Während das Pipe-Konsortium unter Führung von BP-Amoco
weiter am Bau der Pipelines plant und bereits erste Generalverträge
vergeben hat, meldeten Naturschützer und Wissenschaftler in
Georgien schwerwiegende Bedenken gegen die Planung und gegen den
Bauherren an. Hauptaussage des Berichtes, der sich mit den Auswirkungen
des Pipelinebaus auf die georgische Gesellschaft befasste, lautet:
"Die komplexe Gestaltung der Einbeziehung nationaler, regionaler
oder lokaler Behörden in den Bau hat unter der Bevölkerung
Spannungen und Misstrauen verschärft und die Gesellschaft verunsichert,
wen sie für soziale Verpflichtungen, Projekt-Überwachung,
Schlichtung von Streitfällen und mögliche Wiedergutmachung
verantwortlich machen kann." Der Bericht wurde unter dem Dach
der Georgischen Akademie der Wissenschaften von sechs NGO`s erstellt,
unter ihnen die Grün-Alternative Bewegung Georgiens, die amerikanische
Gesellschaft "Friends of earth" und CEE Bankwatch network.
Der Bericht wurde vom Präsidenten der Internationalen Georgischen
Ölkorporation (GIOC), Gia Chanturia, nach einem ausführlichen
Studium insoweit unterstützt, als er sich nach einer Agenturmeldung
vor allem die im Bericht aufgeführten Risiken zu eigen machte
und das Pipe-Konsortium um eine Stellungnahme und gegebenenfalls
um eine Revision ihrer Planungen gebeten hat. Chanturia gilt als
der Ölpapst Georgiens und einer der kompromisslosesten Verfechter
der neuen Pipelines.
Der Bericht basiert auf einer Recherchenreisse vom Juni und unterstellt
Politikern wie Betreibern der Pipes, sich nicht hinreichend um
die Auswirkungen der Mammutinvestition auf Land und Gesellschaft
gekümmert zu haben. Insbesondere habe die Öffentlichkeit
keinen hinreichenden Zugang zu den sogenannten "Host Government
Agreements", in denen die Regelungen hinsichtlich der Sicherheit
und der Landentschädigung festgelegt seien. In der Studie
wird auch ein Mangel an Informationen über die beiden Pipeline-Projekte
gerügt, der bei der Bevölkerung zu völlig unrealistischen
Erwartungen führen würde. "Viele Betroffene kennen
den exakten Pipeline-Verlauf nicht, Landbesitzer wurden nicht
über die Entschädigungsregelungen informiert. Die Zahlen
der Arbeitsplätze für Einheimische sind vage und führen
zu Gerüchten und falschen Erwartungen", stellt die Studie
fest.
Es sei zwar wahr, dass der Staat und BP als Führer des Baukonsortiums
die lokale Bevölkerung über ihre Rechte und die Überlegungen
zum Wert ihres Grundbesitzes vertraut gemacht hätten, erklärte
ein Consultant, der früher in Pipeline-Angelegenheiten tätigt
war. "Aber die Leute sind so rückständig und arm,
dass sie mehr Hilfe brauchen. Die Regierung hätte viel mehr
für sie tun müssen."
Grösstes Problem: Bordschomi
Die wichtigsten und für die Pipe-Bauer auch schwersten Einwände
kommen von den Naturschützern. Insbesondere der geplante
Verlauf der Pipeline im Bereich Bordschomi heftig kritisiert.
Der Verlauf der Pipeline führt nach dem Tzrazkaro-Pass, der
überquert werden muss, in der Nähe von Bakuriani durch
Gebiete, die zum Einzugsbereich des weltbekannten Bordschomi-Mineralwasser
gehören. Ausserdem wirbt gerade der Bereich Bordschomi mit
dem Nationalpark Bordschomi-Charagauli mit einer intakten und
unberührten Natur. Eine Pipeline, die durch dieses Gebiet
führt, könnte dem ganzen Image der Region und damit
der Sicherung der Arbeitsplätze in Tourismus und Mineralwasserindustire
gefährden, heisst es in der Studie, von den Auswirkungen
einer Pipeline-Havarie auf die Grundwasserströme ganz zu
schweigen. Für den Verkauf des Mineralwassers, das mittlerweile
wieder ein Exportschlager Georgiens ist, hätte ein Austreten
auch von geringsten Mengen an Öl, das in die unterirdischen
Mineralwasserströme gelangen könne, katastrophale Folgen.
Trassenverlauf
in Georgien mit dem neuralgischen Punkt:Tzratzkaro-Pass und Bordschomi-Region
Deshalb müssen sich die Pipelineplaner in diesem Punkt nicht
nur mit der Kritik der Umweltschützer auseinandersetzen.
In der GGMW, der Georgian Glas and Mineral Water, dem grössten
Bordschomi-Lizenz-Abfüller, haben sie einen Kontrahenten,
der sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen
den geplanten Trassenverlauf wehren wird. Der wichtigste Verbündete
der Bordschomi-Abfüller dürfte dabei nicht einmal in
Georgien sitzen sondern in London. Es ist die EBRD, die European
Bank for Reconstruction und Developement. Sie soll einen Teil
der noch offenen Finanzierung der Ölpipeline per Kredit übernehmen.
Da die EBRD aber auch grösster Kreditgeber für das Bordschomi-Vorzeigeunternehmen
GGMW ist, dürften sich die Londoner Bankmanager den geplanten
Verlauf der Pipe im Bereich Bordschomi genauer ansehen, bevor
sie ihre Tresore für die Pipebauer öffnen.
Naturschützer kritisieren insbesondere auch die Regierung,
die unrealistische Erwartungen in sogenannte "windfall profits"
und den gesellschaftlichen Nutzen der Pipe erweckte. Bei BP sei
es ziemlich klar, dass nichts von dem durchgeleiteten Öl
und Gas für den Inlandsverbrauch vorgesehen sei, man jedoch
die georgische Regierung bei der Beschaffung anderer Primärenergiequellen
unterstützen wolle. Die Regierung verspreche der Bevölkerung
das Blaue vom Himmel und BP denke nicht daran, diesen Eindruck
zu korrigieren.
Ausserdem klagt der Report über schwerwiegende Versäumnisse
von BP während des Baus der Baku-Supsa-Pipeline. So seien
durch den Bau beschädigte Strassen, Trinkwasser- und Bewässerungsleitungen
nicht ordnungsgemäss repariert worden. Ausserdem habe die
Regierung die Entschädigungen für enteignetes Land nicht
ausbezahlt.
Im Frühsommer hatte BP in einer Reihe von öffentlichen
Veranstaltungen im ganzen Land über den Trassenverlauf, die
Bauphase und alle damit zusammenhängenden Fragen informiert.
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