Absurdes von und um Peter Shaw
Der Brite beschuldigt den georgischen Agrarminister der Entfuhrung

Die unendliche Geschichte um den britischen Bankenberater Peter Shaw, der 141 Tage lang entfuhrt worden und Anfang November unter merkwurdigen Umstanden befreit worden war, geht weiter. Und sie nimmt immer absurdere Formen an. Denn bei seiner Vernehmung durch georgische Ermittlungsbeamte in London hat Peter Shaw anscheinend den georgischen Agrarminister David Kirwalidse der moglichen Teilnahme an seiner Entfuhrung beschuldigt. Gleichzeitig nannte er den Prasidenten der Firma "USCHBA", Gotscha Pipia, als weiteren moglichen Drahtzieher des Verbrechens. Diese Informationen verbreitete ein Sprecher des georgischen Innenministeriums, ohne der Offentlichkeit weitere Details aus der Vernehmung von Peter Shaw oder etwa von diesem vorgelegte Beweise oder konkrete Verdachtsmomente zu benennen. An der Befragung Peter Shaws nahmen nur zwei Beamte des Innenministeriums und des Staatssicherheitsministeriums teil, der Generalstaatsanwalt hatte, obwohl die Britische Regierung die Reisekosten ubernommen hatte, keinen Vertreter nach London geschickt.

(Zum Hintergrund der Affaire Peter Shaw: GN-Archiv > Specials > Peter Shaw)

Kirwalidse wies diese Beschuldigung als absurd zuruck, unterstutzt von seinem Staatssicherheitsminister, der, ohne die gegen seinen Kollegen erhobenen Vorwurfe gepruft zu haben, spontan erklarte, eine mogliche Verbindung von Kirwalidse und Pipia in den Fall Peter Shaw sei ausgeschlossen. Und Staatsprasident Schewardnadse, zustandig fur alle Problemfalle des Landes, steuerte in seiner Montagspressekonferenz auf Befragen die Bemerkung bei, wenn man der Logik folge, dass der Agrarminister ein Entfuhrer sein konne, weil er sich von Amts wegen um alle Bereiche der Landwirtschaft zu kummern habe, dann konne man auch ihn, den Prasidenten personlich, der Entfuhrung beschuldigen. Das Thema Peter Shaw, eigentlich nur noch ein Fall fur Staatswanwalte und Gerichte, beschaftigt anscheinend hochste politische Kreise in Tbilissi.

Schewardnadse informierte die Offentlichkeit auch daruber, dass sich Peter Shaw kategorisch geweigert habe, auf die Fragen der georgischen Ermittler zu antworten, weshalb unter Umstanden eine neue Vernehmung Peter Shaws in London angesetzt werden musse. In den georgischen Medien wird allerdings der Hintergrund dieser Weigerung des Briten verschwiegen. Fur eine strafprozessual relevante Vernehmung eines Zeugen muss ein Beamter der zustandigen Staatsanwaltschaft die Vernehmung fuhren. Beamte des Innen- oder Staatssicherheitsministeriums haben keine rechtliche Befugnis fur Vernehmungen, sie konnen allerdings einer staatsanwaltlichen Vernehmung beiwohnen. Angesichts der knappen Haushaltslage - das georgische Parlament musste wegen Geldmangels sogar eine Delegation zur OSZE-Konferenz nach Portugal absagen, wo es um die Fragen Abchasiens ging - hatte die britische Regierung den Georgiern die Reisekosten abgenommen.

Unverstandlich ist es deshalb, so ein hoher georgischer Regierungsbeamter, warum der Generalstaatsanwalt darauf verzichtet hat, einen Vernehmungsbeamten nach London zu schicken. In einem moglichen Prozess gegen mutmassliche Entfuhrer - so sie gefunden und festgenommen werden - hat die erste Vernehmung Peter Shaws demnach keinen Beweiswert. Mehr als um ein informelles Gesprach zwischen georgischen Polizisten und dem Briten war das nicht, was sich in der vergangenen Woche in London abgespielt hat. Mit Unverstandnis reagieren deshalb politische Kreise in Tbilissi auch auf die Tatsache, dass die Anschuldigungen Peter Shaws ausgeplaudert wurden, wobei auch Peter Shaws Verhalten heftig kritisiert wird. In den georgischen Medien steht er nach wie vor unter dem Verdacht, EU-Gelder veruntreut zu haben, ohne dass bislang ein offizielles Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft eroffnet worden ware.

Das Verhaltnis zwischen Peter Shaw und David Kirwalidse war seit langem angespannt, da offensichtlich erhebliche Meinungsverschiedenheiten uber die Zukunft der Bank bestanden. Wahrend aus Kreisen der europaischen Bankenstifter dem Landwirtschaftsminister vorgeworfen wird, er habe sich die Bank klammheimlich aneignen wollen, verlautet aus georgischen Regierungskreisen, dass Kirwalidse wohl bei der Formulierung einer Ausschreibung, mit der eine kunftige Beratungsfirma fur die dahindumpelnde Agrobusinessbank gesucht wurde, dahingehend Einfluss genommen habe, dass nicht nur Peter Shaws Beraterfirma alleine in der Lage gewesen ware, diese Ausschreibung zu gewinnen. Dabei habe Peter Shaw versucht, den Georgiern einige Paragraphen in der Endfassung unterzujubeln, die im zuvor abgesegneten Entwurf nicht enthalten gewesen waren. Kirweladse sei ihm dabei auf die Schliche gekommen.

Aus diesen Interessensgegensatzen ruhrt wohl die tiefe Abneigung, die beide fureinander empfinden. Ob dies allerdings ausreicht, den in und ausserhalb Georgiens durchaus angesehenen Fachminister eines Verbrechens wie das einer Entfuhrung zu bezichtigen, ist derzeit noch nicht abzuwagen. Wobei noch nicht einmal klar ist, ob Peter Shaw diese Anschuldigungen auch wirklich gemacht hat. Bislang haben sich nur die georgischen Gesprachspartner Peter Shaws uber den Inhalt ihrer Unterredung ausgelassen.

Eine GN-Anfrage bei der EU-Delegation in Tbilissi zur Bewertung dieser gegenseitigen Anschuldigungen ging ins Leere. Die beiden Diplomaten, die sich bisher in der Offentlichkeit des Falles angenommen hatten, Jacques Vendomme und Torben Holtze sind vorerst im Weihnachtsurlaub. Das gegenseitige Beschuldigen in den georgischen Medien wird wohl weitergehen.


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