Bahnreform auf abchasisch?
Diplomatisches Tauziehen um Bahnlinie Sotschi - Suchumi


Wenn die offiziellen Moskauer Auskünfte stimmen, dann spielt sich derzeit in Russland und Abchasien eine bemerkenswerte Reform des Eisenbahnwesens ab. Unisono antworteten die Vertreter des Außen- und Transportministeriums auf die georgischen Beschwerden über die Wiedereröffnung der Eisenbahnlinie Sotschi - Suchumi, es seien „privatwirtschaftliche Strukturen von Krasnodar und Suchumi, die dieses Geschäft aufgenommen“ hätten. Auf diese hätten staatliche Institutionen leider keinerlei Einfluss.

Die Eisenbahnlinie Suchumi – Sotschi war im Zusammenhang mit dem Abchasienkonflikt 1992 unterbrochen und auch infolge eines Boykottbeschlusses der GUS bisher nicht wieder in Betrieb genommen worden. Im vergangenen Jahr wurde das Thema immer wieder einmal angesprochen. So forderte zum Beispiel Armenien eine Wiedereröffnung der gesamten Linie von Sotschi nach Tbilissi, um auf diesem Wege wieder an das Transport- und Versorgungsnetz der russischen Eisenbahnen angeschlossen zu werden. Auch Aslan Abaschidse, der persönliche Beauftragte Schewardnadses für Abchasien, hatte dies in seinem Katalog vertrauensbildender Maßnahmen vorgeschlagen und hatte vor allem in Georgien die öffentliche Meinung gegen sich.

Im Dezember überraschte Suchumi die Öffentlichkeit mit einer Erklärung, dass die Linie ihren Betrieb wieder aufnehmen werde, am 26.12. rollte der erste Zug über die russische Grenze. Ab 15. Januar 2003 soll, so der Eisenbahnchef von Sotschi, ein täglich verkehrender Zug seine Arbeit aufnehmen. Technisch sei das kein Problem und die Nachfrage nach Tickets sei enorm. Georgien reagierte – wieder einmal – äußerst verärgert und protestierte auf allen diplomatischen Ebenen, hat aber wenig Druckmittel, um das russisch-abchasische Doppelspiel mit der „Privateisenbahn auf staatlichen Geleisen“ zu verhindern.

Die Drohung, das Mandat der russischen Friedenstruppen in Abchasien nicht zu verlängern, wird in Moskau kaum jemand ernst nehmen. Zwar steht am 31. Januar im UN-Sicherheitsrat die Verlängerung des UNOMIG-Mandates in Abchasien auf der Tagesordnung, die ohne bewaffnete GUS-Friedenstruppen – unter diesem Mandat laufen die russischen Truppen in Abchasien – nicht denkbar ist. In Georgien hat das Parlament schon lange eine Entschließung gefasst, das Mandat der russischen Truppen nicht mehr zu verlängern. Präsident Eduard Schewardnadse hat dies aber beharrlich ignoriert, da er zu gut weiß, was auf sein Land ohne UNOMIG und GUS-Friedenstruppen zukommt: ein erneuter Waffengang in Abchasien, der von keiner Seite gewonnen werden kann.

Von Journalisten dieser Tage auf das Thema angesprochen, antwortete er – zweideutig wie oft – er könne sich nicht vorstellen, dass Georgien einer Mandatsverlängerung für russische Friedenstruppen zustimme, solange die Eisenbahnlinie Sotschi – Suchumi operiere. Dass er damit aber einem sofortigen Abzug der Russen das Wort geredet hätte, kann ihm keineswegs unterstellt werden. Hohe georgische Regierungsbeamte erinnern daran, dass es schon einmal eine Situation gab, in der russische Friedenstruppen nach Ablauf ihres Mandats ohne förmliche Verlängerung noch einige Monate in Abchasien verblieben und mit ihnen auch die Beobachter von UNOMIG. Und keiner hatte etwas dagegen.

So dürfte es auch Ende Januar kommen, wenn in New York das Mandat der UNOMIG-Soldaten verlängert wird. Niemand, am allerwenigsten Georgien, hat ein Interesse daran, den Status quo in Abchasien zu verschlechtern, von großen Fortschritten ist derzeit sowieso kaum die Rede. Georgien wird zwar keine förmliche Verlängerung des russischen GUS-Mandats unterschreiben, genauso wenig aber den Abzug der Russen fordern. Das wird dem UN-Sicherheitsrat für eine Mandatsverlängerung für UNOMIG reichen, zumal es dort derzeit weitaus wichtigere Themen zu besprechen gibt als Abchasien und die Eisenbahn.

Der georgische Verkehrsminister Adeischwili ist derzeit in Moskau, wo ihm zuständige Abteilungsleiter des russischen Verkehrsministers beteuerten, alles zu tun, um den privatwirtschaftlichen Grenzverkehr zwischen Abchasien und der Region Krasnodar zu unterbinden. Auf eine vertragliche Vereinbarung allerdings will sich die russische Regierung nicht einlassen. Dann müsste man ja die Privatisierung der Eisenbahnlinie Sotschi – Suchumi zurücknehmen, wer auch immer sich für diese beispielhafte Reform zuständig fühlt.

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