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Ausgabe 21/03
24. Dezember


Mittlerweile waren sie alle bei Aslan Abaschidse, dem Oberhaupt der autonomen Provinz Adscharien: Nino Burdschanadse, die amtierende Interimspräsidentin; Surab Schwania, der neue Staatsminister, und Richard Miles, der amerikanische Botschafter in Georgien, der immer und überall in Georgien aufzutauchen scheint, wenn es hinter den Kulissen etwas zu regeln gibt, war nach dem Machtwechsel in Tbilissi sogar zweimal bei Aslan Abaschidse in Batumi. Dazwischen hat sich Aslan Abaschidse Rat in Moskau und im Straßbourger Europarat gesucht. Nur Michael Saakaschwili, der Präsidentschaftskandidat, hat bislang keine Audienz beim Provinzfürsten am Schwarzen Meer bekommen. Zu tief ist dessen Verärgerung über den Helden Rosenrevolution, bei der auch Aslans Parteifreunde Dschemal Gogitidse und Tsotne Bakuria von den Gefolgsleuten Saakaschwilis recht unsanft aus dem Parlament hinausgedrängt wurden. Soviel Gesichtsverlust will erst einmal bewältigt werden.

Nach einigen Signalen der letzten Tage scheint es aber, als ob sich Aslan Abaschidse mit dem unvermeidlichen Schicksal einer Präsidentschaft Saakaschwilis abfinden würde. Möglicherweise geht es - wie so oft in Georgien - nur noch um den Preis, den die Zentralgewalt in Tbilissi entrichten muss, will sie ein Abdriften Adschariens in die Sezession verhindern. Jedenfalls ist Aslans Statthalter in Tbilissi, Tsotne Bakuria, in dieser Woche reumütig nach Tbilissi zurückgekehrt und hat dort das Abaschidse-Parteibüro der "Union der Demokratischen Wiedergeburt" wieder eröffnet. Man befinde sich in Übereinstimmung mit den neuen Realitäten, erklärte Bakuria, der am Rosen-Samstag im Parlament vor allen Fernsehkameras recht handfest die alte Regierungsmacht zu verteidigen trachtete, und rief das gesamte politische Spektrum zu Toleranz und Vergebung auf. Seit Ende November hatte die Wiedergeburt ihre Büros in Tbilissi geschlossen, nachdem Aslan Abaschidse für seine Provinz den Notstand ausgerufen und jede Beziehungen zur georgischen Zentralregierung abgebrochen hatte. Nach einer Blitzreise nach Moskau, wo er eine Lockerung der russischen Visabedingungen für Adscharien als Sahnebonbon mitbrachte, war sogar von einer Sezession Adschariens die Rede. Vor allem Moskauer Medien verbreiteten gerne die Nachricht, dass sich nach Südossetien und Abchasien jetzt auch noch Adscharien von Georgien lossagen könnte. Mehr als eine kleine Geste der Genugtuung für den eitlen Provinzfürsten und eine dem russischen Parlamentswahlkampf geschuldete Pflichtstichelei gegen Tbilissi muss man in dieser besonderen Visa-Klausel für Adscharien wohl nicht erkennen, denn der russische Botschafter in Georgien beeilte sich mit der Erklärung, dass eine generelle Aufhebung der Visabestimmungen für Georgien in Aussicht stehe, sobald sich das Land stabilisiert habe. Mittlerweile war auch Tedo Tschaparidse, der neue Außenminister Georgiens in Moskau, Nino Burdschanadse erwartet in dieser Woche gar als Interimspräsidentin eine Einladung ihres "Kollegen" Putin.

Nach ihrer Marathonverhandlung haben sowohl Schwania als auch Abaschidse allen Spekulationen um eine Abspaltung Adschariens eine klare Absage erteilt. "Das Gespenst einer adscharischen Sezession ist vom Tisch", erklärte Schwania, während Abaschidse aus der gemeinsamen Pressekonferenz zitiert wird: "Adschariens Sezession ist eine Dummheit." Gleichwohl forderte er die neuen Machthaber in Tbilissi, die er als illegitim bezeichnete, auf, schnellstens zur verfassungsmässigen Ordnung zurückzukehren. Selbstredend wäre eine Sezession Adschariens wirtschaftspolitisches Harakiri für Aslan Abaschidse, dessen "Freihandelszone" der besonderen Art nur dann funktionieren kann, wenn er als Teil Georgiens die Oberhohheit über die Zollverwaltung an der türkischen Grenze behält. Außerdem gilt: Der nächste Sommer kommt bestimmt. Und spätestens dann, wenn es wieder Tausende aus Tbilissi an die Schwarzmeerstrände von Batumi und Kobuleti zieht, wird auch Aslan Abaschidse den kurz nach der Revolution unterbrochenen Bahnverkehr zwischen Tbilissi und Batumi wieder aufnehmen wollen. Und die Grenzkontrollen in Tscholochi, dem adscharischen Polizeiposten, waren in den vergangenen Wochen bei weitem nicht so extrem, wie sie die offiziellen Ankündigungen der adscharischen Regierung Glauben machen wollten. Jedenfalls berichten Reisende davon, bei der Durchreise durch Adscharien nicht wesentlich mehr behelligt worden zu sein als in normalen Zeiten.

Die entscheidende Frage, ob Adscharien die vorgezogenen Präsidentenwahlen am 4.Januar boykottieren wird oder doch noch die Öffnung der Wahllokale erlaubt, ist derzeit allerdings noch nicht geklärt. Abaschidse bestand in seinem vierstündigen Meinungsaustausch mit Schwania darauf, die Wahlen auf den Juni zu verschieben. Trotzdem zeigte er seinem Gast anschließend nicht ohne Stolz ein bestens ausgerüstetes Wahllokal in Batumi. Zudem besichtigten beide die Baustelle des Straßentunnels, der einmal die Städte Batumi und Kobuleti verbinden soll. Man habe über eine neue Form der Beziehungen zwischen der Zentralregierung und Adscharien gesprochen, erklärte Schwania, und bestätigte seinen Gast darin, dass diese Beziehungen streng nach den Bestimmungen der Verfassung zu gestalten seien.

Mit der Verfassung hat Schwania seinem Gegenüber anscheinend auch in Sachen Wahlen argumentiert. Denn es gibt Beobachter, die erklären, Abaschidse habe wohl eingesehen, dass er mit seiner Partei zwar die vorgezogenen Präsidentenwahlen boykottieren könne, sich aber auf verfassungsmäßig dünnem Eis befände, wenn er seiner Bevölkerung die Teilnahme an diesen Wahlen durch Entscheidungen seiner Administration verbiete. Dazu kommt auch, dass sich mittlerweile erster ziviler Ungehorsam im sonst so einheitlich ordentlichen Adscharien zeitigt. Studenten fordern ihre Eintragung in die Wählerlisten und eine politische Bewegung "Unser Adscharien" fordert gar ein Ende der selbstherrlichen Regierung des Abaschidse-Clans. "Mein Adscharien. Unser Adscharien" hatte Eduard Schewardnadse noch kurz nach den Wahlen in Batumi ausgerufen, als er die Notallianz mit Aslan Abaschidse öffentlich beurkundete. So schnell können sich manchmal die Zeiten ändern. Die neue Mannschaft in Tbilissi scheint zu spüren, dass die Zeit für sie und gegen Abaschidse spielt, und behandelt den adscharischen Provinzfürsten mit äußerster Vorsicht. Dem Mann soll anscheinend die Chance gegeben werden, sich unter Wahrung seines Gesichtes in die neuen Realitäten einzufinden, nachdem er auch in Straßbourg erfahren mußte, dass Adscharien Teil Georgiens sei und seine Bürger deshalb das Recht haben sollten, an der Präsidentenwahl am 4. Januar teilzunehmen.

Michael Saakaschwili allerdings mag es nicht ganz so diplomatisch. Er forderte den Adscharen auf, nach der Verfassung zu handeln: "Ich habe vor, Präsident von ganz Georgien zu werden, inklusive der adscharischen Autonomen Republik. Ich habe nicht die Absicht, ihn zu erpressen, aber wenn er die Verfassung verletzt, wird er ernsthaft bestraft werden."


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