Die Ikone ist tot, es lebe die Ikone. Kaum hat Eduard Schewardnadse,
dem in der deutschen Politik-Landschaft eine nahezu ikonenhafte
Verehrung zuteil wurde, das Feld geräumt, kam mit Michael Saakaschwili,
dem Rosen-Revolutionär, ein Politiker nach Berlin, der alles
Zeug dazu hat, als neue georgische Polit-Ikone zu reüssieren
und dies nicht nur an der Spree. Als Neuling und Youngster unter
den Staatschefs gleich beim ersten Auftritt in Berlin vom Bundespräsidenten,
Bundeskanzler, Parlamentspräsidenten und Außenminister
empfangen zu werden, das muss dem neuen Mann von der Kura erst einmal
einer nachmachen. Dazu noch ein Pflicht-Date mit der Ministerin
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und zwei politische Vorträge
samt einer Reihe von Interview-Terminen mit führenden Blättern
und TV-Stationen - das war ein mehr als respektables Programm für
einen nicht einmal 48-stündigen Antrittsbesuch. Da hat sich
einer auf Schewardnadses ureigenstem Terrain, dem wiedervereinten
Deutschland, den Lorbeer für den friedlichen Machtwechsel abgeholt.
Und er hat es sichtlich genossen.
Begleitet wurde Georgiens neuer Staatschef von seiner Frau Sandra
Roelofs, die mal als seine Dolmetscherin auftrat, sich mal - im
Damenprogramm der deutsch-georgischen Hauptstadtszene - einfach
als die "Ich bin die Sandra"-First-Lady vorstellte und
damit die Herzen der BerlinerInnen fast im Sturm eroberte. Eine
neue "First Lady der Herzen" - die andere, die Königin
der Herzen, müsste vor Neid fast erblassen, hätte sie
noch die Chance, die Charme-Offensive der gebürtigen
Niederländerin für ihre neue Heimat zu erleben. Sandra
Roelofs, das ist nach diesem Kurz-Abstecher an die Spree offensichtlich,
wird ihrem Mischa nicht nur in der georgischen Bevölkerung
mit viel Charme zur Seite stehen. Sie wird auch ihre Rolle als
Sonderbotschafterin Georgiens in den Medien der Welt zu spielen
verstehen, und dies nicht nur im Boulevard. Pfunde, mit denen
der Präsident wird wuchern können.
Michael Saakaschwili wird diese Hilfe brauchen. Denn der überaus
freundliche Empfang in der deutschen Hauptstadt darf nicht darüber
hinwegtäuschen, dass es sich bei dem Lorbeer von Berlin wohl
eher um einen großen Vorschusslorbeer für Saakaschwilis
Amtszeit und die Zukunft des neuen Georgien handelte. Denn ähnlich
wie seine Heimat setzt auch Europa große Hoffnungen auf
den politischen Senkrechtstarter. Aber dass er für den nächsten
Winter nicht noch einmal so viele Sponsoren in der Welt wird finden
können wie in den vergangenen Wochen, das dürfte auch
Saakaschwili klar sein. Falls nicht, das war am Rande seines Berlin-Besuches
deutlich zu spüren, wird ihm das schon beim nächsten
Auftritt an gleicher oder anderer Stelle beigebogen werden. Ohne
einen spürbaren Eigenbeitrag Georgiens zu seiner Gesundung
werden die Hilfsleistungen aus dem Ausland schneller wieder ins
Stocken geraten als sie nach den November-Ereignissen zu sprudeln
begannen. In Georgien - und das ist die jetzt schon erkennbare
Crux für Saakaschwili - wird er wohl eher daran gemessen
werden, was er an Hilfe akquirieren kann.
Dabei hat Saakaschwili sich in Berlin mit seinem unkonventionellen
Auftreten nicht nur Freunde gemacht. Sicher ist nach den ausgestanzten
Stereotypen, mit denen sein Vorgänger die Welt zu langweilen
beliebte, die lustvolle Sprachgewalt des Neuen mehr als erfrischend.
Es gab aber auch deutliche Kritik vor allem an der einen oder
anderen Formulierung in Richtung Russland, welche die diplomatische
Routine vermissen ließ, die seinen Vorgänger dann doch
auszeichnete. Ob er damit mehr Erfolg haben wird als jener, wird
man schon bald erkennen. Saakschwili will noch Anfang Februar
seinen Antrittsbesuch in der Höhle des Löwen, im Moskauer
Kreml machen. Dort wird das Parkett ungleich rutschiger sein als
im winterlichen Berlin. Im März wird dann Außenminister
Fischer in Tbilissi erwartet, vermutlich gerade noch rechtzeitig
zu den Parlamentswahlen. Dann wird Saakaschwili noch einmal deutsche
Lorbeeren zum Vorschuss ernten dürfen, denn der raschen Terminierung
von Fischers Trip nach Georgien kann der Aspekt einer deutschen
ministeriellen Wahlkampfhilfe für die neue Regierung in Georgien
nur schwerlich abgesprochen werden. Spätestens nach dieser
Wahl aber kommt für Saakschwili und seine Regierung dann
die Stunde der Wahrheit. Und dann will man vor allem in Europa
nur noch eines, nämlich Taten sehen.
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