Mittlerweile waren sie alle bei Aslan Abaschidse, dem Oberhaupt
der autonomen Provinz Adscharien: Nino Burdschanadse, die amtierende
Interimspräsidentin; Surab Schwania, der neue Staatsminister,
und Richard Miles, der amerikanische Botschafter in Georgien, der
immer und überall in Georgien aufzutauchen scheint, wenn es
hinter den Kulissen etwas zu regeln gibt, war nach dem Machtwechsel
in Tbilissi sogar zweimal bei Aslan Abaschidse in Batumi. Dazwischen
hat sich Aslan Abaschidse Rat in Moskau und im Straßbourger
Europarat gesucht. Nur Michael Saakaschwili, der Präsidentschaftskandidat,
hat bislang keine Audienz beim Provinzfürsten am Schwarzen
Meer bekommen. Zu tief ist dessen Verärgerung über den
Helden Rosenrevolution, bei der auch Aslans Parteifreunde Dschemal
Gogitidse und Tsotne Bakuria von den Gefolgsleuten Saakaschwilis
recht unsanft aus dem Parlament hinausgedrängt wurden. Soviel
Gesichtsverlust will erst einmal bewältigt werden.
Nach einigen Signalen der letzten Tage scheint es aber, als ob
sich Aslan Abaschidse mit dem unvermeidlichen Schicksal einer
Präsidentschaft Saakaschwilis abfinden würde. Möglicherweise
geht es - wie so oft in Georgien - nur noch um den Preis, den
die Zentralgewalt in Tbilissi entrichten muss, will sie ein Abdriften
Adschariens in die Sezession verhindern. Jedenfalls ist Aslans
Statthalter in Tbilissi, Tsotne Bakuria, in dieser Woche reumütig
nach Tbilissi zurückgekehrt und hat dort das Abaschidse-Parteibüro
der "Union der Demokratischen Wiedergeburt" wieder eröffnet.
Man befinde sich in Übereinstimmung mit den neuen Realitäten,
erklärte Bakuria, der am Rosen-Samstag im Parlament vor allen
Fernsehkameras recht handfest die alte Regierungsmacht zu verteidigen
trachtete, und rief das gesamte politische Spektrum zu Toleranz
und Vergebung auf. Seit Ende November hatte die Wiedergeburt ihre
Büros in Tbilissi geschlossen, nachdem Aslan Abaschidse für
seine Provinz den Notstand ausgerufen und jede Beziehungen zur
georgischen Zentralregierung abgebrochen hatte. Nach einer Blitzreise
nach Moskau, wo er eine Lockerung der russischen Visabedingungen
für Adscharien als Sahnebonbon mitbrachte, war sogar von
einer Sezession Adschariens die Rede. Vor allem Moskauer Medien
verbreiteten gerne die Nachricht, dass sich nach Südossetien
und Abchasien jetzt auch noch Adscharien von Georgien lossagen
könnte. Mehr als eine kleine Geste der Genugtuung für
den eitlen Provinzfürsten und eine dem russischen Parlamentswahlkampf
geschuldete Pflichtstichelei gegen Tbilissi muss man in dieser
besonderen Visa-Klausel für Adscharien wohl nicht erkennen,
denn der russische Botschafter in Georgien beeilte sich mit der
Erklärung, dass eine generelle Aufhebung der Visabestimmungen
für Georgien in Aussicht stehe, sobald sich das Land stabilisiert
habe. Mittlerweile war auch Tedo Tschaparidse, der neue Außenminister
Georgiens in Moskau, Nino Burdschanadse erwartet in dieser Woche
gar als Interimspräsidentin eine Einladung ihres "Kollegen"
Putin.
Nach ihrer Marathonverhandlung haben sowohl Schwania als auch
Abaschidse allen Spekulationen um eine Abspaltung Adschariens
eine klare Absage erteilt. "Das Gespenst einer adscharischen
Sezession ist vom Tisch", erklärte Schwania, während
Abaschidse aus der gemeinsamen Pressekonferenz zitiert wird: "Adschariens
Sezession ist eine Dummheit." Gleichwohl forderte er die
neuen Machthaber in Tbilissi, die er als illegitim bezeichnete,
auf, schnellstens zur verfassungsmässigen Ordnung zurückzukehren.
Selbstredend wäre eine Sezession Adschariens wirtschaftspolitisches
Harakiri für Aslan Abaschidse, dessen "Freihandelszone"
der besonderen Art nur dann funktionieren kann, wenn er als Teil
Georgiens die Oberhohheit über die Zollverwaltung an der
türkischen Grenze behält. Außerdem gilt: Der nächste
Sommer kommt bestimmt. Und spätestens dann, wenn es wieder
Tausende aus Tbilissi an die Schwarzmeerstrände von Batumi
und Kobuleti zieht, wird auch Aslan Abaschidse den kurz nach der
Revolution unterbrochenen Bahnverkehr zwischen Tbilissi und Batumi
wieder aufnehmen wollen. Und die Grenzkontrollen in Tscholochi,
dem adscharischen Polizeiposten, waren in den vergangenen Wochen
bei weitem nicht so extrem, wie sie die offiziellen Ankündigungen
der adscharischen Regierung Glauben machen wollten. Jedenfalls
berichten Reisende davon, bei der Durchreise durch Adscharien
nicht wesentlich mehr behelligt worden zu sein als in normalen
Zeiten.
Die entscheidende Frage, ob Adscharien die vorgezogenen Präsidentenwahlen
am 4.Januar boykottieren wird oder doch noch die Öffnung
der Wahllokale erlaubt, ist derzeit allerdings noch nicht geklärt.
Abaschidse bestand in seinem vierstündigen Meinungsaustausch
mit Schwania darauf, die Wahlen auf den Juni zu verschieben. Trotzdem
zeigte er seinem Gast anschließend nicht ohne Stolz ein
bestens ausgerüstetes Wahllokal in Batumi. Zudem besichtigten
beide die Baustelle des Straßentunnels, der einmal die Städte
Batumi und Kobuleti verbinden soll. Man habe über eine neue
Form der Beziehungen zwischen der Zentralregierung und Adscharien
gesprochen, erklärte Schwania, und bestätigte seinen
Gast darin, dass diese Beziehungen streng nach den Bestimmungen
der Verfassung zu gestalten seien.
Mit der Verfassung hat Schwania seinem Gegenüber anscheinend
auch in Sachen Wahlen argumentiert. Denn es gibt Beobachter, die
erklären, Abaschidse habe wohl eingesehen, dass er mit seiner
Partei zwar die vorgezogenen Präsidentenwahlen boykottieren
könne, sich aber auf verfassungsmäßig dünnem
Eis befände, wenn er seiner Bevölkerung die Teilnahme
an diesen Wahlen durch Entscheidungen seiner Administration verbiete.
Dazu kommt auch, dass sich mittlerweile erster ziviler Ungehorsam
im sonst so einheitlich ordentlichen Adscharien zeitigt. Studenten
fordern ihre Eintragung in die Wählerlisten und eine politische
Bewegung "Unser Adscharien" fordert gar ein Ende der
selbstherrlichen Regierung des Abaschidse-Clans. "Mein Adscharien.
Unser Adscharien" hatte Eduard Schewardnadse noch kurz nach
den Wahlen in Batumi ausgerufen, als er die Notallianz mit Aslan
Abaschidse öffentlich beurkundete. So schnell können
sich manchmal die Zeiten ändern. Die neue Mannschaft in Tbilissi
scheint zu spüren, dass die Zeit für sie und gegen Abaschidse
spielt, und behandelt den adscharischen Provinzfürsten mit
äußerster Vorsicht. Dem Mann soll anscheinend die Chance
gegeben werden, sich unter Wahrung seines Gesichtes in die neuen
Realitäten einzufinden, nachdem er auch in Straßbourg
erfahren mußte, dass Adscharien Teil Georgiens sei und seine
Bürger deshalb das Recht haben sollten, an der Präsidentenwahl
am 4. Januar teilzunehmen.
Michael Saakaschwili allerdings mag es nicht ganz so diplomatisch.
Er forderte den Adscharen auf, nach der Verfassung zu handeln:
"Ich habe vor, Präsident von ganz Georgien zu werden,
inklusive der adscharischen Autonomen Republik. Ich habe nicht
die Absicht, ihn zu erpressen, aber wenn er die Verfassung verletzt,
wird er ernsthaft bestraft werden."
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