Irgendetwas muss im Georgien des Jahres 2002 grundlich schief gelaufen
sein. Denn eigentlich hat das Jahr ganz anders angefangen.
Erinnern wir uns: Anfang des Jahres prasentierte der deutsche
UN-Sonderbotschafter fur den Abchasienkonflikt, Dieter Boden,
ein Papier, dem erstmals neben den Georgienfreunden Deutschland,
Amerika, England und Frankreich auch Russland zustimmte und das
eine Losung des Abchasienkonflikts auf der Basis der territorialen
Integritat Georgiens vorsah. Es schien, als ob die Moskauer Au?enpolitik
ihre destruktive Rolle in Abchasien langsam aber sicher aufgegeben
hatte und als ob sich jetzt wirklich eine historische Chance fur
die Losung des Konflikts ergeben konnte. Jedenfalls berichteten
diplomatische Insider aus mehreren Landern im Fruhjahr ubereinstimmend,
dass sich jetzt etwas bewegen konne in und um Abchasien.
Erinnern wir uns weiter: Als Fallschirmjager der russischen Friedenstruppen
im Fruhjahr ohne entsprechende Absprache mit Georgien und der
UNOMIG ins Kodorital verlegt wurden und die Gefahr einer militarischen
Konfrontation mit Georgien bestand, war Wladimir Putin nach einem
Telefongesprach mit Eduard Schewardnadse in der Lage, die Mini-Krise
beizulegen und seine Militars wieder in ihre Kasernen zuruckzupfeifen,
bevor sie gro?eren politischen Flurschaden anrichten konnten.
Erinnern wir uns ein drittes Mal: Als im Februar die Amerikaner
urplotzlich erklarten, wegen der moglichen Anwesenheit von Al
Quaida-Leuten im Kaukasus Georgien mit Militarberatern und -ausbildern
beistehen zu mussen, beendete wiederum Wladimir Putin nach einem
Vieraugengesprach mit Eduard Schewardnadse in Alma Ata den Sturm
medialer Entrustung in Moskau mit der Bemerkung, dass Georgien
als eine unabhangige Nation jedes Recht habe, das Sicherheitssystem
zu wahlen, das seinen Interessen am besten dient.
Der russische Prasident und sein georgischer Kollege, so schien
es, hatten einen Draht zueinander gefunden, mit dem sie in der
Lage waren, alle kleineren und mittleren Krisen im Verhaltnis
der beiden Lander zu managen. Mehr noch: Beide Seiten vermittelten
Anfang des Jahres den Eindruck, dass es nur noch weniger Verhandlungen
bedurfe, um ein neues Rahmenabkommen uber die russisch-georgischen
Beziehungen unterzeichnen zu konnen.
Bei seiner Rede vor dem Parlament der Europaischen Union in Brussel
am 18. Marz - auch daran muss am Jahresende erinnert werden -
konnte Eduard Schewardnadse, der fruhere Au?enminister der UdSSR,
diese neue Mannerfreundschaft noch mit folgenden Worten wurdigen:
"Meine jungsten Treffen mit dem Russischen Prasidenten
haben mich davon uberzeugt, dass wir Schritt fur Schritt eine
gemeinsame Sprache finden und ein engeres Verhaltnis aufbauen.
Mit anderen Worten, wir pflegen die Art personlicher Beziehungen,
die schon ofter ein entscheidender Faktor in der Politik waren.
Es war ein Geflecht an ahnlich engen und vertrauensvollen Beziehungen
unter den politischen Entscheidern, das in den 80-er Jahren die
deutsche Wiedervereinigung ermoglichte, den Ruckzug der Sowjettruppen
aus Europa und Afghanistan und schlie?lich das Abschmelzen des
vermeintlich unschmelzbaren Eises des Kalten Krieges."
Und dann kam der 11. September, der Jahrestag der New Yorker Katastrophe,
und ein Wladimir Putin, der Georgien unverblumt mit einem militarischen
Eingreifen im Pankisital drohte. Irgendetwas muss also geschehen
sein, entweder in Georgien oder in Moskau, dass dem georgisch-russischen
Fruhling des Jahres 2002 ein uberaus sturmischer Herbst folgte.
Oder hatte Schewardnadse seine personliche Beziehung zu Putin
hoffnungslos uberschatzt?
Es ist in der Tat sehr viel geschehen in diesen zwolf Monaten,
die Situation im sudlichen Kaukasus hat sich grundsatzlich und
durchaus dramatisch geandert, so dramatisch, dass man verstehen
muss, dass nicht alle aus der Moskauer Elite sich damit abfinden
wollen. Denn seit Jahrhunderten ist der Kaukasus ureigenstes russisches
Einflussgebiet. Im Jahr 2002 aber hat der amerikanische Prasident
George W. Bush seinem Gastgeber Wladimir Putin ins Moskauer Gipfel-Kommunique
geschrieben, dass die Vereinigten Staaten von Amerika gemeinsam
mit der Russischen Foderation die Stabilitat im Kaukasus gewahrleisten
werden. Moskau hat plotzlich einen Mitspieler im Kaukasus bekommen
und, was weitaus schwerer wiegt, Moskau kann sich dessen Dominanz
kaum erwehren. Denn der Mitspieler im Kaukasus ist ein "global
player", der einzige, der ubrig geblieben ist, eine Rolle,
an die Russland sich derzeit nur noch in nostalgischen Traumen
erinnern kann. Und diese Traume tun weh.
Dies alles hat eine ganze Reihe konkreter Hintergrunde und - mehr
noch - eine ganze Reihe von konkreten Folgerungen, die manch einem
in Moskau nun wirklich nicht schmecken konnen. Nicht alle dieser
Veranderungen hat eine auf jeden Theaterdonner abfahrende Weltpresse
in ihrer eigentlichen Bedeutung und Dramatik auch wirklich wahrgenommen.
Manches blieb hinterm Pulverdampf aufwendig inszenierter Krisen
verborgen. Listen wir die wichtigsten Ereignis vor und hinter
den Kulissen des Jahres 2002 auf:
1. Die von Russland bis zum Schluss bekampften Pipelines von Baku
uber Tbilissi in die Turkei werden nun wirklich gebaut. Im Dezember
erst hat Georgien trotz erheblicher okologischer Bedenken offiziell
die Bauplane gebilligt. Der erste asiatisch-europaische Energiestrang,
der nicht uber Gebiet fuhrt, das von Moskau kontrolliert wird,
wird Realitat. Die Strecke uber Tbilissi haben die USA durchgesetzt.
Jetzt lauft der Countdown auf Hochtouren, die ersten wirtschaftlichen
Auswirkungen sind greifbar: Stellenausschreibungen und Lieferantensuche
durch BP, den Konsortialfuhrer des Pipelinebaus. Die ersten Rohren
aus Japan werden im Januar verschifft, die ersten Bau-Dollars
machen sich bereits im Land bemerkbar. Die georgische Wirtschaft
der nachsten Jahre wird den Push, den der Pipelinebau bringt,
dankbar annehmen.
2. In direktem Zusammenhang mit der Pipeline steht auch das amerikanische
Militarengagement in Georgien - "Georgian Train and Equip
Program/GTEP" genannt - , obwohl es im Fruhjahr einzig und
allein mit der Gefahr von Al Quaida Terrorismus im Pankisital
begrundet wurde. Heute, zum Jahresende, bestatigen Georgier wie
Amerikaner bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit, dass die
von den US-Ausbildern trainierten georgischen Soldaten den Kern
einer nationalen Berufsarmee bilden wurden, deren Aufgabe es naturlich
auch sei, die Pipelines zu sichern. Analysten in und au?erhalb
Georgiens haben bereits im Fruhjahr auf dem Hohepunkt der internationalen
Osama-Medien-Hysterie auf diesen wirklichen - und wohl auch einzigen
- Hintergrund des US Militar-Engagements in Georgien
hingewiesen. Sie wurden uberhort. Kurz nach der Ankundigung des
GTEP fand in Tbilissi eine gro?e internationale Olkonferenz statt,
an deren Rande es auch um die Finanzierung des Milliardenprojekts
Pipeline und deren Sicherheit ging. Nur mit dem Schutz einer Pipeline
war das Auftauchen amerikanischer Militars im Sudkaukasus weder
haushaltstechnisch (in Washington) noch geostrategisch (in Moskau)
ausreichend zu erklaren. Da musste schon das weltweite Gespenst
Osama-Bin Ladens an die Wand gemalt werden, um das Projekt "verkaufen",
sprich jeden Widerstand brechen zu konnen. Das amerikanische Militarengagement,
sagen Analysten heute, nachdem sich die Wogen geglattet haben,
wird vermutlich langer dauern als die angekundigten zwei Jahre
GTEP, viel langer.
3. Auf dem Hohepunkt der sommerlichen Pankisikrise, als russische
Generale Schafe und Rinder in den abgelegensten Gebirgsregionen
Georgiens bombardieren lie?en und dabei offensichtlich auch einen
Menschen toteten, hat Washington seinem neuen Anti-Terror-Partner
in Moskau unmissverstandlich klar gemacht, dass es ein militarisches
Eingreifen Russlands auf georgischem Territorium nicht zulassen
werde. Dies wird mittlerweile von vielen politischen Insidern
bestatigt. Der neue Mitspieler im Kaukasus hat sich urplotzlich
die Rolle des Spielfuhrers angeeignet. Im Pankisital waren die
Russen lediglich mit einer Handvoll Geheimdienstleuten vor Ort.
Den militarischen Part haben Georgier mit amerikanischer Hilfe
"alleine" erledigt. Wer die
pressewirksam inszenierte "Pankisi-Inspektion" durch
den amerikanischen Botschafter in Tbilissi, Richard Miles, miterlebte
mit dem sauertopfisch dreinblickenden Russenbotschafter im begleitenden
Diplomatentross, hat erkennen konnen, wie gewaltig sich die Gewichte
Washingtons und Moskaus im Kaukasus verschoben haben. Nicht vergessen:
Vor etwas mehr als zehn Jahren noch war Georgien eine Sozialistische
Sowjetrepublik und Grenzregion der Roten Armee zum NATO-Land Turkei.
4. Seit Marz 2002 sitzt ein Mann an der Schaltstelle des zentralen
Nervensystems der georgischen Sicherheit, der allenthalben als
Mann Washingtons gilt: Tedo Tschapardise, der neue Sekretar des
Nationalen Sicherheitsrates. Von 1994 war er ununterbrochen georgischer
Botschafter in Washington. Da war genugend Zeit, den Mann kennenzulernen
und einzunorden. Er ist ein ausgewiesener Kenner der USA, schon
aus UdSSR-Zeiten. Vor seiner diplomatischen Mission in Washington
war er zwei Jahre lang Sicherheitsberater von Eduard Schewardnadse.
Als die beiden Moskauer Minister Iwanow - Au?enminister und Verteidigungsminister
- im September in Washington den Wunsch ihrer Militars nach einem
direkten Eingreifen im Pankisital begrunden wollten, hatte Condolecca
Rice, die Sicherheitsberaterin von George W. Bush, ihren georgischen
Partner Tedo Tschaparidse tags zuvor nach Washington zitiert und
mit ihm die Lage im Pankisital vorab erortert. Ein Dreiertreffen
unter der Leitung der Amerikaner lehnten die Russen - damals noch
- ab. Aber der
Georgier sa? in Washington irgendwie doch mit am Tisch, als George
W. Bush seinen Moskauer Gasten das amerikanische Veto zu einem
moglichen russischen Eingreifen im Pankisital erlautern lie?.
Und er sa? auf der Seite Amerikas. Das von Putin im Fruhjahr eingesetzte
Caucasus-Four-Treffen, eine regelma?ige Konferenz der Sicherheitschefs
von Russland, Georgien, Armenien und Aserbaidschan, ist nicht
viel mehr als ein Versuch Moskaus, im sensiblen kaukasischen Sicherheitsgeschaft
wenigstens in einem Gremium den Ton alleine angeben zu konnen,
ohne den neuen Mitspieler.
5. Ebenfalls im Fruhjahr haben die USA ihr Waffenembargo gegen
die Karabach-Konflikt-Staaten Armenien und Aserbaidschan aufgehoben
und mit beiden Landern bilaterale militarische Kooperationen begonnen.
Die armenische Au?enpolitik hat erklart, ihre erfolgreiche Bundnispolitik
mit Russland jetzt mit engeren Beziehungen zu den Vereinigten
Staaten "ausbalancieren" zu wollen. Nach den Erfahrungen
mit Georgien und angesichts der einflussreichen Lobby der armenischen
US-Diaspora kann dies langfristig nicht unbedingt Gutes fur Moskaus
Einfluss im Kaukasus bedeuten. Das nachste NATO-Manover im Rahmen
der "Partnerschaft fur den Frieden" findet im Jahr 2003
im Armenien statt. Vor wenigen Jahren fand unter dem Protest Moskaus
das erste NATO-Partnerschaftsmanover in Georgien statt, eine Marineubung
im Schwarzen Meer.
6. Im November schlie?lich stellte Georgien am Rande des NATO-Gipfels
in Prag den offiziellen Antrag auf Vollmitgliedschaft in der Nordatlantischen
Allianz. Der georgische Verteidigungsminister, der sich mit dem
Kommandeur der russischen Kaukasustruppen in Tbilissi noch immer
ein und denselben Kasernenhof samt Empfangsgebaude teilt, hat
sich langst Richtung Westen orientiert. Sein direkter Vorganger
der neunziger Jahre - der erste Verteidigungsminister unter Eduard
Schewardnadse - war noch in Moskau zum Offizier ausgebildet worden
und sprach noch nicht einmal georgisch, nur russisch. Heute hat
die turkische Armee die georgische Militarakademie und einen fruheren
russischen Militarstutzpunkt saniert und organisiert die georgische
Offiziersausbildung, wahrend die Amerikaner in ihrem hochgejubelten
GTEP nicht viel mehr als die Grundausbildung einiger weniger Einheiten
ubernommen haben. Die Bundeswehr hat sich angeboten, bei der Ausbildung
der georgischen Unteroffiziere mit Rat und Tat zu helfen. Au?erdem
fordert Berlin das georgische Heeresmusikkorps nach besten Kraften.
Es braucht also noch nicht einmal der vollen NATO-Mitgliedschaft
Georgiens um klarzustellen, dass Russlands Einfluss vergangen
ist.
Das alles hat sich im Jahr 2002 in Georgien verandert. Verstandlich,
dass dies nicht ohne Verwerfungen abgehen konnte, verstandlich
auch, dass manch ein Hardliner in Moskau erst einmal mit dem Kopf
an die Wand sto?en musste (oder vielleicht sogar gesto?en werden
musste), um zu erkennen, dass sich die Spielregeln im sudlichen
Kaukasus geandert haben. Wahrend die Medien der Welt die September-Ankundigung
Putins, in Georgien einzumarschieren, 1:1 und damit ernst nahmen,
hat in der Administration Schewardnadses recht schnell die Einsicht
Platz gegriffen, der russische Prasident sei nur ein Gefangener
seiner Generalitat und man musse alles tun, um ihm aus der Falle,
die jene ihm gestellt hatten, herauszuhelfen. Putin au?erte seine
Drohungen gegenuber Georgien bei einem Treffen mit seinem Generalstab,
verbunden mit der Auflage, ihm, dem Prasidenten einen militarischen
Einmarschplan zur endgultigen Entscheidung vorzulegen. Damit hatte
er, so georgische Analysten damals und heute, nichts anderes erreichen
wollen, als seinen Militars, die im Pankisi auf eigene Faust handeln
und zundeln wollten, das Heft aus der Hand zu nehmen.
Schon mit der Distanz von nur zwei Monaten ist klar, dass die
Putin`sche Offensive vom 11. September diplomatisch ins Leere
gegangen war, dass sie ins Leere gehen musste. Die gesamte internationale
Diplomatie machte Russland klar, dass es ein militarisches Eingreifen
in Georgien nicht akzeptieren konne. Das geschah unisono in
New York bei den Vereinten Nationen, in Brussel und Stra?burg
bei EU und Europarat, in Moskau und in Tbilissi, wo sich vor allem
die deutsche Botschaft besonders engagiert hatte. Die georgische
Diplomatie hatte die gesamte Welt hinter sich. Man darf Putin
genugend Klugheit und Weitsicht unterstellen, als dass er diese
Reaktion auf seine Rede vom 11. September nicht hatte erwarten
konnen.
Den vollmundigen Beschuldigungen Moskaus, das Georgien gar mit
Afghanistan zur Zeit des Taliban-Regimes verglich, folgten eher
klein formatierte Zugestandnisse Georgiens auf dem GUS-Gipfel
in Kischniew: die Auslieferung einiger weniger Tschetschenen,
die im Pankisital gefangen genommen wurden und Zusammenarbeit
der Grenzschutztruppen. Diese Morgengaben, von Schewardnadse mit
der gehorigen Demut prasentiert, reichten aus, dass sich der rhetorische
Hardliner vom 11. September zum Jahresende bei seinem georgischen
Kollegen fur dessen Unterstutzung im Kampf gegen den Terrorismus
ausdrucklich bedankte. Und er schickte einen neuen Botschafter
nach Georgien, der erklarte, der Tiefpunkt in den bilateralen
Beziehungen sei uberwunden, jetzt sei die Zeit "fruchtbarer
Kooperation" gekommen. Dieser neue russische Botschafter
ist ethnischer Georgier, stammt aus einer angesehenen Tbilisser
Familie und war u.a. in den 90-er Jahren vier Jahre lang an der
russischen Botschaft in Washington und in der Amerikaabteilung
des russischen Au?enministeriums. Die Herrschaften durften sich
also kennen, die Herren Miles, Tschaparidse und Tschchikwischwili.
Folgt nach dem sturmischen Herbst 2002 ein ruhiger Winter und
dann vielleicht sogar ein neuer Beziehungsfruhling 2003 zwischen
Russland und Georgien? Noch ist es zu fruh fur eine solche Prognose,
wenngleich das Bemuhen um ein diplomatisches Tauwetter zwischen
Tbilissi und Moskau kaum zu ubersehen ist. Die Medien der Welt,
die sich wahrend der Pankikrise noch die Interviewpartner und
Informanten gegenseitig abgejagt hatten, nehmen davon allerdings
kaum Notiz.
Vielleicht setzt sich im Fruhjahr 2003 das fort, was sich im Fruhjahr
2002 erst einmal an positiven Entwicklungen andeutete und dann
jah abgebrochen wurde. Vielleicht haben in Moskau jetzt auch die
Hardliner des Militarapparates eingesehen, dass sich die Zeiten
geandert haben. Vielleicht. Das Thema Abchasien, das im Januar
auf der Tagesordnung des Weltsicherheitsrates steht, ist ein erster
Prufstein. Weitere werden folgen, die leidige Visafrage, mit der
Russland nichts erreichte, und das Thema der russischen Militarbasen
in Georgien, die eigentlich langst abgezogen sein mussten. Es
gibt da vieles abzuarbeiten fur den neuen Mann aus Moskau in Tbilissi,
wenn das Zeitalter der Kooperation wirklich fruchtbar sein soll.
Was aber auf alle Falle prognostiziert werden kann, ist, dass
sich beide Lander eine ahnlich dramatische Inszenierung ihrer
Beziehungen nicht noch einmal leisten konnen. Die Welt wird davon
kaum noch Notiz nehmen, sie hat langst andere und gro?ere Sorgen.
Und Wiederholungen versprechen ohnehin nur faden Genuss. Die Regisseure
in beiden Landern, nicht zu vergessen auch die in den USA, werden
sich im neuen Jahr wohl nicht so effektvoll ins Zeug legen mussen
wie im vergangenen. Denn ahnlich dramatische Veranderungen wie
im Jahr 2002 kann es im nachsten Jahr kaum mehr geben. Die grundsatzlichen
Weichenstellungen sind ja getatigt. Jetzt geht's ans Wundenlecken,
wo notig, und ans Weitermachen, wo moglich. Es geht ja immer weiter
hinterm Horizont, wenn er erst einmal erweitert wurde.
Zeit fur Eduard Schewardnadse, sich in den letzten zwei Jahren
seiner Amtszeit den drangenden innenpolitischen Fragen seines
Landes zu widmen, der Korruption, der Finanzkrise der offentlichen
Haushalte, der Energiekrise, der Polizeireform - die Liste lie?e
sich verlangern. Oder zum Beispiel dem Thema, wie die im nachsten
Herbst anstehenden Parlamentswahlen abgewickelt werden, dass sie
einigerma?en internationalen Standards genugen und das neue Parlament
genugend Legitimation und Kraft besitzt, tragfahige Mehrheiten
fur die wichtigen Reformen in Georgien zu bilden. Kurz vor seiner
Entsendung nach Georgien hat Richard Miles, der US-Botschafter,
erklart, eines seiner wichtigsten Ziele in Georgien sei, den demokratischen
Ubergang zur Nach-Schewardnadse-Ara zu gewahrleisten. Der neue
Spielfuhrer im Kaukasus hat auch im Jahr 2003 alles andere zu
erwarten als Langeweile.
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