Kaukasus versucht wird, einen aktiven Bezug Georgiens zur jüngsten politischen Geschichte des deutschen Gastgebers dieser Ausstellung herzustellen. Der wirkliche Beitrag Georgiens zur deutschen Einheit liegt darin, dass der damalige Außenminister der UdSSR zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal im Traum ahnen konnte, dass er wenige Jahre später als Präsident eines unabhängigen Staates Georgien auf die politische und wirtschaftliche Unterstützung seines Freundes Hans-Dietrich Genscher und dessen Landes würde angewiesen sein. Wie lange will man mit dem Pfund Schewardnadse noch hausieren gehen?

Die Informationen georgischer Archäologen über die Jahrtausende vor Christus erscheinen dagegen weitaus glaubwürdiger und präziser als das, was sie zur Gegenwart ihres Landes zusammengetragen haben. Schade nur, dass deutsche Museen dies alles kritiklos übersehen, anstandslos übernehmen und den Besuchern der Ausstellung damit ein völlig schiefes Bild von der georgischen Gegenwart vermitteln. Das soll aber dem unschätzbaren Wert des archäologischen Teils dieser Ausstellung keinen Abbruch tun.

Text und Fotos: Rainer Kaufmann

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Mehr Informationen
Artikel aus
www.georgien-news.de

Museum Wiesbaden
www.museum-wiesbaden.de

Katalog
Unbedingt lesenswert ist der üppige Katalog den das Bergbaumuseum Bochum im Jahr 2001 herausgebracht hat. 500 Seiten mit allen Exponaten und vielen wissenschaftlichen Abhandlungen.
Preis € 25,--.
ISBN: 3-921533-84-8



Stadtplan Wiesbaden


Musem Wiesbaden


Präsidiales Grußwort


Bronzeschmuck


Bronzeschmuck


Ritualaxt


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Gürtelschließe


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Fotografischer Fehlgriff: Georgien heute


Geschichtsklitterung: Georgien und die Wiedervereinigung


Goldschmuck aus Wani


Die Großeltern Europas?

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