Wie
das Hornberger Schiessen
GN-Kommentar
zum Treffen Putin-Schewardnadse
Das kleine Schwarzwaldstädtchen Hornbach darf sich mit einigem
Recht um eine Städtepartnerschaft mit Moskau bewerben. Denn
der am 11. September von Putin ausgelöste Streit um das Pankisital
endete nämlich wie das sogenannte Hornberger Schiessen. Um
einen hohen Gast würdig begrüssen zu können, hatten
die Schützen aus der Ortenau das Ehrensalut solange geübt,
bis ihnen, als der Gast schliesslich erschien, die Munition ausgegangen
war. Seither spricht man vom Hornberger Schiessen, wenn eine Sache
gross aufgemotzt wird und am Ende wenig oder gar nichts dabei herauskommt.
Nicht viel anders erging es dem Kremlherrn. Als er nach vierwöchigem
Imponiergehabe am vergangenen Wochenende mit seinem georgischen
Kollegen zusammentraf, hatte er nicht mehr allzuviel Munition
im Köcher, um den Druck auf Georgien weiter aufrechtzuerhalten.
Das Pulver war verschossen und die Streitsache Pankisi wurde relativ
geräuschlos aus der Welt geschafft. Und das ohne grösseren
Gesichtsverlust des Kremlherrn vor seinen Generalen. Schewardnadse
war klug genug, dem Kremlchef jede nur mögliche Brücke
zu bauen, um den Graben, den dieser zwischen sich und seinem Tbilisser
Kollegen aufgerissen hatte, überwinden zu können.
Natürlich muss man sich jetzt fragen, ob denn der ganze
Aufwand wirklich gerechtfertigt war. Der Sache wegen sicher nicht.
Das war allen, die sich im Pankisital auskennen, von Anfang an
klar. Es ging bei dem Putin`schen Parforceritt eher um ein innenpolitisches
Mannöver als um einen wirklich ernst gemeinten Versuch, in
Georgien einzumarschieren. Die russische Generalität führt
ein Eigenleben und musste vom moderaten Macher im Kreml mit einer
publikumswirksamen Aktion an die Leine genommen werden, bevor
durch militärisches Säbelrasseln weiterer aussenpolitischer
Schaden drohte. Die Generale wiederum haben das Thema Pankisi
deshalb so heiss gekocht, weil sie damit leicht von ihrem eigenen
Totalversagen in Tschetschenien ablenken konnten. Das alles war
bestens inszeniert und keiner weiss, ob nicht entsprechende Stellen
in Georgien und vermutlich auch in Washington von Anfang über
den wahren Addressaten des Putin`sche Monologs von Sotschi eingeweiht
waren. Wenn man den Ablauf der letzten Wochen Revue passieren
lässt, dann erscheint einiges so gut aufeinander abgestimmt,
dass man den Gedanken an einen grossen Regisseur im Hintergrund
kaum verdrängen kann, der dem ganzen Treiben des russischen
Generalstabes im Südkaukasus ein ebenso dramatisches wie
wirkungsvolles Ende setzen wollte. Wenn dem so gewesen wäre,
eine nahezu perfekte Politinszenierung.
In Russland und im Kaukasus ist Politik weit von der Transparanz
und Nüchternheit entfernt, mit der sie bei uns - noch - betrieben
wird. Und in beiden Ländern sind die Menschen weitaus weniger
informiert über die Dinge, die um sie herum vorgehen als
bei uns. Das macht sie anfälliger für politische Täuschungsmannöver.
Das macht aber auch, dass Politik kaum rational erklärt wird,
dass kaum jemand auf politische Prozesse vorbereitet ist. Politik
wird meist bombastisch inszeniert und grosse Entscheidungen bedürfen
immer auch grosser Events, um sie verkaufen zu können. Das
Putin`sche Pankisi-Solo auf der Provinz-Bühne von Sotschi
gehört zu diesen grossen Events der letzten Monate. Ohne
ihn würden sich die Laienschauspieler des Moskauer Generalstabes
im Kaukasus weiter in Szene setzen können. Jetzt ist der
Vorhang wohl endgültig gefallen, das Pankisital hat die Chance,
wieder der Vergessenheit anheim fallen zu dürfen, in der
es über Jahrhunderte vor sich hinschlafen konnte. Und das
ist gut so.
Übrigens: Die Absage des nordrhein-westfälischen FDP-Parteitages
wegen der plötzlichen Herzbeschwerden des ansonsten oberforschen
18-%-Fallschirmspringers aus Münster ist nicht weniger Oscar-verdächtig
als das, was wir im Kaukasus in den letzten Wochen und Monaten
rund um das Pankisi erlebt haben.
Rainer Kaufmann
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